Ueli Maurer
SVP-Präsident
SVP-Präsident Ueli Maurer zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé: «Dem ganzen Smalltalk-Zeugs gehe ich aus dem Weg»
Ueli Maurer sprach im Nachtcafé über seine Wandlung vom unbekannten Bauer zum SVP-Präsidenten, seine Bescheidenheit, die Armut in seiner Kindheit, den Erfolg der Partei und über Bundesrat Christoph Blocher.
pm. «Das letzte Mal, als ich das Fricktal runter fuhr, war alles braun. Jetzt ist es wieder grün, das ist schön.» SVP-Präsident Ueli Maurer, laut Medienumfragen einflussreichster Politiker der Schweiz, ist zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé und lächelt gewinnend ins Publikum. Vergangenen Freitagmorgen sass er in Bern am «Eckigen Tisch» der Bundesratsparteien, am Nachmittag gings zur «Arena»-Aufzeichnung nach Zürich und dann eben «das Fricktal runter» Richtung Sissach in die Obere Fabrik.
Ueli Maurer ist live so wie im Fernsehen: Selbstsicher, aber alles andere als unnahbar. Mit der rechten Hand hält er ruhig das Mikrofon und während er – meist ohne lange überlegen zu müssen – auf die Fragen von «Volksstimme»-Chefredaktor Rolf Wirz antwortet, gestikuliert seine linke Hand in einem kleinen Radius, ab und zu zupft sie unmerklich am Jackett.
«Ich war nie der Hampelmann Blochers», sagt er in Erinnerung an Viktor Giacobbos Spätprogramm, das er nie gesehen hat. Blocher habe nach seinem Wissen vor acht Jahren sogar jemand anderes als SVP-Präsident favorisiert. Er selbst sei «so tief unten gestartet, dass es nicht weiter runter gehen kann».
Zwei Pültli und ein Fight
Und natürlich habe er sich in all den Jahren gewandelt – vor allem, was die Auftritte in den Medien anbelange. Er «fighte» gerne. Weshalb ihm das frühere «Arena»-Konzept entgegengekommen sei. «Zwei Pültli und dann geht man aufeinander los. Das gefällt mir», sagt er lächelnd. Hinter den einfachen Konzepten der SVP, die in zwölf Fernseh-Sekunden kommunizierbar seien, stecke viel Kopfarbeit. Politik sei fürs Publikum einfacher zu verstehen, wenn man in Bildern spreche. Geübt hat er dies als praktizierender Vater: «Seit vielen Jahren erfinde ich abends für meine Kinder eine Geschichte mit drei Zwergen.»
Als seine Stärke sieht Maurer, dass er sich selbst und den Gegner einzuschätzen weiss. Sport und Militär seien hierfür eine gute Schule gewesen. «Wenn ich der Stärkere bin, gehe ich härter an den Mann», sagt er offen.
Einzig bei der Frage, was er als König der Schweiz als erstes machen würde, hält Maurer einen Moment inne. Dann sagt er: «Zwei Dinge: Kinder Kinder sein lassen und nicht zu Roboterlis dressieren. Und sparen, damit nicht künftige Generationen die Zeche zu bezahlen haben.»
Christoph Blocher und er würden ähnlich funktionieren, so Maurer. Er habe grossen Respekt vor Blocher und halte ihn politisch und wirtschaftlich für ein Genie. Persönlich aber, obwohl sie sich seit mittlerweile zwanzig Jahren kennen, hätten sie zueinander Distanz bewahrt. So sei er beispielsweise nur einmal bei Blocher zuhause gewesen und dieser kein einziges Mal bei ihm.
Kein Geld für Schuhe
Maurer stammt aus einer Bauernfamilie, aus «ärmlichen Verhältnissen», wie er selbst sagt. Im Sommer habe das Geld oft nicht einmal für Schuhe gereicht. Bei der Frage, ob das dem Klischee vom armen Bauernjungen, der zum grossen Politiker werde, entspreche, sagt Maurer das erste und einzige Mal: «Ich weiss es nöd.»
Aus seiner offenbaren Bescheidenheit möchte der Zürcher keinen Kult machen. Dass er seit 17 Jahren dasselbe Auto fahre, kommentiert er Gelächter erntend: «Ich muss meine Potenz nicht mit einem Sportwagen beweisen, ich habe sechs Kinder zuhause.» An Veranstaltungen und Apéros gehe er kaum: «Dem ganzen Smalltalk-Zeugs gehe ich so gut es geht aus dem Weg.»
Was ihn manchmal belaste, sei die Verantwortung für die Partei. An den letzten Wahlen hätten 500000 Personen die SVP gewählt – und alle erwarteten kleine Wunder. Hinter dem Erfolg der Partei stecke einerseits ein politisches Vakuum, das die SVP zu füllen vermöge, andererseits harte Arbeit: 40 bis 50 Klagebriefe und -mails bekäme er täglich. Diese Kontakte müsse man pflegen. Unter seiner Ägide sei schweizweit wöchentlich eine Partei gegründet worden. 5000 Sektionen zähle die SVP heute.
Das käme immer wieder vor, sagt Maurer hinsichtlich des offenen Konflikts in der SVP Basel-Stadt, der kürzlich sogar zum Bruch der Fraktion führte. Es gäbe Leute, die erst nach einer gewissen Zeit merkten, dass die SVP doch nicht die gewünschten Anliegen vertrete. In Basel stimme seiner Meinung nach aber einiges nicht. Um dies zu ändern, brauche es Power und genau die habe Parteipräsidentin Angelika Zanolari. Maurer: «Ich wünschte mir, dieses Land hätte noch tausend Zanolaris.»
Volksstimme Nr. 68 / 2004