Black Tiger
Mundart-Rapper
In der Region kennt man Black Tiger, von Urs Baur haben hingegen die wenigsten schon gehört. Am vergangenen Donnerstag war der Basler Rapper Talkgast im Nachtcafé der «Volksstimme».
Ob er ihn mit dem bürgerlichen Namen oder mit dem Künstlernamen ansprechen solle, fragte Robert Bösiger seinen Gast gleich zu Beginn des Gesprächs. «Nenn mich einfach Urs», entgegnete dieser. Diese Offenheit und Bescheidenheit zog sich durch das ganze Gespräch; ehrlich beantwortete Urs Baur, alias Black Tiger, die Fragen, die teilweise auch unbequem waren.
So fragte Bösiger, wie er in die Hip-Hop-Szene gerutscht sei. «Durch meine Mutter», antwortete Baur und sorgte für die ersten Lacher in der Oberen Fabrik, die vor allem mit jungem Publikum besetzt war. Der Rapper scherzte aber nicht und erklärte, dass ihn seine Mutter einst an eine Graffiti-Veranstaltung mitgenommen habe und er, der sich anfangs geweigert hatte mitzukommen, von den Schriftzügen und Farben begeistert gewesen sei. Wenig später habe er sich Spraydosen gekauft und sich selbst als Sprayer versucht. «Ich musste meiner Mutter aber versprechen, dass ich bis zu meinem 18. Geburtstag nicht illegal sprayen gehe», verriet Urs Baur.
Er habe sich sogar an den Deal gehalten, sagte er nach langem Überlegen. Doch auch als er volljährig war und richtig zu sprayen begann, habe er nie Probleme mit der Polizei oder anderen Sprayern gehabt. Dies sei alles andere als selbstverständlich: «In der Szene gab es gewisse Regeln. Wurden diese nicht beachtet, konnte es vorkommen, dass man zusammengeschlagen wurde.» Da er jedoch immer den nötigen Respekt an den Tag legte, sei er nie in ungemütliche Situationen geraten.
Urvater und Vorbildfigur
Um Respekt ging es auch, als Black Tiger begann, eigene Texte zu schreiben und zu rappen. 1987 habe er damit begonnen, erst vier Jahre später hatte er seinen ersten Auftritt. «Es geht lange, bis man sich den Respekt in der Szene erarbeitet hat.» Anfangs auf englisch, stellte Black Tiger auf Texte in Mundart um. «Ich wurde belächelt, niemand konnte sich vorstellen, dass ich damit Erfolg haben würde», erinnert er sich. Es kam anders: Sein erster Song schlug ein wie eine Bombe und schon bald stellten auch seine grössten Kritiker auf Texte in Dialekt um; der Mundart-Rap war geboren.
Zwei Jahrzehnte später muss sich Black Tiger schon lange keine Gedanken mehr darüber machen, ob er den Respekt der Szene hat oder nicht. «Er ist einer der meistrespektierten Künstler, gilt als Urvater des Schweizer Hip-Hops und als Vorbildfigur», fasste Robert Bösiger zusammen. Dieses Renommee mochte ausschlaggebend gewesen sein, im Oktober das Rekord-Projekt «1 City 1 Song» auf die Beine zu stellen, fuhr Bösiger fort und wollte wissen, wie er auf die Idee gekommen sei, fast 150 Rapper in einem Lied zu vereinen. «Ich wollte die Basler Hip-Hop-Szene schon immer zusammenführen. Denn so unterschiedlich die Künstler sind, sie haben alle zwei Dinge gemeinsam: die Musik, die wir lieben und die Region, aus der wir stammen», antwortete der Rapper. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, in eine andere Musikrichtung zu wechseln, entgegnete er: «Ich würde gerne, aber ich kann leider nicht singen. Ich kann nur rappen.»
Und Black Tiger wäre nicht Black Tiger, wenn er dies nicht unter Beweis gestellt hätte: Spontan organisierte er vier Männer, setzte sie an einen Tisch und verlangte nach einer Flasche Rotwein und einem Glas, die er in die Mitte des Tischs stellte. Rappend erzählte er eine Geschichte über die Wahrheit: Die Männer kriegen sich in die Haare, weil sie das Weinglas jeweils aus einer anderen Richtung sehen. «Eigentlich sehen alle vier das Gleiche, doch sie sind blinder als blind, denn die Wahrheit sieht man nur, wenn der Blickwinkel stimmt.»
Bilder unter www.volksstimme.ch
Volksstimme Nr. 142 / 2012