Nachtcafé vom 01.08.1998   Liste aller Gäste       

Charles Brauer
Kommissar mit Liebe zum Jazz 

Charles Brauer dom. 1983 zog ihn die Liebe von München nach Böckten. Der Berliner Schauspieler Charles Brauer hat die Böckter Schauspielerin Lisi Mangold bei einem Theaterengagement in München kennengelernt — und folgte der in Deutschland berühmt gewordenen Schweizerin ins Oberbaselbiet.
1985 drehte er Seite an Seite mit Manfred Krug (Liebling Kreuzberg) den ersten Tatort. Das erfolgsträchtige Kommissarenduo Brockmöller und Stöver, so ihre Tatort-Namen, überlässt aber das actiongeladene Schiessen den Jüngeren: «Wir sind ja alte Säcke...», meinte der 63jährige Brauer am Donnerstagabend im «Volksstimme»-Nachtcafé dazu. Dafür schlagen die beiden eher «polizistenunübliche» Töne an: Brauer und Krug singen pro Folge ein jazziges Lied zusammen; mit Erfolg: die Jazz singenden Kommissare sind wahre Publikumslieblinge.
Der Jazz sei auch privat ein wichtiger Kitt des Duos Brauer und Krug, sagte Brauer im vollbesetzten «Nachtcafé». Krug und er seien wirklich dicke Kumpel geworden — auch wenn Krug, als man ihm Brauer erstmals im Tatort zur Seite stellen wollte, gesagt habe: «Tut mir leid, aber ich spiele nicht mit einem, den ich nicht kenne.»

Dudeln und trällern
Die Songs waren nicht von Anfang an im Drehbuch vorgesehen, so Brauer weiter. Nur, er und Krug hätten immer wieder auf Drehs so vor sich hingedudelt. Ihr Vorschlag aber, die beiden Kommissare in einer Polizeiband singen zu lassen, stiess zuerst auf taube Ohren. Erst ein Redaktorwechsel beim NDR brachte die Wende: seitdem warten die Zuschauer direkt darauf, dass die beiden Männer ihren Song «trällern».
Brauers Karriere begann lange Zeit vor dem Tatort. Als 11jähriger spielte er 1946 die Hauptrolle in einem deutschen Nachkriegsfilm. Noch heute sei er stark berührt, wenn er sich den Film «Irgendwo in Berlin» anschaue. Ob der Karrierebeginn Brauers ein Zufall gewesen sei, wollte «Volksstimme»-Redaktor Rolf Wirz anschliessend wissen. Auch wenn sich die folgende Geschichte wie eine typische Traumkarriere anhörte, Brauer sieht darin heute nichts Aussergewöhnliches: Der Regisseur habe ihn im zerbombten Berlin 1945, als Brauer im Begriff war, Lebensmittelmarken zu holen, auf offener Strasse angesprochen. Ob er nicht Lust hätte, in einem Film mitzuspielen, so der Regisseur, und lud den Knaben zur Vorstellungsrunde ein. Und Brauer kriegte die Rolle. Noch heute glaube er, dass dies an der himmelblauen Samtmütze lag, die er beim ersten Treffen mit dem Regisseur aufgesetzt hatte; ein Geschenk seines Vaters von einem Frankreichurlaub kurz vor Beginn des Krieges.

Vom Film zur Bühne
Nach dem Film ging es Schlag auf Schlag, Brauer spielte anschliessend in der ersten deutschen Familienserie «Familie Schöllermann», absolvierte die Schauspielschule, war zwanzig Jahre am Hamburger Theater, dann in München, bis er Tatort-Kommissar wurde. Das Theater hat aber der Berliner doch nicht ganz verlassen: zurzeit ist Brauer in der Rolle des Professors Higgins in «My Fair Lady» im Essener Theater zu sehen.

Böckten als Heimat
Den Umzug in die Schweiz sieht Brauer als volkommenen Glückstreffer. Er gestand dem Nachtcafé-Publikum: «Ich finde alles toll, was in der Schweiz stattfindet.» Noch nie habe er sich so zu Hause gefühlt wie in Böckten. Obwohl er immer auf Achse gewesen sei, so gestand der eigentliche Grossstadtmensch: «Hier in Böckten werde ich bleiben.» Das Publikum quittierte dieses charmante Bekenntnis zum Oberbasel-biet und seinen Bewohnern mit einem begeisterten Applaus.
Zehn Millionen Zuschauer haben die letzte Tatortfolge gesehen, was eindeutig für den anhaltenden Erfolg der Serie spricht — und für die Prominenz ihrer Schauspieler. Mittlerweile werde er hier im Oberbaselbiet nicht mehr auf seine Rolle angesprochen, meinte Brauer dazu. Zum Glück, denn Privatleben und Berufsleben wolle er immer trennen, damit er genügend Zeit habe für seinen jungen Sohn und seine Frau.
Deshalb fiel auch die Antwort auf die Frage, was denn der Privatmensch Brauer so mache, eher dürftig aus. Zu erfahren war aber, dass der Berliner Radsport liebt und ein grosser Pantani-Fan ist und war, schon bevor der Italiener die Tour de France gewonnen hat. Und seine eigene Sportlichkeit? Den Berg von seinem Haus ins Dorf runter «segle» er, hinauf aber müsse er sein Fahrrad dann doch das letzte Stück schieben.

Volksstimme Nr. 95 / 1998