Nachtcafé vom 01.06.1999   Liste aller Gäste       

Charlotte Christ-Weber
Eine der höchsten Pfadfinderinnen der Welt 

Charlotte Christ-Weber mtk. Sie hätte selbst nie gedacht, dass sie der Pfadi-Bewegung so lange treu bleiben werde, antwortete Charlotte Christ auf eine entsprechende Frage von «Volksstimme»-Chefredaktor Robert Bösiger im «Volksstimme-Nachtcafé». Als Zwanzigjährige habe sie zum ersten Mal mit der «Pfadi» aufgehört. Dann sei sie jedoch wieder angefragt worden.
Inzwischen ist die 49-jährige Baselbieterin Charlotte Christ-Weber Präsidentin der Pfadi-Bewegung Schweiz und seit kurzem Mitglied im Weltkomitee der Pfadfinderinnen-Bewegung. «Gibt man der Pfadi den kleinen Finger, werden beide Hände genommen», so Christ. Ihr Schmunzeln verriet, dass sie sich trotzdem nicht ungern bei der «Pfadi» engagiert.
Die oberste Pfadfinderin der Schweiz ortete ein Imageproblem der Pfadi-Bewegung: Die «Pfadi» komme nicht los von ihrem Image, militärisch angehaucht zu sein. Während sich das Bild von der militärisch geprägten Bewegung hartnäckig hält, ist ein ganz anderer Teil der Pfadi einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt: Das Weltkomitee der Pfadi-Bewegung arbeite mit zahlreichen Partnerorganisationen zusammen wie der UNO oder Unesco.
Nicht nur Aufklärung, um frühe Schwangerschaften von jungen Frauen zu verhindern oder Aidsprävention sind Aufgaben, welche die Pfadi übernimmt, auch in Flüchtlingslagern kümmere sich die Bewegung um eine «sinnvolle» Beschäftigung für Flüchtlingskinder, erklärte Christ.

Einziger Ort für Frauen
Während die Pfadibewegung in den westlichen Industrie-Ländern einen leichten Rückgang der Mitglieder verzeichne, nehme die Bewegung weltweit dank des Zustroms in Dritt-Welt-Ländern trotzdem zu. «In muslimischen Ländern ist die Pfadi oft der einzige Ort ausserhalb der Familie und Schule, an dem sich Frauen engagieren können», nannte sie einen der Gründe für die weltweite Zunahme der Pfadfinderinnen. So fänden sich am Weltkongress auch Frauen mit einem Schleier ein, die gleichzeitig eine Pfadi-Krawatte tragen würden.
Rund zehn Millionen Mädchen und siebzehn Millionen Knaben sind in der Pfadi weltweit organisiert. Doch nur in Europa arbeiten die Knaben- und Mädchenverbände zusammen. Christ zeigte Verständnis dafür, dass in arabischen Ländern aus gesellschaftlichen Gründen eine Zusammenarbeit zwischen Mädchen- und Knabenverbänden nicht möglich sei. «Dass in Amerika Knaben- und Mädchen-Pfadi nicht zusammenarbeiten, finde ich aber erstaunlich», so die Pfadfinderin.

Verbände ausgeschlossen
Unterwandere ein totalitäres Regime die «Pfadi» müssten die jeweiligen Landesverbände ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren auch Iran und Zaire ausgeschlossen. Verbände, die nicht mehr unter dem Einfluss eines totalitären Regimes stehen, werden aber auch wieder aufgenommen: In diesem Jahr hat das Weltkomitee Polen wieder aufgenommen.

Volksstimme Nr. 106 / 1999