Nachtcafé vom 09.06.2016   Liste aller Gäste       

Markus Seiler
Chef Schweizerischer Nachrichtendienst 

Markus Seiler «Alles, was wir machen, ist legal!»

Seiler, Markus Seiler, der Chef des Schweizer Nachrichtendienstes, war zu Gast beim «Volksstimme»-Nachtcafé und brachte einen Hauch von James-Bond-Atmosphäre nach Sissach in die Obere Fabrik.

Es war wohl nicht mit Absicht, aber das jüngste «Nachtcafé» der «Volksstimme» spielte sich aufgrund des vergessen gegangenen Scheinwerferlichts etwas im Halbdunkeln ab und verlieh dem Gespräch mit Markus Seiler, dem Chef des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), eine zusätzliche Note von Geheimdienst. Ganz im Gegensatz dazu äusserte sich Seiler allerdings sehr offen zu den Fragen von Gesprächspartner Robert Bösiger und erzählte auch mittels kleiner Anekdoten sowohl von seinem beruflichen Alltag als auch von seinem Privatleben.
Der 47-jährige Markus Seiler ist seit sechs Jahren Direktor des NDB. Zuvor hatte er als Generalsekretär im Departement Verteidigung, Bevölkerung und Sport (VBS) unter den Bundesräten Samuel Schmid und Ueli Maurer («Ich hab mit ihm zusammen auch mal den Wasalauf bestritten!») gearbeitet. Markus Seiler kennt sich also nicht nur bei den Rechten und Pflichten seiner Institution, sondern auch in politischen Gepflogenheiten bestens aus.
Stellt sich die Frage, was der NDB so alles kann, darf und soll und wie er sich von anderen Einrichtungen seiner Art im Ausland unterscheidet. «Wir sind ganz klar ein Nachrichten- und nicht ein Geheimdienst», meinte Markus Seiler: «Unsere Mittel sind vielleicht geheim und wir beschaffen uns unsere Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln, aber wir tun dies stets auf legale Art und Weise. Zudem wird unsere Arbeit auch von einigen Aufsichtsbehörden kontrolliert.»
Ziel des Nachrichtendienstes sei es im Wesentlichen, die unterschiedlichsten Informationen zu beschaffen, zu analysieren und zu gewichten sowie diese dann den diversen Behörden des Bundes für «qualifizierte Entscheide» zur Verfügung zu stellen. Der Wert von nachrichtlichen Informationen, so zeigte sich Markus Seiler überzeugt, verändere sich dabei im Laufe der Zeit.

Qualität vor Quantität
Für die Arbeit des Schweizer Nachrichtendienstes gebe es deshalb verschiedene Leitsätze. «Der eine», so verriet deren Chef, «lautet: Qualität statt Quantität. Und das andere Motto lautet: ‹Wir sind keine Biografen›. Uns interessiert, was für den Staatsschutz von Bedeutung und Tragweite ist, und nicht, was eine Person sonst im Leben macht.» Aktivitäten des NDB fänden dabei sowohl im Ausland als auch im Inland statt: «Wir sind also so etwas wie der amerikanische CIA und das FBI in einem», brachte es Seiler auf den Punkt. «In der Schweiz dürfen wir von Gesetzes wegen allerdings nur wenig, im Ausland ist es schon etwas mehr. Wir dürfen zum Beispiel mit falschen Pässen reisen», erzählte er.
Grosse Hoffnung setzt Markus Seiler deshalb auch auf das neue Nachrichtendienstgesetz, über das die Schweiz im Herbst abstimmen wird: «Wir würden ein Gesetz erhalten, das dem NDB erlaubt, seine Aufträge noch besser zu erfüllen, das heisst, noch effektiver Spionage abzuwehren, Terrorismus zu bekämpfen und geopolitische Veränderungen noch früher zu erkennen.»
Weitere Fragen, die Markus Seiler offen beantwortete, betrafen die Suche nach neuen Mitarbeitenden des NDB, die Möglichkeiten von Cyber-Attacken im In- und Ausland oder die «Herausforderungen», welche China, die «gelbe Gefahr», verursache, aber auch die Unterschiede zwischen Fiktion und Realität bei Geheimdiensten. Zur letzten Frage meinte der NDB-Chef mit einem Augenzwinkern: «Wir sind oft auch so erfolgreich wie James Bond, haben vielleicht auch mal sogenannte Gadgets, einige technische Spielereien wie er, aber wir richten deutlich weniger Kollateralschäden an.»

Weltweite Bedrohungslage
Wie aber steht es um die weltweite Bedrohungslage? Ist auch die Schweiz ein mögliches Ziel für terroristische Anschläge? «Vor ein paar Jahren ­haben wir noch geglaubt, Terrorismus ist ein ausländisches Problem oder hat seinen Ursprung jeweils im Ausland. Dies hat sich aber mit dem Massaker des norwegischen ­Attentäters Breivik geändert. Auch in Demokratien kann es durchaus terroristische Fanatiker geben», sagt Seiler.
Nach derzeitigen Beobachtungen sei die Schweiz momentan aber kein «direktes Ziel» für Terroranschläge, gehöre aber dennoch zum weltweiten Feindbild von Terrormilizen wie dem Islamischen Staat. Die Schweiz beherberge viele internationale Organisationen und Personen, die bedroht sein könnten, erklärte Seiler. Bei Anlässen wie dem World Economic Forum, der Einweihung des Gotthard-Basistunnels oder von Sport­anlässen wie der Fussball-Europameisterschaft oder der Tour de Suisse bedürfe es deshalb durchaus vermehrter Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten im Ausland.
Würde der Vater von vier Kindern zusammen mit seiner Familie also noch Ferien im Ausland machen oder sich in Paris ein Fussballspiel ansehen? «Die Welt ist derzeit schon nicht in Form», meinte Markus Seiler. «Auch wenn die Schweiz nicht das Hauptziel von terroristischen Anschlägen ist, so hat die Bedrohung sicherlich zugenommen.» Zudem würden in jüngster Zeit auch immer wieder Schweizer Staatsangehörige Opfer von Terroranschlägen im Ausland. «Wir dürfen uns aber auch nicht einschüchtern lassen und unnötig Ängste schüren», sagte Markus Seiler zum Abschluss des Gesprächs mit einer optimistischen Note, «sondern wir sollten das Leben mit all seinen Vorzügen auch geniessen, so gut es eben geht.»