Nachtcafé vom 12.03.2015 |
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Wenn er von seinen Reisen berichtet, die er am liebsten auf dem Velo unternimmt, so findet Dres Balmer aus dem Schwärmen kaum mehr heraus. Seine Zuhörer im Sissacher Nachtcafé hörten ihm gebannt zu.
«Platte Reifen gehören natürlich dazu», antwortet Dres Balmer gelassen. Wer wie er jeden Tag im Durchschnitt 30 Kilometer auf einem sogenannten Halbrenner zurücklegt und es so im Jahr auf 12 000 Kilometer bringt, dem bleibt die eine oder andere kleine Panne nicht erspart. Dafür aber gingen grössere Zwischenfälle an ihm stets vorbei.
66 Jahre alt ist der bekannte Berner Reisejournalist inzwischen. Er blieb bei seinen Abenteuern von grösseren Un- oder sogar Überfällen verschont. Ein einziges Mal, in Mexiko wars, wurde ihm sein Vehikel, das er höchstens behelfsmässig mal abzuschliessen pflegt, geklaut. Auf der ganzen Welt sei er immer wieder freundlich empfangen worden, sagt er und nennt wiederholt Russland als Beispiel. Auch im Strassenverkehr sei er, obwohl nicht religiös, mehrfach auf die Dienste eines zuverlässigen Schutzengels angewiesen gewesen, zum Beispiel in Thailand.
Erlebnisse als Stoff für Reportagen
So reihte Dres Balmer, bekannter Reisejournalist und leidenschaftlicher Fahrradfahrer, am Donnerstag vergangener Woche im Nachtcafé der «Volksstimme» in der Oberen Fabrik Episode an Episode und die Zuhörer wurden unweigerlich vom Fernweh gepackt. Denn Balmer und Gesprächsleiter Robert Bösiger begaben sich immer wieder in die Ferne, auch wenn sich der grössere Teil von Balmers Berufsleben in der Schweiz abgespielt hat. Der Velo-Enthusiast, der in Grindelwald aufwuchs, verarbeitet Erlebtes auch in Zeitungsberichten und Büchern.
Auf seinen Etappen auferlegt er sich und seinen Begleitern eine gewisse Strenge. Und während sich seine Kollegen am Zielort «ein wohlverdientes Bier gönnen», setzt sich Balmer verschwitzt hin, um sogleich seine noch frischen Eindrücke niederzukritzeln. Später schreibt er seine spontanen Eindrücke ins Reine, ergänzt sie dabei mit Erinnerungen sowie seinen Überlegungen mit einer gewissen Distanz und verdichtet das Unmittelbare und das Reflektierte zu einer Reportage.
Mit diesen Berichten schuf er sich als Bücherautor, Radio-Reporter und Reisejournalist national einen Namen. Die Idee, die Strecke von Zürich nach Bern einmal zu Fuss zurückzulegen und scheinbar Unscheinbares am Wegrand in den Vordergrund der Reportage zu rücken, ebnete dem früheren IKRK-Mitarbeiter den Weg.
Noch viele Ziele im Auge
Von solchen Unternehmungen im eigenen Land hat er aber noch lange nicht genug. Dres Balmer stellt gleich zu Beginn des Nachtcafé-Gesprächs fest, dass er das Baselbiet bisher hauptsächlich vom Durchfahren kenne. «Ich stelle fest, dass ich die Schweiz, je älter ich werde, umso schlechter kenne.» Gleichwohl hinterlässt der gertenschlanke Gast nie den Eindruck, gehetzt zu sein. Und das liegt nicht nur am Dialekt des Berner Oberländers. Verbissen ist er höchstens auf dem Sattel.
Einerseits stellt er fest, dass ein Menschenleben nicht einmal ausreicht, «um den Kanton Wallis kennenzulernen». Andererseits ist die Liste der Destinationen, die er mit dem Velo besuchen will, lang: endlich mal Afrika, der einzige ihm fehlende Kontinent, dann Kambodscha, ein Land, das er nur aus Reportagen anderer kennt, und schliesslich die Route 66. Passend zu seinem 66. Geburtstag will er sich diese rund 4000 Kilometer lange Fahrt zum Geschenk machen und später dazu ein Buch verfassen. Altersgenossen mögen allmählich ruhig an Ort treten – er will noch an möglichst vielen Orten in die Pedale treten.
Seine Gelassenheit wirkt nie aufgesetzt und steht doch in einem gewissen Widerspruch zum Tagesprogramm seiner Velotouren. Auf diesen steigt man jeweils sehr früh in die Pedale, gönnt sich im Restaurant eine maximal einstündige Mittagspause sowie einen kurzen Znüni- und Zvieri-Halt. Und immer, wenn ein Zuhörer von ihm Näheres zur Route oder zu Problemen wissen möchte, fordert er den Fragenden auf: «Mitchoo!» Man solle es am besten selber probieren. Die Lust dazu hat Balmer am Donnerstag serienweise entfacht.