Nachtcafé vom 12.06.2014   Liste aller Gäste       

Erik Julliard
Gründer und Produzent Basel Tattoo 

Erik Julliard Innerhalb von zehn Jahren ist das Basel Tattoo zu einem bedeutenden Anlass im Kulturleben Basels ­aufgestiegen. Erik Julliard ist der starke Mann hinter dem Anlass. Im «Volksstimme»-Nachtcafé gab der Tattoo-Produzent neben Anek­doten auch ein paar ­Geheimnisse seines Erfolgs preis.

jg. Der Anlass selber ist ebenso ein Phänomen wie der Macher, der dahinter steht: das Basel Tattoo und sein Produzent Erik Julliard. Vor zehn Jahren als eher bescheidenes «Yyshalle-Tattoo» gestartet, wuchs der Event mit seiner Militär- und Paradenmusik rasant, lockte schon bald im Sommer bis 120?000 Personen ins Kleinbasler Kasernenareal und ist aus dem Jahresprogramm der Stadt nicht mehr wegzudenken. Inzwischen haben die Veranstalter erfolgreich zahlreiche ähnlich gelagerte Anlässe wie Paraden oder etwa ein Christmas Tattoo auf die Beine gestellt.
Erik Julliard hatte einst als trommelnder Teilnehmer am berühmten Tattoo in Edinburgh die Idee gefasst, den Anlass für Basel zu kopieren. Es war der Beginn eines Sommermärchens, das heute alljährlich in Basel 25 Millionen Franken an Wertschöpfung auslöst, wie Julliard betont beiläufig erwähnt.

Noch 10000 Tickets zu haben
Doch von Glamour und Fabelwelt war wenig zu spüren, als Erik Julliard am vergangenen Donnerstag auf dem Podium des «Volksstimme»-Nachtcafés in der Oberen Fa­brik in Sissach sass und im für einmal eher spärlich gefüllten Saal offen über Themen sprach, bei denen es nichts zu beschönigen gab. So sitzen die Veranstalter einen Monat und einen Tag vor dem ersten Konzert noch auf rund 10?000 Eintrittskarten. In den Vorjahren musste man in der gleichen Grössenordnung Leute um ein Jahr vertrösten, die sich zu spät um ein Billett bemühten.
«Volksstimme»-Redaktor Michael Wieland, der am Donnerstag seine Feuertaufe als Nachtcafé-Gastgeber erlebte, nutzte die Situation, dass sein Gast vor dem Talk noch geschwind das Örtchen aufsuchte, aus, um sich auf den neusten Stand in der Zankerei um die Tattoo- Toiletten zu bringen. Konkretes zum diesjährigen Programm wurde nicht verraten, dafür entschädigte der Gast die Zuhörer mit einem Bonmot. Auf die Frage, ob zu Ehren der Luftwaffe etwas Spezielles geboten werde, antwortete er: «Ob etwas aus der Luft kommt, das hängt noch in der Luft.»

Exakt und locker wie «Top Secret»
Am besten lässt sich die Person Erik Julliard erschliessen, wenn man ihn mit der legendären Trommelformation Top Secret vergleicht, bei der er mitwirkt und die zahlreichen Auftritte koordiniert: Für die hoch präzisen Virtuosen gilt kein Alkohol­verbot vor Auftritten. Da spazieren sie als einzige Formation in lockerer Kleidung herum. Aber: Jede Probe beginnt um 19.30 Uhr mit dem ersten Wirbel, keine einzige auch nur um 19.31 Uhr. So tickt auch Erik Julliard. Im richtigen Moment Perfektionist, darauf wieder die Lockerheit in Person.
Das schwindende Interesse und der WC-Streit sind für ihn vergleichweise kleine Sorgen im Vergleich zu den Ideen, die Kaserne, den Spielort des Tattoos, zum Rhein hin zu öffnen. Das wäre das Ende des Tattoos, zumindest am jetzigen Standort. «Natürlich geistern viele Ideen herum, aber wir haben keinen Plan B in der Schublade», sagt er und fügt etwas lauter hinzu: «Mir bereitet es Sorgen, dass wir von Machern immer mehr zu Verhinderern werden.»
«Macher», das ist auch die Bezeichnung, die seine Rolle beim Tattoo am besten umschreibt. Er selber nennt sich zwar Produzent, da er das Programm zusammenstellt und die Formationen aus aller Welt organisiert, andere würden ihn als CEO oder zumindest Cheforganisator bezeichnen.

Stärke oder Schwäche?Doch dafür wirkt er ein Stück zu «normal». Das Führen seiner Mitarbeiter liege ihm gar nicht, weil er nie klare Befehle erteile, übt er Selbstkritik und nennt einen weiteren Punkt, den ihm das Publikum als Schwäche, aber auch als Stärke auslegen kann: «Geduld war noch nie meine Stärke. Ich habe nie gewartet, sondern immer weitergemacht.»
Deshalb belässt er es, befragt nach dem Geheimnis hinter seinem Erfolg, bei zwei Stichworten: «Es braucht Visionen und noch mehr Durchhaltewillen.» Diese Tugenden seien entscheidend: «Das benötigen alle, die etwas erreichen wollen. Sogar Roger Federer und die ‹Beatles› sind keine Naturtalente, denen alles in den Schoss gefallen ist.»

Bilder zum Nachtcafé mit Erik Julliard finden Sie in unserer Galerie auf www.volksstimme.ch

Volksstimme Nr. 68 / 2014