Nachtcafé vom 14.01.2016   Liste aller Gäste       

Gilles Tschudi
Schauspielerin 

Gilles Tschudi «Jeder ist ein kleiner Mephisto»

Der Schauspieler Gilles Tschudi findet, in seinem Beruf müsse man ein Vampir sein. Wie er das meint und warum er gerne mit dem Zug fährt, erklärte er im «Volksstimme»-Nachtcafé.

Nicht auszudenken, Gilles Tschudi, der Fiesling vom Dienst mit dem hinterlistigen Blick, wäre seinem anderen Berufswunsch gefolgt und Arzt geworden. So mancher Patient hätte seine Grippe vielleicht lieber zu Hause ohne Behandlung ausgestanden. Erst recht, wenn man Tschudi von seiner Begegnung mit Marcel Ospel erzählen hört, wie im vergangenen «Volksstimme»-Nachtcafé in der Oberen Fabrik in Sissach. «Ich habe ihn angefasst und seine Energie ausgesaugt, wie ein Vampir. Es war ein kurzer Moment grösster Intimität», sagte er.

Tschudi verkörperte den ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten der UBS später im Schweizer Film «Grounding – Die letzten Tage der Swissair.» Aus diesem Grund wollte er dem Banker auch einmal live begegnen. Mit dem Vampir-Vergleich veranschaulichte Tschudi freilich nur die Technik, mit der er sich als Schauspieler jeweils auf seine Figuren vorbereitet. Er «ernähre» sich von den Energien seiner Mitmenschen, zum Beispiel in einem vollen Zugabteil. «Die meisten Menschen verschliessen sich auf so dichtem Raum. Ich öffne mich genau dort», sagte er.

«Kein Plan B»
Der in Basel aufgewachsene Schauspieler ist nämlich neugierig. Ihn interessieren menschliche Charaktere und verschiedene Lebenswege. Vor allem sein eigener Lebensweg wurde im Talk mit Robert Bösiger am Donnerstag aufgearbeitet. Tschudi ist zweisprachig aufgewachsen, er bezeichnet die französische Sprache als seine «Emotionalsprache.» Die Schau­spielschule absolvierte er dennoch in der deutschsprachigen Schweiz. «Irgendwann während meines Gymnasiums hatte ich die Eingebung, ich müsse Schauspieler werden», sagte er. Kurz danach ging er an die Schauspielschule in Zürich. Einen Plan B habe es in seinem Leben nie gegeben. «Es gab immer gewisse Momente, in denen ich wusste: Das ist es!»

Das Publikum in der Oberen Fab­rik hörte dem Schauspieler gespannt und aufmerksam zu. Tschudi hatte amüsante Anekdoten aus seinem Berufsleben zu bieten, die er an diesem Abend allerdings wohl nicht zum ersten Mal erzählte. Dennoch überraschte Tschudi mit teilweise ausgefallenen Antworten. «Ich habe mir sagen lassen, Sie seien eitel», zündete sein Interviewpartner Bösiger beispielsweise. Tschudi erklärte daraufhin, dass so ein Urteil oft mehr mit dem Absender als mit dem Adressaten zu tun habe und sagte lakonisch: «Ich weiss nicht, ob die entsprechende Person eitel ist.»

Das Menschliche im Bösen
Mehr Einblicke gewährte der Schauspieler in sein Verständnis vom vermeintlich Bösen. Da er nämlich oft den Bösewicht spielt, berühmt wurde Tschudi durch seine Rolle des intriganten Bankers Michael Frick in der Serie «Lüthi und Blanc», setzte er sich immer wieder mit solchen Charakteren auseinander. «Dabei fiel mir auf, dass das auch Menschen mit Nöten, Sorgen und Gefühlen sind», erklärte Tschudi. In jeder seiner Figuren sucht er stets das Menschliche. Er ist davon überzeugt, dass die Urteile, die man sich vom Gegenüber mache, immer relativ seien und sich mit der Zeit auch ändern könnten. Darüber hinaus habe ohnehin jeder Mensch einen kleinen Mephisto in sich.

Den Ruf des Bösen hat laut Tschudi übrigens auch die Region Basel. «Innerhalb der Schweiz gelten die Basler als böse», sagte er. Einem Basler vertraue man nicht im Rest der Schweiz. «Wenn in einem schweizerdeutschen Märchen eine Hexe auftaucht, dann spricht sie meist Baseldeutsch.»

Nach dem Interview kam das Pub­likum zum Zug. In einer Fragerunde erfuhr es, dass Tschudi an einem «Tatort» in Basel zwar sehr interessiert wäre. Da man mit Luzern aber schon einen guten Standort habe, sei dies sehr unwahrscheinlich. Dass Tschudi bei der Serie «Der Bestatter» von Mike Müller mitwirken könnte, schloss er schon zu Beginn des Abends aus. «Es ist wichtig, dass nicht mehrere Alpha-Tiere in einem Film auftreten», sagte er mit einem Schmunzeln.