Ueli Mäder
Soziologieprofessor und Buchautor
Ueli Mäder plauderte im «Volksstimme»-Nachtcafé über Reiche, soziale Spannungen, den neuen BaZ-Besitzer Moritz Suter und eine ziemlich waghalsige Jugendsünde.
ch. Mehr als 150 Gäste im Nachtcafé der «Volksstimme» wollten am Donnerstag Ueli Mäder sehen und hören. Das Timing für den Auftritt des in Sissach aufgewachsenen Soziologen war perfekt: Vor wenigen Wochen ist sein Buch «Wie Reiche denken und lenken» erschienen, und am Wochenende nach dem Gastspiel in der «Oberen Fabrik» wurde über die Steuergerechtigkeitsinitiative abgestimmt.
Selbstverständlich interessierten die Hintergründe und Müsterchen bei der Entstehung der Superreichen-Studie das Publikum ganz besonders. Und sie wurden nicht enttäuscht. Als «gutes Zeichen» wertete Mäder, dass praktisch alle für die wissenschaftliche Untersuchung angefragten Superreichen – Menschen mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Franken – ihm, dem kritischen Soziologen, ihre Tür geöffnet hätten.
Geizige Mäzene
«Nichtreiche, werden Reiche nie verstehen»: Diese Aussage einer wohlhabenden Frau, die Mäder interviewte, wurde mindestens durch zwei Erlebnisse im Zuge seiner Recherchen bekräftigt: Eine Frau, die Millionen an gemeinnützige Organisationen spendet, habe ihn in ungeheizten Räumen empfangen und ein in Basel bekannter Mäzen habe ihm eine Visitenkarte mit einem Schreibfehler in seinem Vornamen überreicht. Er sei sich dessen bewusst, habe der Mann auf Mäders Nachfrage gesagt, aber wegen so einer Kleinigkeit würde er doch nicht die ganze Auflage einstampfen. Nicht nur solche Widersprüche faszinierten Mäder bei seinen Recherchen, sondern auch Gespräche mit philosophischen Ansätzen: «Die nächste Yacht bringt es nicht. Was ist eigentlich wichtig im Leben?»
Als Gesprächsleiter Robert Bösiger seinen Gast fragte, weshalb die Schweiz für Reiche so attraktiv sei, brauchte dieser nicht lange zu überlegen: Neben Faktoren wie Bildung, Einkommenssituation, Umwelt und politische Stabilität, die Möglichkeiten, die die Schweiz zur Steuerhinterziehung biete.
Soziale Sprengkraft
Die wachsende Konzentration der Vermögen auf immer weniger Köpfe habe einiges an sozialer Sprengkraft, urteilte der Soziologe; der Arbeitsfrieden sei in Gefahr. Man müsse dringend etwas gegen die wachsende Kluft unternehmen, forderte er: Berufslehre für alle, Mindestlöhne anheben, bei denen, die sehr viel hätten, etwas abzwacken. Die Drohung von einigen Superreichen, das Land zu verlassen, falls sie steuerlich stärker zur Kasse gebeten würden, lässt Mäder kalt: «Um die wenigen, die tatsächlich wegziehen würden, wäre es nicht schade.»
«Suter will etwas bewegen»
Moritz Suter, der neue Eigentümer der «Basler Zeitung» kam bei Mäder gut weg: Er sei politisch liberal, neugierig und vor allen Dingen ein Mann, dem nicht egal sei, was die Leute von ihm denken, so Mäder. Deshalb glaube er nicht, dass Suter die BaZ gekauft habe, um sich zu bereichern, sondern um etwas zu bewegen. Ob das ganze Geld für den Kauf der BaZ tatsächlich aus Suters eigener Schatulle stamme, wie dieser behauptet, wollte Mäder nicht anzweifeln: «Ich halte ihn für ehrlich und vertraue auf seine Beteuerung.»
Dass der Poch-Mitbegründer und frühere BastA-Grossrat nie aufgegeben hat, die Welt verbessern zu wollen, spiegeln nicht zuletzt seine Publikationen. Wie Mäder im Nachtcafé verriet, sehe er es heute aber lockerer als «damals», als er «Das Kapital» zweimal gelesen hatte («Einmal hätte auch gereicht»), an einer Veranstaltung zur Dienstverweigerung mit Aussagen wie «Nazi-Kollaborateure» provozierte oder nach dem Ende des Vietnamkriegs in einer waghalsigen Aktion eine Fahne mit der Aufschrift «Vietnam befreit» ans Basler Münster hängte.
Keine Klage gegen «Weltwoche»
Keine Ehrverletzungsklage will Ueli Mäder gegen die «Weltwoche» einreichen, die ihn für sein jüngstes Buch in mehreren Beiträgen demontierte, sagte Mäder. Dies, obwohl ihm einer «seiner» Superreichen angeboten hatte, die Kosten für ein Verfahren zu übernehmen. Mäders Weg ist ein anderer: Er ging mit einem «Weltwoche»-Journalisten essen. Als Soziologe diskutiere er halt gerne mit Leuten, die das Heu auf einer anderen Bühne haben.
Volksstimme Nr. 135 / 2010