Thomas G. Borer
Task-Force-Leiter und späterer Botschafter in Berlin
Thomas G. Borer auf den Zahn gefühlt
Zur Eröffnung des «Volksstimme»-Nachtcafés im KIK stand Sonderbotschafter und Leiter der Task Force «Schweiz - Zweiter Weltkrieg» Red und Antwort. Der gewiefte Showman überraschte das Publikum mit seinen Sprüchen und Scherzen.
mtk. In Begleitung der Ex-Miss Texas Shawne Fielding, seiner Verlobten, schlenderte Thomas G. Borer, Chef der Task Force «Schweiz - Zweiter Weltkrieg», in den Kellerraum «KIK» in Sissach. Ein Paar, das noch nicht heiraten möchte, um keinen riesigen Medienauflauf zu provozieren, wie der Task-Force-Chef später im Gespräch mit dem «Volksstimme»-Redaktor Rolf Wirz erklärte. Aber trotzdem soll es noch in diesem Jahr soweit sein.
In seinem dunklen Anzug, den dezent schwarzen Schuhen, weissem Hemd, bunter Krawatte und mit sorgfältig nach hinten gekämmtem Haar stellte sich Borer den Fragen des neugierigen Journalisten.
Das Publikum im Kellerraum bekam nicht in erster Linie den Krisenmanager zu sehen, der jedes Wort erst auf die Goldwaage legt, sondern einen zu Scherzen aufgelegten Showman. «Er beisst nicht», ermunterte Wirz das Publikum, näher an den Bühnenrand zu kommen. «Nur New-Yorker Senatoren», scherzte Borer.
Auf der Suche nach Pumpen
Natürlich habe er mit zu einer Entspannung beigetragen, nachdem sich die Schweiz in die Krise manövriert habe. Zu spät habe das Land reagiert, als ob die Feuerwehr erst einen Kommandanten suchte, wenn schon ein Haus brennen würde. «Erst mussten die Pumpen noch gesucht werden, und in Bern gibt es genügend Pumpen.» Die Anspielung erheiterte das Publikum.
Immer wieder würzte Borer seine Antworten mit Sprüchen und Anspielungen. Etwa wenn er einen Tagesablauf beschrieb und neben den vielen Gesprächen mit Politikern, Wirtschaftsführern und «jüdischen Kreisen» dazwischenstreute: «Dann diskutiere ich noch kurz mit Blocher über die Solidaritätsstifung.»
Er verhehlte nicht, dass er dem politischen System der Schweiz recht kritisch gegenüberstehe: Die Schweiz müsse aus Fehlern lernen und bei einer nächsten Krise Angriffe schon nach einer halben Woche und nicht erst nach Monaten kontern. Vorsichtige Kritik übte Borer am schweizerischen Konkordanzsystem: Um Bundesrat zu werden, müsse man immer aufpassen, dass man sich politisch in der Mitte bewege und niemandem zu sehr auf die Füsse trete.
Alliierte gewinnen
In den vielen Gesprächen, die er täglich führe, gehe es darum, die Position der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges zu erklären und Meinungsführer für die Schweiz einzunehmen. Dabei geht es in der grossen, weiten Welt der Diplomatie nicht einfach nur um den Austausch von Sympathien und Nettigkeiten, sondern in erster Linie um handfeste Interessen: Einem Gouverneur eines US-Bundesstaates mit zahlreichen Filialen von Schweizer Firmen erkläre er, dass auch für seinen Staat Sanktionen gegen die Schweiz nicht von Interesse wären. Die Schweizer Unternehmer müssten in einen anderen Bundesstaat abziehen und Arbeitsplätze gingen verloren. «Ich versuche, Alliierte zu gewinnen», beschrieb Borer seine Verhandlungen. Alliierte in einem Konflikt, den niemand mehr kontrollieren könne, der zum Selbstläufer geworden sei.
Oberstes Ziel der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges sei gewesen, zu überleben und nicht in den Krieg hineingezogen zu werden. Unter dieses Primat seien alle anderen Ziele gestellt worden, etwa die Flüchtlingspolitik. Natürlich hätten mehr Flüchtlinge gerettet und mit den Nazis weniger Gold gehandelt werden können, gesteht Borer. Im nachhinein sei man aber immer klüger. Auch bei einem Fussballspiel wisse man nach neunzig Minuten, welche Spieler hätten spielen sollen.
Eine halbe bis eine Minute habe er Zeit, um jeweils am US-TV ein Statement loszuwerden. Nicht so in Sissach: Auch dieser Auftritt Borers wurde gefilmt, aber live und ungeschnitten übertragen - ins einige wenige Meter vom KIK entfernte Radio-TV-Geschäft Maurer.
Volksstimme Nr. 17 / 1998