Nachtcafé vom 13.11.2008   Liste aller Gäste       

Jörg Schild
Swiss-Olympic-Präsident 

Jörg Schild «Fünfeinhalbter Baselbieter Regierungsrat»
Jörg Schild, einst Chef des Basler Sicherheitsdepartements, macht heute als Chef von Swiss Olympic Sportpolitik. Er beschafft für den Schweizer Sport Geld und spart nicht mit Kritik am mächtigen IOC. Am Dienstag war er zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé

ch. Früher verfolgte er im Namen des Bundes Drogenhändler, heute steht unter anderem die Bekämpfung des Dopingmissbrauchs auf seiner Agenda: Jörg Schild, Präsident von Swiss Olympic, war am Dienstag Gast im Nachtcafé.
Und Schild wäre nicht Schild, wenn er nicht Tacheles geredet hätte. Zum Beispiel zur Zurückhaltung von Bundesrat und Parlament bei der Mitfinanzierung der Doping-Bekämpfung in der Schweiz: Während Swiss Olympic die Mittel für einen sauberen Sport nach der Gründung der Schweizer Anti-Doping-Agentur um eine Million Franken pro Jahr aufstockte, stellt sich die Politik quer: «Meines Wissens gibt es kein zweites Land, wo der Sport mehr für die Doping-Bekämpfung bezahlt als der Staat», bemerkte der «Nachtcafé»-Gast. Und er versprach Moderator Robert Bösiger und den Gästen im Nachtcafé, alles für eine Kurskorrektur zu unternehmen.

Kritik an IOC
Kein Blatt vor den Mund nahm Schild auch angesichts der Menschenrechtsverletzungen vor den Olympischen Spielen. Er tadelte das IOC öffentlich als unglaubwürdig, wenn es zu den Ereignissen in Tibet schweige. Es könne nicht sein, dass Athleten bei Verstössen gegen die olympische Charta von den Spielen ausgeschlossen würden und die Charta für den Veranstalter keine Gültigkeit hat.
Apropos Olympische Spiele. Winterspiele sähe der Verbandschef in der Schweiz sehr gerne mal. Und zwar Spiele, die nicht eine Region, sondern das ganze Land ausrichtet. Allerdings habe ihm bisher kein Politiker auf die Schulter geklopft und seine Unterstützung zugesichert. Aus­serdem habe man im Ausland registriert, wie vor der Euro 08 um Sicherheitskosten und Baubewilligungen gestritten worden ist. Auch hätte die Schweiz wegen ihrer zahlreichen Sitze internationaler Verbände viele Neider. Deswegen müsse es «für den Moment» Ziel der Schweiz sein, weiterhin regelmässig Europa- und Weltmeisterschaften auszurichten.

Geldbeschaffer
Nach knapp zwei Amtsjahren kann der Swiss-Olympic-Chef bereits einen millionenschweren Erfolg vorweisen: Mit einer neuen Vereinbarung mit der Sport-Toto-Gesellschaft stehen seinem Verband seit 2008 jährlich fünf Millionen Franken mehr zur Verfügung als bisher. Insgesamt könne Swiss Olympic somit pro Jahr zwischen 35 und 38 Millionen an Sportler und Verbände ausschütten. Unter dem Dach von Swiss Olympic sind 82 Sportverbände mit total 1,7 Millionen Mitgliedern vereint.
Damit dieses Geld auch in Zukunft fliesst, sträubt sich der Dachverband gegen eine Liberalisierung des Lotteriewesens, der wichtigsten Geldquelle für die Sportförderung im Land.
Ungemach droht den Sportverbänden auch vom in Revision befindlichen Mehrwertsteuergesetz. Mit einer Initiative will Swiss Olympic die Heraufsetzung der Umsatzgrenze von geplanten 100?000 auf 300?000 Franken erwirken. «Die aktuelle Vorlage würde das Ende des Freiwilligenwesens bedeuten – in Sport und Kultur», konstatierte Schild. Womit deutlich wird, dass Swiss Olympic 2005 gut daran getan hat, einen gewieften Politiker an seine Spitze zu wählen.

14 Jahre in Basler Regierung
Vor seinem Präsidium des Sportverbands hatte Schild während 14 Jahren als Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt gewirkt, zwölf davon als Chef des Polizei- und Militärdepartements. Die Regierungsräte in Lie­stal hätten ihn als ihren «fünfeinhalbten Regierungsrat» betrachtet, witzelte Schild vor gut zwei Dutzend Gästen im Nachtcafé in der Oberen Fabrik.
Ein Körnchen Wahres dürfte in der Bemerkung gesteckt haben: Immerhin hatte Schild während 15 Jahren im Baselbiet gelebt, er war «vehementer Wiedervereinigungsgegner» und am Gym Liestal hatte er zur ersten Matura-Klasse gehört – unter anderem drückte er mit Landschreiber Walter Mundschin die Schulbank. Und geheiratet hat Schild eine Reigoldswilerin.
Sein Verhältnis mit der Baselbieter Regierung während seiner Amtszeit in der Basler Exekutive war so gut, dass ihm die Kollegen aus Lie­stal zum Abschied aus der Regierung ein Velo schenkte. Auf dem kurve er noch heute durch die Lande. Ansonsten hält sich der Sportfunktionär auf dem «Trampi-Velo», beim Golfen und auf der Skipiste fit. Ausserdem schnürt er jedes Jahr für den Liestaler Banntag die Wanderschuhe – aus­ser Bundesrat Samuel Schmid beordert ihn an eine Sitzung, wie dieses Jahr: «Das nächste Mal muss ich halt dafür sorgen, dass der Sportminister auch nach Liestal eingeladen wird.»

Volksstimme Nr. 129 / 2008