Roger Thiriet
Medienschaffender und Radio-Legende
Radiolegende und Publizist Roger Thiriet kramte in der Oberen Fabrik in seiner prall gefüllten Erinnerungskiste. Und fand dabei zahlreiche Anekdoten aus der Pionierzeit des Radios.
pm. Roger Thiriet wechselt kurzerhand zur Radiostimme über, als er wortgetreu die erste Ansage wiederholt, die er jemals über den Äther geschickt hat. Das war vor 44 Jahren im Studio Basel des Schweizer Radios. Danach habe er eine Stunde lang Musik ab Band gespielt, die «Absage» gemacht und zum Ende des Programms die Landeshymne aufgelegt. «Dann hat mir der Programmleiter auf die Schulter geklopft und gesagt, dass ich das künftig ganz alleine machen darf», erzählt Thiriet und ergänzt: «Das war nach einem halben Jahr Ausbildung. Kein Vergleich zu heute, wo oft schon am Mittag der erste Beitrag des Volontärs über den Sender geht.»
Es war ein an Anekdoten reicher Ausflug in die Vergangenheit, als der 64-jährige Basler Medienmann Roger Thiriet am Donnerstag Gast war im «Volksstimme»-Nachtcafé. Er, der später Kapitän des «Flaggschiffs» wurde und das Wunschkonzert von Radio DRS1 moderierte und der auch mit Legenden wie Heidi Abel oder Mäni Weber zusammengearbeitet hatte. «Ich habe mir das Hemd durchgeschwitzt, wenn ich wusste, dass ich um 16 Uhr Mäni Weber ansagen muss», erinnert sich Thiriet.
Tipp von Mäni Weber
Letzterem hatte Thiriet – der mit Radioklängen aufgewachsen war und deshalb auch nicht lange nach seinem Traumberuf suchen musste – schon während des Gymnasiums einen Brief geschrieben, um in der Branche Fuss zu fassen. Tatsächlich kam nach zwei Wochen ein Telefonanruf von Webers Sekretärin; der folgende Termin mündete in Webers Tipp, Thiriet solle seine Matur machen, studieren, während des Studiums erste praktische Erfahrungen sammeln und sich dann wieder melden. Thiriet hörte auf sein Idol und gelangte, statt wie vorgespurt ins Lehramt, tatsächlich in die Welt der Medien und das erst noch zu Pionierzeiten.
Zum Beispiel Anfang der 80er-Jahre: Als Chef nahm er den Wunsch von François Mürner, einer weiteren Legende, auf, der für seine Sendung gerne die Regler eigenhändig bedienen und nicht mehr auf die Hilfe der Technik angewiesen sein wollte. Gegen den Willen der Gewerkschaft wurde also Manpower eingespart und mit den frei gewordenen Mitteln das Novum des Nachtprogramms finanziert – was bei der Premiere arg in die Hosen ging: Thiriet höchstselbst stellte sich ins Studio, doch statt Peter Maffays «Über sieben Brücken?…» kam nach der Ansage: nichts.
Bis endlich «Guantanamera» lief, vergingen zweieinhalb Minuten, in denen unter anderem zu hören war, wie Thiriet sich im Studio den Kopf anstiess. «Es war grotesk, aber es war der Durchbruch – und diese Aufnahme wurde bis vor Kurzem bei allen Führungen durchs Radiostudio vorgespielt», so Thiriet.
Drehbuchautor auf dem Velo
Der heutige Präsident der «Stiftung Telebasel» und Inhaber einer Einzelfirma für Kommunikation spricht in der Folge über seine weiteren Stationen «Basilisk» und «Eviva» und beantwortet die Fragen von Gesprächsleiter Robert Bösiger zu seinem neuen Buch «On Air – 30 Jahre Lokalradio in der Schweiz» und erzählt unter anderem, wie er als Autor von 150 Sendungen der Sitcom «Café Bâle» (1996 bis 2006) jeweils mit dem Velo in der Stadt unterwegs war, um die Drehbücher dem Regisseur und den Schauspielern in den Briefkasten zu stecken.
Privat sitzt Thiriet, wie er zugibt, kaum mehr vor dem TV. Dafür erzählt er, dass er «im Halbschlaf, mit 40 Grad Fieber, zusammengebundenen Beinen und einem Arm in der Schlinge» sein «berühmtes» Zitronenhuhn zubereiten könne.
Und warum ihm seine täglichen Termine im Fitnessstudio heilig sind: Im Alter von 21 Jahren hatte er eine Operation am Knie, das er im Nachgang acht Monate lang nicht belasten durfte. Die lange Trainingspause habe später beim Basler Clique-Grümpeli zum Frust und somit zu einer Art Erweckungserlebnis geführt. Dass er damals ein guter Fussballer war, daran lässt Thiriet keine Zweifel, wenn er mit einem Schmunzeln betont: «Salah hätte sich die Augen gerieben.»
Bilder zum Nachtcafé mit Roger Thiriet finden Sie in unserer Galerie auf www.volksstimme.ch
Volksstimme Nr. 137 / 2013