Nachtcafé vom 03.04.2003   Liste aller Gäste       

Viktor Giaccobo
Komödiant, Schauspieler und Kabarettist 

Viktor Giaccobo Viktor Giacobbo zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé im Marabu Gelterkinden: Die Kameras werden von der Krankenkasse bezahlt
Witzig, schlagfertig, souverän. Viktor Giacobbo bot im «Volksstimme»-Nachtcafé beste Unterhaltung. Zum ersten Mal genoss das Nachtcafé Gastrecht im Gelterkinder Marabu. Die Veranstaltung war ein Erfolg: Über 200 Leute besuchten den Talk.

los. «Viktor Giacobbo, fehlt Ihnen nach Einstellung des Spätprogramms die Präsenz vor der Kamera?» – «Und wie. Ich hab jetzt in jedem Zimmer in meinem Haus eine Kamera installiert, vor der ich mich produzieren kann. Die Kameras sind aber nicht echt – sie sind aus Holz, in einer Behindertenwerkstatt ge fertigt und werden von der Krankenkasse finanziert.»
Der Gasttalk der «Volksstimme» im Gelterkinder Marabu war noch keine fünf Minuten alt, da hatte «Volksstimme»-Redaktor Daniel Aenishänslin und sein Gesprächspartner, der Komiker und Schauspieler Viktor Giacobbo, das bis auf den letzten Platz gefüllte Marabu im Sack. 200 Leute lachten, klatschten und konnten sich fast nicht beherrschen. Es war ein absolut gelungener Einstand des ersten Nachtcafés, das nicht im Sissacher KiK stattfand. Der Publikumsaufmarsch und die Qualität des Talkes rechtfertigten den vorerst einmaligen Ausflug des Nachtcafés nach Gelterkinden vollumfänglich.
Ein Grossteil des Gesprächs drehte sich um Giacobbos Satire-Sendung «Viktors Spätprogramm», die im vergangenen Jahr eingestellt wurde. Giacobbo bereut seinen Entscheid nicht – 13 Jahre Spätprogramm seien genug: «Jetzt habe ich wieder mehr Zeit, um ohne Druck an anderen Projekten zu arbeiten.»

Ein Gesamtkunstwerk
In den 13 Jahren, die Giacobbo das «Spätprogramm» moderierte, hat er jeden Gast erhalten, den er sich wünschte – ausser einen. «Der Papst musste immer wieder absagen. Einmal war er auf Reisen und ein anderes Mal war er sonst nicht abkömmlich», sagte Giacobbo. Ersatz für den Kirchenvater fand der Satiriker in der Person von Uriella. Die sei als «Sprachrohr Gottes» ja sogar auf einer höheren Hierarchiestufe als der Papst, spöttelte Giacobbo.
Einen der legendärsten Auftritte im Spätprogramm verdankt Giacobbo ebenfalls Uriella, oder besser gesagt deren Lebenspartner Icordo. Zu einer Sendung als Gast eingeladen, trat Icordo in einem Tomaten-Kostüm in einem selbst kreierten Sketch auf. «Ich wusste nicht, was mich erwartet. Als ich dann in die Gesichter des Publikums blickte, sah ich blankes Entsetzen.» Zu peinlich, um hinzuschauen und zu schräg, um es nicht zu sehen, «es war ein peinliches Gesamtkunstwerk.»
Obwohl in Giacobbos Satiresendung etliche Leute durch den Kakao gezogen wurden, reklamierten die Direktbetroffenen eher selten. «Die meisten Beschwerden erhielten wir von den Anhängern der ausgespielten Personen. Die sind viel schlimmer.» Besonders häufig habe es Reklamationen gegeben, wenn die heimischen Kirchen Opfer von Giacobbos Spott geworden waren. «Diese Anhänger waren immer tief in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Ich dachte mir dann jeweils, dass das ein leichter Glaube sein müsse, wenn so einfach tiefste Gefühle verletzt werden können. Das hab ich dann jeweils auch zurückgeschrieben.»
Nicht immer reichte ein Antwortbrief von Giacobbo, um die Sache zu bereinigen. Unzählige Male wurde bei der «Unabhängigen Beschwerdeinstanz» (UBI) Beschwerde gegen das Spätprogramm erhoben. Gutgeheissen wurden aber nur zwei Klagen. Die vielen Beschwerden, die Giacobbo bei der UBI auslöste, führte zu einer schriftlichen Definition von Satire der quasirichterlichen Instanz. «Über das kann ich heute noch immer lachen», sagte Giacobbo. Jede und jeder müsse für sich selber definieren, wo die Grenze des guten Geschmacks aufhöre: «Man kann nicht schriftlich festhalten, was erlaubt ist oder was nicht.» Von vornherein eigne sich jedes Thema, um satirisch behandelt zu werden. Auch der Irak-Krieg dürfe ein Thema sein.

Ein Ernstfall
Die Grenzen überschritten hat Giacobbo mit seinem Spielfilm «Ernstfall in Havanna». Aber nur nach Meinung der beiden kubanischen Produktionsfirmen, die eine Zusammenarbeit mit Giacobbo ablehnten. Im Film spielt eine kubanische ausreisewillige Prostituierte eine Rolle. «Sowohl Prostitution als auch Leute, die Kuba verlassen wollen gibt es nicht», sagte der gelernte Schriftsetzer lächelnd.
Beruflich ist Viktor Giacobbo ausserdem in Winterthur engagiert. Er ist Verwaltungsratspräsident des Casinotheaters. Das nächste Projekt Giacobbos auf der Bühne des Casinotheaters ist ein Stück, das er gemeinsam mit Patrick Frey und Mike Müller schreibt und aufführen wird.

Ein UBI-Scherz
Nach gut einer Stunde war der eigentliche Talk vorüber und Daniel Aenishänslin öffnete die Fragerunde fürs Publikum. Unverhofft sollte eine Publikumsfrage für den absoluten Höhepunkt sorgen. Ein älterer Herr stand auf und sagte: «Es freut mich, dass ich Herrn Giacobbo zum Lachen gebracht habe», eine Kunstpause, Staunen und dann sagte er: «Ich bin nämlich derjenige, der versucht hat, die Grenzen der Satire auf Papier zu bringen.» Der alt Nationalrat und ehemalige Präsident der UBI, Felix Auer, brachte Giacobbo ziemlich zum Staunen. Auer erklärte die Hintergründe für den Versuch, die Grenzen der Satire in Worte zu fassen und liess einen ziemlich gelungenen Scherz einfliessen. Giacobbo staunte und sagte nur: «Wenn ich früher gewusst hätte, dass ihr von der UBI so lustig seid, hätte ich schon lange Kontakt aufgenommen.»

Volksstimme Nr. 42 / 2003