Nachtcafé vom 20.10.2022 |
Liste aller Gäste
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Erfolgsrezepte eines Spitzenkochs
Sissach | Anton Mosimann zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé
Der weltberühmte Koch Anton Mosimann erzählte im «Volksstimme»-Nachtcafé aus seinem Leben. Der Mann mit der bunten Fliege bot dabei beste Unterhaltung.
«Bestimmt mehr als 100 Spitzenköche haben auf genau diesen Anruf gewartet. Ich habe ihn bekommen…»
Anton Mosimann lacht zufrieden, das Publikum im Nachtcafé in der Oberen Fabrik lacht zufrieden mit. Der erwähnte Anruf ging bei Mosimann ein, nachdem der britische Prinz William und seine Braut Kate ihre Hochzeitspläne publik gemacht hatten. Mosimann war es, der 2011 nach der kirchlichen Trauung, die weltweit angeblich von mehr als 2 Milliarden Menschen live am Bildschirm mitverfolgt worden ist, das Bankett für die 250 geladenen Gäste herrichten durfte.
Er war mit einer 120-köpfigen Brigade angerückt, um das königliche Festmahl auf die Tafel zu bringen. Dem Zufall überlassen habe er nichts, was seiner Arbeitsweise entspreche, wie er in Sissach sagte. Das Menü habe er zuvor vorgekocht und Kate und William seien bei ihm zum Testessen erschienen. Sie konnten Retouchen an Essen und Tischdekoration anbringen. Das mache er bei wichtigen Banketten immer so, um Enttäuschungen zu vermeiden, sagt Mosimann. Das sei zwar mit Mehraufwand verbunden, den man aber nie scheuen dürfe. Nur die Perfektion bringe den Erfolg. Selbstverständlich neben dem Flair für kreative Kreationen aus dem Kochtopf.
Der Schwinger in ihm
Mosimann, der in der Nähe von Biel in einer Wirtefamilie aufgewachsen ist, suchte den Erfolg von Anfang an – und hat ihn früh gefunden. Der heute 75-Jährige zählt längst zu den berühmtesten Köchen der Welt. Ja, sagte er auf die entsprechende Frage von Talkmaster Robert Bösiger, er sei immer sehr ehrgeizig gewesen. Geprägt habe ihn in seiner Jugendzeit das Schwingen: «Es stehen zwei im Sägemehl und nur einer kann gewinnen. Ich wollte immer gewinnen…». Und er habe immer grosse Freude an seinem Beruf gehabt, Mosimann verwendete das Wort «Passion». Er habe stets mehr gewollt als andere und sei bereit gewesen, «ein paar Stunden mehr pro Tag zu arbeiten». Nicht nur seine «Cuisine naturelle» hat er dadurch auf dem ganzen Globus bekannt gemacht, auch er selber wurde zur Marke, die er seit Jahr und Tag sorgfältig pflegt.
So trat Mosimann auf der Bühne in Sissach selbstverständlich mit einer seiner typischen bunten Fliegen auf, von denen er «300 plus» besitzt, wie er sagte. Dazu ein perfekt gebügeltes weisses Hemd unter dem schwarzen Zweireiher, auffällige Manschettenknöpfe, ein leuchtend rotes «Boschettli» und passend dazu leuchtend rote Socken. Mosimann kam genau so nach Sissach, wie man ihn kennt; als sei er soeben aus einem Foto aus einem der Promi-Hochglanzmagazine herausgesprungen: als Gentlemen vom Scheitel bis zur Sohle.
