Nachtcafé vom 30.05.2013   Liste aller Gäste       

Florian Schneider
Sänger 

Florian Schneider Interessant, aber auch ernüchternd war der Einblick, den der Oberbaselbieter Sänger Florian Schneider den Gästen des Nachtcafés in sein Künstlerleben gewährte. Doch spätestens sein Mini-Konzert liess sie wieder versöhnlich auf die Kunst blicken.

«Der künstlerische Gestaltungswille» sei entscheidend. Während des einstündigen Talks im Nachtcafé der «Volksstimme» vom vergangenen Donnerstag fiel dieser Begriff wiederholt. Als wolle er eine politische Parole an den Mann – oder an diesem Abend eher an die Frau – bringen, kehrte Florian Schneider immer wieder zu dieser Losung zurück. Was der 54-jährige Sänger aus Reigoldswil damit ausdrücken wollte: Kunst setzt neben Talent auch Verbissenheit, Freude und Fleiss voraus.
Wem das nun zu abstrakt, zu theoretisch tönt, dem sei versichert, dass Florian Schneider im Gespräch mit Nachtcafé-Wirt Robert Bösiger mit dem genauen Gegenstück punktete. Seine erdverbundene Wortwahl, sein ausgeprägter Oberbaselbieter Dialekt und seine unverschlüsselten Aussagen faszinierten die Gäste in der stattlich gefüllten Oberen Fabrik eine gute Stunde lang. Als «archaisch» beschrieb ihn eine Besucherin hinterher fasziniert.
Vor 18 Jahren hievte die Figur des Phantoms der Oper den bis ­dahin eher unbekannten Künstler plötzlich in neue Sphären. Noch heute wird er, obschon er in der Zwischenzeit rund 100 andere ­Figuren gegeben hat, auf dieses Phantom angesprochen. Freunde decken beim Gruss mit der Hand eine Gesichtshälfte ab, um die Maske des Phantoms von damals zu imitieren. Dass das Phantom bis heute in den Köpfen der Leute ­lebendig geblieben ist, erstaunt ihn sehr, denn: «Theaterstücke haben normalerweise eine sehr kurze ­Erinnerungszeit.»
Der Aufstieg in der Theaterwelt erfolge in Wirklichkeit schrittchenweise, und wer meine, nach einer Glanzrolle den Durchbruch geschafft zu haben, der muss bei der nächsten Rollenverteilung wieder ganz von vorne beginnen. Überhaupt räumte Florian Schneider mit allen Klischeevorstellungen von einer romantischen Theaterwelt schonungslos auf und schilderte die Ellbogen-Gesellschaft, die Härte und die jämmerlichen Entlöhnungen hinter dem dicken Vorhang und den Scheinwerfern. Gleich­zeitig aber verriet er, was ihn ­weiterhin fasziniert an dieser Welt: in einer Rolle voll aufzugehen, auf einer Freilichtbühne vor lauter ­Adrenalin den Regen nicht mehr spüren und den Lohn durch das Pub­likum zu erfahren.
Das Gespräch drehte sich nicht nur um die Gesangskunst und die Theaterwelt. Florian Schneider schilderte, wie ihm seine Mutter einst vor dem Einschlafen statt Grimm deutsche Balladen vorlas und damit seine Liebe für die ­Sprache früh weckte. Und als er auf seine politisch engagierte Ehefrau Stephanie Eymann angesprochen wurde, mit der er eine Art Glamourpaar mit Bodenhaftung darstellt, schritt sie gerade herein. So hörte sie amüsiert mit, dass ihre freisinnige Haltung nicht gerade seiner Wellenlänge entspreche.
Auch Basel und die Fusions-Freunde bekamen unter dem Applaus des Publikums ihr Fett weg. Als Schneider von seinem völlig missglückten Basler Auftritt mit seinen Schnitzelbänken, die im ­Baselbiet eben noch heftig gefeiert worden waren, erzählte, schloss er mit dem Satz: «Und seither gehe ich nicht mehr an die Basler Fasnacht.»
Schnitzelbänke trug der Sänger am Schluss keine vor. Doch mit schmachtenden Liebesballaden des schottischen Dichters Robert Burns sowie einem Blues und einem Cont­ra-Song in Mundart bewies er hinterher sein gesangliches Können, das nicht nur auf ein Genre beschränkt ist. Feine, harte, tiefe, hohe Töne gaben sich die Hand. Und bei jedem von ihnen drückte er wieder durch, Florian Schneiders künstlerischer Gestaltungswille.

Bilder zum Nachtcafé mit Florian Schneider finden Sie in unserer Galerie auf www.volksstimme.ch

Volksstimme Nr. 64 / 2013