Nachtcafé vom 01.09.2000   Liste aller Gäste       

Nella Martinetti
Entertainerin, Sängerin, Ulknudel 

Nella Martinetti wi. Ob man sie mag oder nicht: irgendwie kann man sich ihrem Charme nicht entziehen. Bella Nella Martinetti aus Brissago. Sie ist seit dreissig Jahren im Showgeschäft und am vergangenen Donnerstag war sie Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé, wo sie auf einem von einer schwedischen Möbelkette gesponserten Sofa plauderte. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist übrigens im Bett liegen und nichts machen. Aber auch das Schreiben macht ihr Spass. So sprach sie auch über ihr neues Buch, das am Sonntag erschienen ist.
Die ehemalige Kindergärtnerin wollte unbedingt ins Fernsehen und so hat sie ein Angebot der Stumpenfirma Brissago angenommen, ein Lied aufzunehmen. Dieser Song «Cher eifach de Rügge» war ihre erste Single. «Ich musste zweimal ins Studio gehen, weil man es nicht verstanden hat.» Und, so Martinetti bestimmt, sie habe zu jener Zeit tatsächlich Brissago geraucht, aber es sei ihr immer schlecht geworden. Heute würde sie Haschisch rauchen, feixte die Tessiner Ulknudel.

«Tutti Frutti» auf dem Sofa
Zurück zu ihren Anfängen: Sie sei schon immer eine Entertainerin gewesen. «Das ist meine Natur.» Sie habe am Sonntagnachmittag bei Tee und Kuchen auch im Garten des späteren Bundesrats Flavio Cotti gesungen.
Wie sie es geschafft habe so lange von der Regenbogenpresse verwöhnt und gehätschelt zu werden? Lautete eine der Fragen von «Volksstimme»-Chefredaktor Robert Bösiger. Das frage sie sich selber auch, meinte Nella und reichte ein paar Müsterchen nach. Zum Beispiel das «Blick»-Bild, wo sie nur mit einem Tuch bekleidet auf einem Sofa lag oder ein anderes Bild, wo sie fast vollständig mit Früchten bedeckt ist. Das sei eben alles harte Arbeit gewesen.

Jedenfalls identifiziere sie sich heute mit ihrer fülligen Figur. Wie viel Kuren sie insgesamt gemacht hat, mochte sie nicht sagen. Immerhin habe sie in den vergangenen Monaten durch die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten sechseinhalb Kilo abgenommen. Aber sie habe erkennen müssen, wenn man dünner werde, werde man nicht automatisch auch jünger, so Martinetti. Sie habe ihr Dicksein als Schicksal akzeptieren müssen. Sie finde mollige Leute einfach schön. Aber es müsse noch viel geschehen. «Fertig mit der Diskriminierung», rief Martinetti den Leuten zu.

Jüngere Männer gefallen
Dann kam ein Thema zur Sprache, auf das man spürbar gewartet hatte: jüngere Männer im Leben von Nella. Sie habe nur gerade zwei jüngere Männer gehabt und sie sei jetzt doch schon 54 Jahre alt. «Wenn ich Glück habe, kommt nochmal einer.» Ihr gefielen jüngere Männer einfach. Schliesslich würden sich ältere Männer auch nach jüngeren Frauen umdrehen.
Ernster wurde es, als Martinetti über die Schattenseiten des Showbiz sprach. Es sei eine leere Welt, meinte sie. «Sie verpassen gar nichts.» Es drehe sich immer im Kreis. Sie selber habe aber auch andere Seiten und wolle nicht immer nur das Kalb machen.

«Fertig lustig»
In ihrem neuen Buch «Fertig lustig», das am Sonntag erschienen ist, spricht sie ebenfalls Klartext. Es sei ein Buch über ihr Leben. Thematisiert wird auch, warum es vor fünf Jahren nach einer 20-jährigen Beziehung mit ihrem Freund nicht mehr geklappt hat. Sie habe ihre Depressionen eine Zeit lang in Alkohol ertränkt und mit Tabletten betäubt.
Doch letztlich liess Nella keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie sich auch noch im Altersheim nützlich machen wird. Sie werde dort Klavier spielen und mit ihren Mitbewohnern Lieder singen. Nella beendete ihr erstes Sissacher Gastspiel schliesslich mit zwei Liedern, die eher ihre ernste Seite betonten. Mit viel Applaus wurde sie vom zahlreich erschienenen Nachtcafé-Publikum verabschiedet — arrivederci Nella.


Volksstimme Nr. 121 / 2000