Daniele Ganser
Historiker, Friedensforscher
Das Ende des Erdöl-Zeitalters ist nah
Für spannende Information mit hohem Unterhaltungsniveau sorgte Daniele Ganser im Nachtcafé der «Volksstimme». Der Arlesheimer Historiker und Friedensforscher warnte vor dem Ende der fossilen Energieträger und präsentierte seine Theorien zu «9/11».
ch. Zarte Gemüter dürften im Anschluss ans Nachtcafé vom vergangenen Donnerstag ihr Auto vor der Oberen Fabrik stehen gelassen und zu Hause ihre Ölheizung abgeschaltet haben. Denn der Talk-Gast hatte mit plausiblen Argumenten dargelegt, dass das Ende der fossilen Energieträger näher liegt, als man es wahr haben möchte. Vor 2020 rechnet der Arlesheimer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser mit dem «Peak Oil», dem Höhepunkt der weltweiten Erdöl-Fördermenge.
Mit der Verknappung der wichtigsten Energiequellen stehe der Mensch vor einem fundamentalen Umbruch. «Das ist eine Entwicklung, wie wir sie nicht kennen» appellierte Ganser an sein Publikum. Er und der von ihm präsidierte Verein «Association for the study of Peak Oil and Gas» (Aspo) wollen Politik und Öffentlichkeit dazu bringen, sich mit dem Ende des nahenden Erdölzeitalters, auseinanderzusetzen – und zwar frühzeitig: «Wir müssen die Zeit nutzen, ehe wir in die Krise schlittern.»
Hoher Ölpreis weckt Bewusstsein
Eine grosse Hürde bei der Arbeit der Aspo sei nicht zuletzt der tiefe beziehungsweise wieder massiv gefallene Ölpreis. Das Bewusstsein von Öffentlichkeit und Politik für die Endlichkeit des Öls reife wohl erst, wenn der Ölpreis über 200 Dollar pro Fass steige. Und hoch bleibe. Die Schweiz habe wohl das Geld, um auch teures Öl zu kaufen, allerdings stelle sich für die Zukunft eher die Frage nach der Verfügbarkeit, denn die Schweiz stehe ganz am Ende der Lieferkette.
Dass sich ein Friedensforscher mit Öl befasst, hat seinen Grund: Zahlreichen Konflikten liegt die Sicherung der Versorgung mit Bodenschätzen zu Grunde. Laut Ganser ist belegt, dass die USA und England wussten, dass Diktator Saddam Hussein zu diesem Zeitpunkt nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte, als sie 2003 in den Irak einmarschierten. Mit dem Krieg hätten die Angreifer erreicht, dass die zuvor staatlichen Ölfelder öffentlich versteigert werden – «eine krude Form von Privatisierung». Und «Afghanistan» sei kein Krieg für Frauenrechte, sondern ein Pipeline-Krieg.
Dass es mit der Verknappung von Erdöl und Erdgas zu weiteren Energie-Konflikten kommen werde, liegt für Ganser auf der Hand. Deshalb müsse das Problem rund um die Welt angepackt werden. Im Atomstrom – gegenwärtig werden drei Prozent des weltweiten Energiebedarfs in AKW erzeugt – sieht der Historiker und Buchautor kein Zukunftsmodell. Stattdessen müssten der Energieverbrauch auf 2000 Watt pro Kopf gesenkt und alternative Energien gefördert werden. Grosses Potenzial ortet Ganser in der Geothermie: «Wir leben auf einem Feuerball.»
«9/11» als Vorwand für Kriege
Der breiten Öffentlichkeit wurde Daniele Ganser 2006 bekannt, als der «Blick» die Theorien über die möglichen Hintergründe von «9/11» publizierte. Aufgrund seiner Studien seien drei Szenarien denkbar: 1. Die offizielle Version der USA mit Osama Bin Laden als Drahtzieher. 2. Die Angriffe wurden von Bin Laden geplant und ausgeführt – US-Regierungskreise haben aber davon gewusst und nichts dagegen unternommen, um eine Rechtfertigung für ihren «Kampf gegen den Terror» zu haben. 3. Pentagon und Geheimdienst CIA haben die Angriffe geplant und ausführen lassen, um eine Rechtfertigung für die Angriffe der USA auf den Irak und auf Afghanistan zu haben.
Der Historiker sagte nicht, welche Theorie für ihn am ehesten plausibel ist, liess aber durchblicken, dass sich mit den Theorien 1 und 2 der Einsturz des 170 Meter hohen Turmes WTC 7, der nicht von einem Flugzeug getroffen wurde, nicht erklären liesse. Die zugespitzte Titelstory im Blick habe ihn «selber fast vom Velo gehauen» und ihm einen Rüffel der US-Botschaft in der Schweiz eingebracht, gestand Ganser dem grossen, mäuschenstillen Publikum im Nachtcafé. Seit der Publikation des Buchs zum fünften Jahrestag der Terrorakte hätten sich weitere Fragezeichen zur offiziellen Version ergeben. So sei im grossen Stil auf fallende Aktienkurse der beiden betroffenen Fluggesellschaften spekuliert worden. Versuche, herauszufinden, wer hinter dem Deal steckte, seinen allerdings fehlgeschlagen.
Keine Angst um Leib und Leben
Bereits mit seinem ersten Buch über die Nato-Geheimarmeen während des Kalten Krieges – seiner Doktorarbeit – hatte der Baselbieter für Aufsehen gesorgt. Seine Nachforschungen hatten belegt, dass in allen Nato-Ländern geheime Guerilla-Armeen für den Kriegsfall aufgebaut worden waren. Das Buch wurde bisher in zehn Sprachen übersetzt.
Auf die Frage von «Volksstimme»-Verlagsleiter Robert Bösiger, ob er bei all seinen Enthüllungen nicht gefährlich lebe, winkte Ganser ab. Ihm sei nicht bekannt, dass ein Schweizer Forscher wegen seiner Arbeit umgebracht worden wäre. Lebte er dagegen in China, Kolumbien, Russland oder in den USA würde er sich womöglich anderen Themen widmen. Zum Beispiel Burgen im Mittelalter.
Volksstimme Nr. 35 / 2009