Zoe Scarlett
Pin-up-Model und Burlesque-Künstlerin
Zoe Scarlett, dem Pin-up-Model aus dem Unterbaselbiet, hängen nicht bloss «sabbernde Männer» und verträumte Mädchen an den Lippen. Die Blondine begeisterte im voll besetzten Nachtcafé in Sissach als witzige Unterhalterin.
jg. Es war am Donnerstag der Abend der Überraschungen: Wer in der «Bar Etage» in der Oberen Fabrik in Sissach dem 98. Nachtcafé beiwohnte, musste sich von mancher falschen Vorstellung, von mehreren Klischees verabschieden. Wohl die meisten kannten Zoe Scarlett, Pin-up-Model, Werbe-Ikone und Burlesque-Tänzerin, von Aufnahmen und von kurzen Fernsehauftritten.
Doch alle, die nun eine unterkühlte, berechnende Diva mit tiefer Raucherstimme und noch tieferem Dekolleté erwarteten, mussten sich von ihrer zweiten falschen Erwartung verabschieden: Da sass eine heitere, im positiven Sinne unbekümmerte junge Frau, nach ihren Angaben 28 Jahre alt, und erzählte aus ihrem Leben. Ihr häufiges helles Lachen wirkte ansteckend. Nachtcafé-Wirt Robert Bösiger hatte sie als Frau begrüsst, die «Glanz und Gloria zu uns in die Alpen» bringe. Sie wollte aber keine Sekunde den Eindruck erwecken, etwas Besonderes sein zu wollen. Statt es bei kurzen, herablassenden Antworten zu belassen, liess sie sich bereitwillig in lustige Dialoge verwickeln.
Eine halbe Stunde reicht ihr
Zuvor hatten sich die Gäste bereits von ihrer ersten falschen Erwartung trennen müssen. Nicht überwiegend Männer jeden Alters mit geputzten Brillengläsern besetzten die Publikumsstühle, die «sabbernden Männer», wie die Tänzerin in anderem Zusammenhang diese Klientel bezeichnete. Deutlich stärker vertreten war das sogenannte schwächere Geschlecht, das sich für die Blondine interessierte, die so kurvenreich wie die Strasse über den Gotthardpass sein soll, so prall wie ihr Terminkalender.
Denn – dies war die dritte Fehleinschätzung der meisten – Zoe Scarlett sass fein und züchtig gekleidet auf dem Podium. Schwarz und ein dunkles Grün, kein vulgäres Rot, bestimmten ihre Kleidung. Ein halblanger Rock verwehrte den Blick auf die Beine, die Bluse hätte durchaus noch etwas gewagter sein dürfen, ohne deshalb die Bigotten zu entsetzen. Einzig die hellblonden Haare und die knallroten Lippen offenbarten, dass es Zoe Scarlett halt doch sehr auf den Schein ankommt. Eine halbe Stunde kostet es diese glänzende Unterhalterin täglich, sich so herauszuputzen – inklusive duschen und Haare locken.
Monroe und Elvis
Weitere Erwartungen, die nicht erfüllt wurden: Zoe Scarlett ist kein Künstlername, sondern steht so seit jeher in ihrem Pass. Nein, sie werde zum Schluss nichts vortanzen, um so einen Einblick in ihr Leben im Bereich zwischen Foxtrott und Striptease zu geben, beschied sie auf die Bitte?… einer Frau.
Und: «Nein, Marilyn Monroe war nie ein Vorbild für mich», sagte die Unterbaselbieterin, die gerne im Overall alte amerikanische Autos in Schuss bringt und die vom seriösen «Spiegel» einst als «Monroe der Moderne» bezeichnet wurde. «Die Monroe war als Mensch eine verlorene Seele. Sie kann deshalb kein Idol sein.» Zoe Scarlett ist sich wohl bewusst, dass sie diesem häufigen Vergleich mit dem ersten Pin-up-Girl der Geschichte ihren Erfolg verdankt. Sie stellt ihr Äusseres aber lieber in den Dienst der Nostalgie und der Fünfzigerjahre.
Noch zu einer weiteren Ikone jener Zeit pflegt sie ein besonderes Verhältnis: zu Elvis. Allmählich müde, als Single immer wieder nach ihrem Traummann gefragt zu werden, pflege sie stets mit «wie Elvis» zu antworten. «Dann ist der Journalist zufrieden, weil er die Antwort erhalten hat, die er wollte. Und ich bin es, weil ich dann meine Ruhe habe», sagt sie. Es war nicht die erste Kostprobe ihres entwaffnenden Humors, aber eine der letzten dieses Abends.
Bilder zum Nachtcafé mit Zoe Scarlett finden Sie in unserer Galerie auf www.volksstimme.ch
Volksstimme Nr. 27 / 2013