Erich Vogel
Den Fussball im Herzen und kein Blatt vor dem Mund
Unterhaltung pur
Was Erich Vogel während einer Stunde Nachtcafé-Talk geboten hat, ist bühnenreif. Der Fussballspieler, Trainer und Manager, der Metzgerssohn, Germanist und Theaterliebhaber erzählte am Donnerstag im «Volksstimme»-Nachtcafé von sich, seiner Arbeit und vom philosophischen Teil des Fussballs, seinem Leben. Dabei zeigte sich der neue Sportdirektor des FC Basel von einer Seite, die das Nachtcafé-Publikum niemals vom erfolgreichsten Fussballmanager des Landes erwartet hätte: Vogel plauderte offen, erzählte freimütig Geschichten, nannte seine grössten Fehleinkäufe beim Namen und rechnete mit den Grasshoppers ab. Der Unterhaltungs- und Informationswert von Vogels Beinahe-Monolog (Interviewer Rolf Wirz kam kaum zu Wort) war ausserordentlich.
Erfolg doch nicht käuflich
Mit besonderer Spannung wurde erwartet, was Vogel zu GC sagen würde, jenem Club, der ihn nach 11-jähriger, ausgesprochen erfolgreicher Tätigkeit, auf die Strasse gesetzt hatte: Der 61-Jährige machte tatsächlich keinen Hehl daraus, dass ihm die Revanche vom vorangegangenen Wochenende, der 1:0-Sieg Basels über GC, ausserordentlich gut getan habe. Kein gutes Haar liess er an der momentanen Politik bei den Grasshoppers, die laut Vogel glauben, den Erfolg kaufen zu können.
Als seinen grössten Fehleinkauf bezeichnete der Manager Blaise N’Kufo, den sich GC mehr als 3 Millionen Franken kosten liess. 36 Videokassetten mit Aufnahmen des Mannes und zahlreiche persönliche Gespräche hätten ihn überzeugt, dass der Mann aus Zaire sein Geld wert sei. Vogel hatte sich getäuscht: N’Kufo konnte oder wollte sich nicht in die Mannschaft einfügen und hätte nicht annähernd das Erwartete gebracht. Ein zweiter grosser Flop sei Leo Beenhakker gewesen: «Eine Woche nach der Unterschrift habe ich schon gemerkt, dass ich einen ‹Seich› gemacht habe. Als mir Vorstandsmitglieder eine weitere Woche später für den gelungenen Transfer gratulierten, dachte ich nur: Kopfschuss!» Als Nachfolger für Beenhakker holte Vogel übrigens Gross von Nati-B-Club Wil zu GC.
Fussball als Spiegel des Lebens
«Ich sterbe auf dem Fussballplatz oder zumindest nahe dran.» Fussball ist Erich Vogels Leben. Dabei betrachtet er seine Passion nicht einfach als eine Sportart, bei der es um Tore geht, sondern als Abbild des Lebens, konzentriert auf eine überschaubare Fläche: Fussball, das seien Emotionen pur, hervorgerufen durch Erfolg, Misserfolg, durch Täuschung und Raffinesse.
Wenn Vogel von seiner einen Passion schwärmt, dann häufig mit Begriffen aus dem Wortschatz seiner zweiten Liebe, dem Theater. Nach der Matura auf dem zweiten Bildungsweg hatte der Zürcher Germanistik studiert — als Mittel zum Zweck — wie er sagt. Vogel wollte ans Theater. Nicht als Schauspieler, sondern als Regisseur oder Direktor. Schliesslich wurde für den ehemaligen Libero mit viel Spielintelligenz und wenig Härte (Vogel über Vogel) Fussballtrainer und später Manager von Beruf. Theater und Kino mussten Hobby bleiben. Geht er heute ins Kino oder ins Theater, interessiere ihn mehr die Handschrift des Regisseurs als die Handlung an sich.
Gross — Vogel
Mit Christian Gross, der seine Verpflichtung beim FCB gegen die Überzeugung des Präsidenten ermöglicht hatte, verbinde ihn keine tiefe Freundschaft, eher eine professionelle Beziehung. Dass es Reibungspunkte zwischen Trainer und Sportdirektor gebe, liege aufgrund der unterschiedlichen Aufgabestellung auf der Hand: «Der Trainer muss dafür sorgen, dass die Mannschaft ihr nächstes Spiel gewinnt, der Sportdirektor ist dafür verantwortlich, dass die Mannschaft auch noch in zwei, drei Jahren ein Gesicht hat.» Widersprechen sei ein Teil seines Jobs. So habe er sich hartnäckig dagegen gewehrt, als Gross Mario Frick für den Basler Sturm verpflichten wollte. Stattdessen verpflichtete er Tchouga. Das Rufen des Trainers nach Frick sei nun nicht mehr ganz so laut...
Erfolgreicher als GC
Mit dem FCB will Vogel noch erfolgreicher sein, als mit den Grasshoppers, verkündete der Manager am Donnerstag in der renovierten KiK-Bar vollmundig. Seine Zuversicht gründet in der Sportbegeisterung der Basler, im Geld, das in der Region zweifellos vorhanden wäre und im neuen Stadion, «einem der schönsten Europas». Grösstes Manko des FC Basel sei derzeit der Nachwuchs. Im Gegensatz zu den Grasshoppers oder Servette verfüge Basel momentan nicht über eigene grosse Talente, auf die der Club für die Zukunft bauen könne.
Deshalb ist seine Fähigkeit, Talente früh zu erkennen, für den FCB momentan Gold wert.
Volksstimme Nr. 94 / 2000