Christine Lauterburg
Sängerin, Musikerin
Der singende, klingende Paradiesvogel
Die Berner Jodlerin und Musikerin Christine Lauterburg hat am Donnerstagabend im Nachtcafé der «Volksstimme» bewiesen, weshalb sie in der Schweizer Musikszene als Paradiesvogel gilt.
Mit einer Behauptung ist Moderator Robert Bösiger in das Gespräch mit Christine Lauterburg eingestiegen. Dass sie das Jodeln in einem Kurs der Migros-Klubschule gelernt habe, klinge zwar spannend, sei aber sicher nur gut erfunden, provozierte er am Donnerstag im «Volksstimme»-Nachtcafé seinen Gast. Doch, doch, dies sei so, entgegnete die quirlige Bernerin ohne zu zögern und mit viel Charme und Herzlichkeit. Sie habe unbedingt jodeln lernen wollen, habe aber kein Geld gehabt für teure Einzelstunden, und die angefragten Jodelklubs haben nur abgewinkt. Schon nach der ersten Unterrichtsstunde habe sie realisiert, dass sie jodeln könne. Halt einfach etwas anders als üblich.
Angesprochen auf den Vergleich mit der um eine Generation jüngeren Melanie Oesch (von «Oesch’s die Dritten»), sagte Lauterburg, Oeschs Jodel sei brillanter und technisch hochstehender, aber auch konventioneller und angepasster.
Angepasst – ein gutes Stichwort. Sie habe immer den eigenen Weg gesucht, nie das machen wollen, was andere von ihr verlangten. Weder als Lehrerin noch als Schauspielerin: «Im Rahmen eines Engagements musste ich mich von einem Mann jeden Abend auf der Bühne verprügeln lassen. Das war zwar meine Rolle, aber es hat mich deprimiert.» So wandte sie sich mehr und mehr der Musik und dem Gesang zu, besonders der Schweizer Volksmusik. Die sei schön und komme aus dem eigenen Boden, sagt sie. Hier konnte sie nun endlich tun und lassen, wonach ihr der Sinn stand. Fast zwangsläufig entstanden dabei auch schräge Töne und Ungewohntes. Für ein Album habe sie an spannenden Orten gesungen und Aufnahmen gemacht: unter einem Bahndamm, an einem Fluss, oberhalb der Baumgrenze. Wer sie und ihre Musik in eine stilistische Schublade stecken will, hat es sehr schwer. Christine Lauterburg: «Das, was ich mache, ist ganz einfach Musik.»
Lauterburg eckt bei Jodlern an
Wer so kompromisslos unkonventionell ist wie die Bernerin, braucht für Kritiker und Gegner nicht zu sorgen. Diese finden sich vorwiegend in den Kreisen der traditionellen Volksmusikanten und Jodler. Besonders eckte sie an, weil sie nicht in der Tracht auftreten wollte. Und dass sie sich beim Jodeln selber mit dem Langnauer Örgeli oder der Geige begleitete, ist dem Vorstand des Jodelverbands ein Dorn im Auge; auch, dass ausgerechnet sie zum 100-jährigen Bestehen des Eidgenössischen Jodlerverbands (EJV) auf der extra dafür entworfenen Briefmarke abgebildet war. Was Lauterburg singt, sei keine Kultur, hiess es. Dass die teils vernichtende Kritik sie getroffen hatte, konnte man in der Oberen Fabrik am Donnerstagabend heraushören. Abbringen von ihrem Weg haben sie solche Reaktionen aber nie können. Wird sie in den Medien als «Paradiesvogel» bezeichnet oder als «Häx», so könne sie heute damit leben.
Das Jodeln, sagt sie, sei eine international verständliche Sprache. Auf die Frage des Moderators, wie das zu verstehen sei, hob sie gleich zu einem kräftigen Jutz an. Dies, so Lauterburg, würden auch Chinesen verstehen – oder Afrikaner, wo sie Konzerte gegeben hat. Ihre Version von «s Vreneli vom Guggisberg» war sogar für einige Wochen in der Schweizer Hitparade vertreten.
Mit Polo Hofer durch die Staaten
Christine Lauterburg erzählte im kurzweiligen Talk auch von Polo Hofer, den sie vor Jahren einmal mit dem Auto durch die USA hat chauffieren dürfen. Sie erzählte von ihrer liebsten Freizeitaktivität, dem Wandern, und davon, dass sie fast für die Grünen in die Berner Politik hätte einsteigen können. Pläne, wie es künstlerisch weitergeht, hat die bald 61-Jährige keine. Im Moment jedenfalls fühle sie sich noch beweglich und voller Tatendrang.
Wie zum Beweis packte sie ihre Instrumente aus und begann damit, das Publikum in der Oberen Fabrik in Sissach zu unterhalten. Dieses dankte ihr mit lang anhaltendem Applaus. Anschliessend setzte sie sich spontan an einen Gästetisch, an dem zwei Jodler sassen, und sang mit ihnen urchige Naturjodler.