Junger Chefkoch
Wobei das mit dem Scheitel ja nicht ganz stimmt. Schon mit 28 Jahren habe er seine Haare verloren, sagte er im Nachtcafé. Es seien für ihn schwierige Zeiten gewesen. Damals wurde er als Chefkoch ins noble Hotel Dorchester in London berufen und war fortan Vorgesetzter von 132 gestandenen Köchen, von denen keiner auf den (zu) jungen Schweizer gewartet hatte. Und das habe man ihm in der Küche auch deutlich zu spüren gegeben. Er habe in der Folge viel investiert, um die Equipe für sich zu gewinnen. Täglich habe er alle einzeln per Handschlag begrüsst und ein paar Worte mit jedem und jeder gewechselt. Das Ritual habe jeweils eine Dreiviertelstunde gedauert. Und er habe einen neuen Arbeitsstil eingeführt: «In meinen Küchen wurde anders als an anderen Orten in der Spitzengastronomie nie geschrien oder geflucht.» Vielmehr habe er seine Leute in Stresssituationen umarmt. Es habe gewirkt: «Nach einem halben Jahr waren wir Freunde.» Das «Dorchester» kochte auf höchstem Niveau: Es war die erste Hotelküche ausserhalb Frankreichs, die mit zwei Michelin-Sternen dekoriert wurde.
Eine grosse Anhängerin seiner Rezepte sei die «Queen Mother» gewesen, die häufig im «Dorchester» gegessen habe. Durch sie bekam er die ersten Aufträge für die Royals. Auf politischer Ebene war Margaret Thatcher seine Türöffnerin. Sie heuerte ihn an, als sie den französischen Präsidenten François Mitterrand zu Besuch hatte, dem es nach Steak de Veau au Morilles war. Das Essen sei ihm damals gut gelungen, so Mosimann. Thatcher habe zwei Jahre später noch davon geschwärmt, im Nachsatz allerdings angemerkt, dass auch die Rechnung ziemlich gesalzen gewesen sei. Mosimann: «Sie war eben eine sehr eiserne Lady…» Gelächter.
Mosimann kochte Bankette für sieben Premierministerinnen und -minister in Folge, zuletzt für Boris Johnson. Für Liz Truss, die ihr kurzes Gastspiel soeben beendet hat, reichte es nicht. Mosimann hat sich Anfang Jahr aus seinem Londoner Klub zurückgezogen und das Geschäft in die Hände seiner beiden Söhne gelegt. Er wohnt nun mit seiner Frau in Montreux, ganz in der Nähe des Museums «Mosimann Collection» in Le Bouveret, in dem nicht zuletzt all seine vielen Medaillen und Fotos von ihm mit seinen prominenten Gästen zu sehen sind.
Risotto für Lady Di
Er sei allerdings «nicht pensioniert», wie er betonte, sondern koche weiter und habe ohnehin fast jeden Abend «etwas los». Erst vor wenigen Tagen sei er für ein Bankett eines Bundesrats zuständig gewesen.
Eine Stunde lang bot Mosimann im Nachtcafé beste Unterhaltung. Er erzählte, wie er in 45 Ländern und 85 Städten gekocht hat, selbst in der Kombüse der legendären Concorde stand, dass er zu dem heutigen King Charles III. ein herzliches Verhältnis pflegte, und dass Lady Diana häufig zu ihm in den Londoner Klub gekommen sei, um seinen berühmten Risotto («ohne Butter, dafür mit geschlagenem Rahm, etwas Mosimann-Champagner und ein paar Tropfen Trüffelöl») zu geniessen, während die Buben William und Harry daneben Pizza verdrückten. Und wie ihm Queen Elisabeth II. im Jahr 2004 den «Order of the British Empire» für seine Verdienste um die britische Gastronomie verliehen hat: «Darauf bin ich sehr, sehr stolz.». Und er erzählte auch davon, dass er mit seiner Ehefrau, die am Donnerstag ins Nachtcafé nach Sissach mitgekommen war, an Langstrecken-Rallyes mit mehr als 40 Jahre alten Fahrzeugen teilnimmt.
Mosimann wurde am Schluss vom Nachtcafé-Publikum mit einem grossen Applaus verabschiedet. Ebenso Talkmaster Robert Bösiger, der seine hundertste und letzte Nachtcafé-Moderation absolvierte. Es war ein Dessert, das exzellent mundete!
David Thommen