Nachtcafé vom 11.11.2003   Liste aller Gäste       

André Dosé
Swiss-CEO 

André Dosé Der Mann, der auch mal Bundesräte erbleichen lässt.
Vom Sprühflugzeugpiloten zum CEO der Swiss: André Dosé kennt alle Facetten der Luftfahrt. Im Gelterkinder Marabu liess sich Dosé in die Karten blicken.

gr. Schon als Crossair-Chef hatte Swiss-CEO André Dosé eine nachhaltige Begegnung mit dem kanadischen Designer Tyler Brûlé. Dem passte das «Branding», die Markengestaltung, der Crossair gar nicht. Brûlé besuchte Dosés Büro und zog ein braunes Flugzeugmodell aus seiner Tasche: «Das symbolisiere Schweizer Schokolade, hat er mir gesagt. Der Rumpf dunkelbraun, die Triebwerke hellbraun.» Brûlé konnte Dosé nicht überzeugen.
Als es um den optischen Auftritt der Swiss ging, war Brûlé durchaus erwünscht: «Von den sechs oder sieben ausgewählten Agenturen hat uns keine überzeugt. Die kamen mit Alpenrosen auf der Heckflosse oder Namen wie ‹Heidi-Air› an.» Brûlé designte das bekannte rot-weisse Logo.
Zuvor hatte die Schweizer Luftfahrt ihre grösste Krise durchgemacht: die Swissair lag zahlungsunfähig am Boden. Die Führung wurde am Sonntag des betreffenden Oktoberwochenendes beim Bundesrat vorstellig: «Wie viel braucht ihr?» «Zwei Milliarden.» «Wann?» «Bis morgen.»
Etwa so muss das Gespräch zwischen den Bundesräten Leuenberger und Villiger und der damaligen Führung gelaufen sein, die beiden Magistraten kreidebleich. «Eine absolut verrückte Zeit» resümiert Dosé.
Dosé nahm seit April 2001 als Crossair-Chef eine Art Gastrolle in der Swissair-Führung ein. Nach der dritten oder vierten Sitzung habe er realisiert, wie es denn um die Swissair stand. Und habe den Plan «Phoenix» entwickelt, der vorsah, aus zwei Airlines eine zu machen.
Das Grounding wäre zu verhindern gewesen, hätte man früher reagiert, sagt Dosé. Heilsamer Schock: das Grounding hat gezeigt, dass nicht alles garantiert ist: «Man muss die eigenen Werte pflegen, das Ausland schläft nicht.»

Im Blickpunkt der Öffentlichkeit
Trotz Konkurrenz erhielt die Swiss kürzlich die «Leading Airline»-Auszeichnung. Dass die Swiss und ihr Personal gute Arbeit leisten, davon überzeugt sich Dosé selber, wenn er Swiss fliegt. Für den Rückweg fliege er gerne mit der Konkurrenz, um «abzuchecken, was dort läuft» – und um sich zu erholen.
Denn Dosé wird nicht nur im Flieger, sondern auch auf der Strasse oder im Restaurant angesprochen: «Leute setzen sich zu mir an den Tisch, um mir zu sagen, dass ihr Gepäck verloren gegangen sei. Es kommen aber auch viele positive Reaktionen.»
Kein leichter Job: ständig ist Dosé der Kritik ausgesetzt, jeder will ein Airline-Experte sein. Und immer noch sei es schwierig, die Kultur von zwei Unternehmen unter einen Hut zu bringen. Ganz zu schweigen vom Personalabbau. Dosés Fazit: die Swiss sei noch nicht über den Berg, doch es gehe aufwärts.

Insektizidwolke im Delta
Swiss-CEO zu sein dürfte noch härter sein, als Dosés erster Pilotenjob. Er flog Sprühflugzeuge, die über den Baumwollfeldern im Mississippi-Delta Insektizide ausbrachten: «Es war so heiss, dass wir ohne Helm flogen, die Cockpitfenster offen, voll durch die Giftwolke.»
Wie giftig das Zeugs gewesen sei, habe er erst realisiert, als er am Abend sein T-Shirt ausgeschüttelt habe, und am nächsten Tag sei an der Stelle kein Gras mehr gewachsen. Ein wahres Wunder, dass die Baumwollpflanzen überlebt haben.
Heute fliegt Dosé nicht mehr selber, damit habe er abgeschlossen. Sein Hauptziel sei es, den Businessplan umzusetzen – denn sobald die Swiss schwarze Zahlen schreibe, möchte er seinen Platz räumen: «Ich bin kein Sesselkleber.»
In seiner knapp bemessenen Freizeit spielt Dosé gerne Fussball, er ist Goalie in der Seniorenmannschaft des Baudepartements, wo auch Karli Odermatt mitkickt. Auch auf dem Rasen lässt sich Dosé nicht stoppen: Eigentlich hätte er wegen einer Verletzung mindestens drei Monate pausieren müssen, wurde aber am vergangenen Samstag trotzdem auf dem Platz gesehen: «Ich hoffe nur, dass mein Arzt davon nichts erfährt.»
Der gebürtige Berner lebt mittlerweile im Fricktal und ist Vater von drei Kindern. Mit seiner ersten Frau, einer Amerikanerin, lebte er nach seiner Rückkehr aus den Staaten einige Jahre in Böckten und in Sissach. Dosé war Nachbar von «Volksstimme»-Chefredaktor Rolf Wirz, voneinander Notiz genommen haben die beiden jedoch nie.

Volksstimme Nr. 134 / 2005