Jann Billeter
Sportkommentator
«Man muss das grosse Ganze sehen»
Seine Konkurrenz am Donnerstagabend ist stark. Gegen König Fussball anzutreten, dazu braucht es von Jann Billeter schon eine gewisse Coolness.
Ob da jemand kommt? Und überhaupt – sollte ein Sportkommentator des Schweizer Fernsehens während der laufenden Fussball-Weltmeisterschaft denn nicht ein Spiel kommentieren? Oder zumindest interessehalber zuschauen? Diese Fragen und eine Überraschung hat «Volksstimme»-Chefredaktor und Moderator Jürg Gohl während des Nachtcafé-Interviews für seinen Gast Jann Billeter parat. Der Anlass ist, notabene trotz Fussball-WM in der Flimmerkiste, gut besucht.
Nicht der Nabel der Welt
«Wenn ich immer auf den Sport Rücksicht nehmen würde, dann könnte ich gar nichts mehr anderes machen. Denn da ist immer etwas los», klärt Billeter das Publikum zu Beginn auf. Dass Eishockey und Ski Alpin gleichermassen zu seiner beruflichen wie auch privaten Leidenschaft gehören, schickt er gleich hinterher. Fussballinteressiert sei er indes schon, er ordne dem Ballsport allerdings nicht alles unter.
Und so habe er im Juni viel freie Zeit für die Familie, fürs Golfen und all die anderen Dinge, die sonst zu kurz kommen. Auch ein Gastauftritt im Nachtcafé liege deshalb gut drin. Aha, so ist das also mit dem gebürtigen Davoser. Im Sommer hält er, zumindest beruflich gesehen, eine Art Winterschlaf.
Dream-Team Billeter-Schläpfer
Das Publikum staunt allerdings, als der Bündner verrät, dass das Sissacher Terrain kein unbekanntes für ihn sei. Als Juniorspieler des Eishockeyclubs Davos trat er hier einst gegen den Eishockeyclub Zunzgen-Sissach an. «Die Fahrt ins Unterland kam mir damals als Dreikäsehoch wie eine halbe Weltreise vor», meint er. Das ist lange her. Doch da besteht noch eine andere Verbindung zu Sissach. Der hiesige Kult-Hockeytrainer Kevin Schläpfer war einst Co-Kommentator an Billeters Seite. Und weil es damals so schön war, zieht Moderator Gohl nun die Überraschung oder in diesem Falle Schläpfer aus dem Köcher.
Die gemeinsamen Auftritte vor der Kamera des Schweizer Fernsehens sind Billeter noch in lebhafter Erinnerung. Und auch, dass ihn Schläpfer jeweils neben sich wie einen schmächtigen Konfirmanden aussehen liess.
Geplatzte Träume
Schläpfer hakt sich ins Gespräch ein. Er will wissen, wie Billeter seine Karriere als Sportreporter ins Rollen gebracht habe. Denn ursprünglich hatte dieser Eishockeyprofi werden wollen und als Spieler des HC Davos auch konsequent daran gearbeitet. Parallel dazu absolvierte er eine Lehre zum Radio- und Fernsehelektriker. Mit gesundheitlichen Problemen kämpfend, wechselte er zum Eishockeyclub Winterthur, bis er schliesslich auf ärztlichen Rat hin die Schlittschuhe ganz an den Nagel gehängt hat. «Ein schlimmer Moment für mich. Ich musste mich erst neu orientieren», erzählt Billeter.
Übers Eishockey kommt er denn auch zum Radio. Damals als Spieler selbst noch Interviewgast, wechselt er die Seiten und wird zum Sportreporter bei Radio Eulach. Mit seinem Talent und Fachwissen im Eishockey überzeugt er nicht nur die Radiomacher, sondern auch seine Zuhörer. 1997 gelingt ihm der Sprung nach Leutschenbach und somit zum Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Seither ist er in der Sportredaktion tätig und reist als Sportreporter oder Kommentator um die Welt. «Zusammengezählt bin ich rund drei Monate im Jahr unterwegs», sagt er. «Mein Highlight ist jeweils die Eishockey-Weltmeisterschaft», so Billeter weiter. Mitfanen sei während der Arbeit kein Thema. Er will eine saubere Analyse während des Matchs abliefern. Dann habe er seinen Job gut gemacht.
Billeter ist aber auch Familienmensch. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter und eines Sohnes. Dieser hat wohl das Eishockey-Gen von ihm geerbt. Kimo ist nach einer zweijährigen Eishockey-Abstinenz, in der er lieber dem Fussball als dem Puck hinterherjagte, wieder zurück auf dem Eis. Er möchte Eishockeyprofi werden. Unsicher, ob er den Trainingsrückstand je einholen könne, antwortet ihm sein Vater: «Keine Panik. Es fahren nicht alle Züge gleichzeitig vom Bahnhof. Du musst das grosse Ganze sehen.» Im Leben und im Sport ist eben alles möglich.
Volksstimme Nr. 71 / 2018