Milena Moser
Bestseller-Autorin
«Eine Art Schläfenklappenepilepsie»
In der Sissacher Oberen Fabrik war Milena Moser zu Gast. Sie redete im «Volksstimme»-Nachtcafé über ihren Werdegang, spontanes Schreiben und
die Beziehung zu Romanfiguren. Und erfuhr Neues über ihren Bürgerort Sissach.
bas. Milena Moser ist eine der erfolgreichsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen der Schweiz. Doch unser Land ist für Autoren ein hartes Pflaster, wie das zahlreich erschienene Publikum am vergangenen Freitagabend in der Oberen Fabrik erfuhr: Nur gerade 80 von rund 2600 Autorinnen und Autoren können hierzulande vom Schreiben leben.
Präziser: Von Buchverkäufen wird in Helvetien niemand reich. Über Wasser halten können sich Schriftsteller, wenn sie des Öfteren Lesungen halten, zusätzlich als Journalisten oder Kolumnisten arbeiten oder in Schreibwerkstätten unterrichten. So auch Milena Moser, die das Publikum mit ihrer frischen und unterhaltsamen Art zu erzählen sofort begeisterte.
Schreiben schon als Achtjährige
Moser schreibt seit dem Primarschulalter. «Mit acht Jahren gründete ich einen Schreibclub mit ein paar unglücklichen Freundinnen», sagte sie.
Das Schreiben blieb ihr. Obwohl sie, nachdem sie «mehr oder weniger von der Schule geflogen» war, eigentlich Coiffeuse oder Schuhverkäuferin habe werden wollen. Die Eltern jedoch bestanden auf einem «richtigen» Beruf, und so wurde sie Buchhändlerin.
Mitternachtskrankheit
Auf die Frage von Moderator und «Volksstimme»-Redaktor Andreas
Schwald, ob das Romanschreiben denn so einfach von der Hand gehe, antwortete Moser lapidar: «Ich schreibe immer. Sonst gehts mir nicht gut.» Kürzlich habe sie ein Buch gelesen namens «Die Mitternachtskrankheit», von einer Neurologin, die Schriftstellerhirne in Scheiben zerlegt und untersucht habe. Resultat: Der Drang zu schreiben gründe auf einer Art Schläfenlappenepilepsie. Biologisch bedingt also. «Das ist die Erklärung», so Moser.
Die 45-jährige Aargauerin wusste packend zu erzählen, woher sie Einfälle für ihre Geschichten habe. Sie sei konstant am Beobachten und Aufsaugen. Aber warum gibt es zumeist Tote in ihren beliebten Büchern? Moser: «Jede Familie hat eine Leiche im Keller.»
Das Schreiben diene zu einem guten Teil auch ihrer eigenen Unterhaltung, sagte sie. Deshalb wisse sie zu Beginn einer Geschichte nie, wie diese ausgehe: «Das wäre ja langweilig.» Sie sei an der Überraschung interressiert, für die ihre eigenen Figuren immer wieder gut seien, sobald sie ein Stück weit ein Eigenleben entwickelt hätten. «Das tönt birnenweich, ich weiss», räumte die Autorin ein. Aber mit der Zeit würden ihre Romanfiguren so was wie Familienmitglieder für sie.
Drauflosschreiben, überarbeiten
Allen Menschen, die gerne auch mal schreiben würden, gab Moser zwei wichtige Dinge mit auf den Weg. Erstens: Regelmässig schreiben. Zweitens: Sich nicht zu viel überlegen dabei. Nach dem ersten Drauflosschreiben komme schliesslich die Überarbeitungsphase, die sie ebenfalls möge. Sie trenne jedoch die beiden Phasen Schreiben und Redigieren klar.
Die Strategie funktioniert: Milena Mosers Werkliste ist lang und weist eine ganze Handvoll Bestseller auf. Ihre Bücher wurden in etliche Sprachen übersetzt. Am Ende des Abends, an dem die Schriftstellerin einen heiterbissigen Einblick in ihre Tätigkeit und ins Leben an sich gewährt hatte, bekam sie sechs Sissacher Banntagsgläser überreicht. Denn Moser ist auch Bürgerin von Sissach.
So erfuhr sie denn auch über die alten Sitten ihres Bürgerorts, nur Männer am Banntag teilnehmen zu lassen. Was sie lachend mit einem ungläubigen «Ist das wahr?» quittierte.
Volksstimme Nr. 149 / 2008