Nachtcafé vom 13.12.2001   Liste aller Gäste       

Sina
Sängerin 

Sina Mundart-Sängerin Sina im «Volksstimme»-Nachtcafé: «200 Franken ­– wenn dieser Krach jetzt endlich aufhört»
Zehn Jahre tingelte Ursula Bellwald alias Sina Campbell alias Sina erfolglos durch die Lande. Heute ist sie die gefragteste Mundart-Rockerin und sie ist dabei nicht zur Diva mutiert. Im «Volksstimme»-Nachtcafé erklärte sie warum.

los. Was um Gotteswillen macht Ursula Bellwald im «Volksstimme»-Nachtcafé? Die Erklärung ist denkbar einfach. Als Ursula Bellwald konnte sich Sina nicht vorstellen, Karriere zu machen und darum änderte sie ihren Namen.
Bevor die Walliserin unter dem Namen Sina mit Mundart­rock Furore machte, tingelte sie als Schlagersängerin «Sina Campbell» durch die Schweiz. So kam auch die erste Begegnung mit Interviewpartner Robert Bösiger, Chefredaktor der «Volksstimme», zustande. Mit Dauerwelle und einer un­säg­lichen Single unter dem Arm («Woman in Love» von Barbra Streisand) versuchte sie ihr Glück bei den lokalen Radiosendern, unter anderem bei Radio Raurach. Das war 1984.
Die Single, wie auch «Sina Campbell» blieben erfolglos. Nach einem Sieg beim Walliser Schlagerfestival, welches vom Walliser «Musik-Übervater» Michel Villa initiiert wurde, zog sie mit dem Manager von Kliby und Caroline und Peach Weber durch die Lande.
Ihr wohl schlimmstes Erlebnis ihrer Schlagerkarriere war ein Auftritt in einem zwielich­tigen Zürcher Lokal. Garderobe war irgendwo in der Vorratskammer. «Und immer wenn ich die Hosen auszog, kam ein Kellner Bier holen», so Sina. Sie sang im «Petite Prince» anlässlich einer Geburtstagsparty und niemand hörte zu. «Höhepunkt war, als ein Geschäftsmann mir 200 Franken versprach, wenn ich nur mit dem Krach aufhören würde.»
Heute ist Sina glücklich über den Misserfolg als Schlagersängerin: «Es ist schwierig vom Image Schlagernudel wegzukommen. Ich habe es ge­schafft.» In ihrer Schlagerphase hielt sich Sina mit verschiedensten Jobs über Wasser. Als Bankangestellte bei der UBS, Radiomoderatorin auf DRS 1 oder als Assistentin von Raymond Fein. Zu dieser Zusammenarbeit kam es eher zufällig. Auf der Autobahn habe sich ein Fahrer hinter ihr mit Blinkzeichen und Aufblenden bemerkbar gemacht. Sina war mit ihrer heutigen Managerin Benita Andres unterwegs und hielt auf dem Pannen­streifen an. «Wenn das irgend ein Lüstling ist, schalten wir die Zentralverriegelung ein und geben Vollgas», habe sie zu ihrer Managerin gesagt.
Gebraucht haben sie dieses Notfallszenario nicht, der blinkende Fahrer war Raymond Fein, er hatte den Schriftzug «Sina Campbell» auf dem Auto gelesen – und Sina hatte einen neuen Job. Sina betreute von nun an die Traumpaare in Feins Fernseh-Sendung.
Sina liess sich aber von ihrem Kindheitstraum – eine Sängerin zu werden – nicht abbringen. Nachdem ihre Platte «Mein Herz in Flammen» Minusverkäufe erzielte, wusste sie, «jetzt ist genug.» Sina war 27 Jahre alt, hatte zehn Jahre erfolglose ­Schlagermusik hinter sich und entschloss sich endlich ein Song in Mundart aufzunehmen. Für «Heim, chum heim» hatte sie postwendend drei Angebote für Plattenverträge. Der Rest ist Geschichte. «Unbeschriiblich wiiblich» oder «Pfarrersohn» machten Sina in der ganzen Schweiz bekannt und ermöglich­ten ihr von der Musik zu leben.
Und heute ist Sina ein Schweizer Rockstar, reich, verwöhnt und eingebildet – oder eben nicht. Sie sei keine Diva, versicherte Sina im Nachtcafé und belegte die Aussage mit guten Gründen: «Ich habe zehn Jahre Erfolglosigkeit miterlebt und weiss wie schnell es ­wieder ümbrii gehen kann.» Man moch­te es ihr glauben. Ihr unprätiöses Auftreten, ihre umgängliche und freundliche Art und natürlich ihr archaischer Dialekt. Eine Frau zum Gernhaben.

Spezielle Wohngemeinschaft
Heute lebt Sina in Zürich. «Ich musste raus aus der Walliser Enge.» In Zürich bewohnt sie gemeinsam mit ihrer Managerin Benita Andres und der Schriftstellerin Sybille Berg zu­sammen ein Haus. Jede der drei Frauen bewohnt einen Stock des Hauses. «Diese Lebensform entspricht mir absolut. Wenn ich will, kann ich sozialen Kontakt haben, habe aber auch die Mög­­lichkeit mich zurückzuziehen.» Ausserdem entstehen in dieser speziellen WG immer wieder Synergien, die Sinas berufliches Umfeld beeinflussen. «Sybille Berg hat mir schon Texte für Songs verfasst und ich bin im Gegenzug in einem ihrer Stücke aufgetreten.»
Dieser Ausflug in die Schauspielerei im Schauspielhaus Bochum ist Sina noch in guter Erinnerung. Sie musste als «Frau Tod» auftreten und war so garstig geschminkt, dass ihr eigener Freund sie auf dem Gang nicht erkannte. Er sprach sie im besten Hochdeutsch an und fragte: «Wissen Sie vielleicht wo Sina ist?» Mit einem Augenzwinkern sagt Sina von sich, sie sei ein «Bünzli». «Am liebsten verbringe ich die Ferien in der Schweiz, ich halte es im Ausland einfach nicht lange aus.» Eine Ausnahme macht sie für berufliche Zwecke. So wird sie für ein musikalisches Projekt nach China reisen.
Auch in der Schweiz hat die Walliserin noch einiges vor. Sie wird an der Expo-Eröffnung vom nächsten Jahr mitwirken und im Wallis mit ungarischen Zigeunern musizieren. Sie findet diese «Cross-over»-Projekte spannend und ist für vieles zu haben, solange es ihrem Grundmotto entspricht: «Ich möchte mit Musik vor allem gute ‹Vibes› erzeugen.»