Chris von Rohr
Rockmusik-Produzent
Berufsrocker Chris von Rohr im «Volksstimme»-Nachtcafé: «Mein Job ist Chris von Rohr und den gibts nur einmal»
Er war Bassist bei «Krokus», fungiert als Produzent und Mentor von «Gotthard» und ist der Schweizer Rockmusiker mit den meisten Gold- und Platinauszeichnungen. Die Rede ist von Chris von Rohr, Vorzeigerocker, Frauenheld, Grossmaul mit einem Hang zur Philosophie.
gr. «Wenn man in der Provinz aufwächst wie ich, dann bleibt einem ja nichts anderes übrig als im Proberaum abzurocken.» Dies die Antwort von Chris von Rohr auf die Frage von «Volksstimme»-Redaktor Rolf Wirz nach der Motivation in den Rock-’n’-Roll-Zirkus einzusteigen.
Von Rohr, eine echte Koryphäe der Schweizer Rockszene, wurde als Gründungsmitglied von «Krokus», dem Schweizer Exportschlager in Sachen Hardrock bekannt. Heute zieht das sympathische Grossmaul die Fäden bei «Gotthard». Er ist Mentor, Produzent, Songschreiber: «Ich bin der kreative Coach», wie er seine Rolle selber definiert.
Aufbruchstimmung in den Sechzigern
Rock’n’Roll, das sei für ihn Lebensauffassung, wie man die Dinge anpacke. Dazu gehöre auch, dass man sich und die Welt nicht zu ernst nehme. Überzeugend schildert er das Gefühl, das in den Sechzigerjahren vorherrschte: «Der Sound des Marshall-Verstärkers, der Klang eines WahWah-Pedals, so etwas hast du vorher nie gehört. All diese Melodien lagen in der Luft. Die Beatles, die Stones, Jimi Hendrix, Cream, die Doors: Jeden Tag gab es neue aufregende Bands zu entdecken.»
Wenn etwas im ganzen Gespräch durchdringt, dann ist es die Tatsache, dass von Rohr nie einen «normalen», bürgerlichen Lebenslauf bestreiten wollte. «Gimme a break, warum soll ich mich abmühen für eine warme Ovo», so von Rohr, und: «Ich habe keine Strategie, alles was ich mache ist purer Instinkt. Hätte ich nicht die Musik, wäre ich wohl Terrorist geworden, oder so ein Scheiss». Bei seiner Entscheidung, das zu tun, wonach er sich fühlt, habe ihm — «Basel sei Dank» — LSD weitergeholfen, danach wusste er, dass alles gut kommen werde.
Vom Nachtclub auf Riesenbühnen
Langsam ins Rollen kam seine Musikerkarriere, als er in einer Club-Band spielte. Dabei tingelte von Rohr mit seiner Tanzcombo durch Nachtclubs und spulte ein Top-50-Programm ab. Einerseits habe er sich damit die musikalischen Sporen — damals übrigens als Schlagzeuger — abverdient. Zum anderen tauchte auch die existentielle Frage nach dem Geldverdienen auf: «Die Frauen waren langsam des Sponsorings müde, und ich konnte sie halt nicht immer nur in Naturalien bezahlen», grinst der Berufsschwerenöter.
Immerhin erhielt die Band eine Festanstellung in einem Dancing, für einen Monatslohn von 5000 Franken. Allzu befriedigt von diesem Engagement war von Rohr aber dennoch nicht: «Die Leute haben uns gar nicht zugehört. Die kamen entweder zum Whisky saufen oder zum Bumsen.»
Riesenerfolge mit «Krokus»
Nach einem Streit mit dem Nachtclubbesitzer hatte von Rohr die Nase voll und wandte sich den Rockbands zu. Aus verschiedenen Formationen mit ähnlich gesinnten Leuten wuchs dann «Krokus», die sich zur einzigen Schweizer Hardrockband mauserten, die im Ausland riesige Erfolge feiern konnten. Tourneen in den USA bestimmten den Rhythmus der Band in der ersten Hälfte der Achtzigerjahre. Unterwegs waren sie mit Grössen wie Def Leppard oder Van Halen.
Von Rohr erklärt sich den Riesenerfolg in den Staaten folgendermassen: «In den USA gab es damals noch keine ausgeprägte Hardrockszene, englische Bands wie Saxon, Motörhead, Iron Maiden oder Judas Priest dominierten das Bild. Und als europäische Band konnten wir von dem Sog profitieren.» Neben allem Talent gehöre halt aber auch das richtige Timing dazu und «Krokus» hätten halt das Glück gehabt, zur richtigen Zeit mit dem richtigen Sound am richtigen Ort zu sein.
Von Rohr schilderte denn auch ein recht positives Bild gegenüber den USA: Habe man eine gute Idee, würde man ohne Zögern unterstützt, während man in Europa immer Zauderern begegne. Auf jeden Fall wäre er ohne die Amerikaner nicht da, wo er sich jetzt befinde.
Das Lied vom raffgierigen Manager
Aber jeder Traum hat einmal ein Ende und für von Rohr kam es ganz bitter. Während einer Konzerttournee wurde er aus der Band rausgeworfen und ihm direkt sein Nachfolger, ein ehemaliger Gitarrist von «Krokus», präsentiert.
Von Rohr erklärt sich seinen Rauswurf damit, dass er damit begonnen habe, sich in den geschäftlichen Teil einzumischen: «Wir haben Millionen von Platten verkauft, und da habe ich mich einfach gewundert, warum wir am Schluss 20000 Franken erhalten haben, während sich unser Manager ein Pferd nach dem anderen gekauft hat.» Damals hätten halt die anderen Bandmitglieder ihrem Manager Butch Stone mehr vertraut als ihm, was zum Zerwürfnis geführt habe.
Produzent, Autor und Familienvater
Heutzutage agiert er musikalisch nur noch im Hintergrund und mimt den strengen Mentor und Coach von «Gotthard». Den nicht zu stoppenden Höhenflug der Band mache ihm manchmal fast Angst, denn er wisse nur zu gut, dass irgendwann der Absturz folge. Dies lege er der Band auch immer wieder ans Herz, dass sie sich irgendwann auf den Moment gefasst machen müssten, an dem sie für jemand anderen Platz machen müsse.
Pläne selber wieder aktiv Musik zu machen, hat der mittlerweile Fünzigjährige nicht mehr. Die Arbeit mit «Gotthard» laste ihn zur Genüge aus, ausserdem schreibe er an seinem zweiten Buch. Im Vergleich zu seinem Erstling «Hunde, wollt ihr ewig rocken?» solle dieses mehr Tiefgang aufweisen.
Ausserdem hält ihn seine einjährige Tochter Jewel bei allerbester Laune: «Ich war ja lange einer, der immer dachte ‹warum noch ein unglückliches Kind in die Welt setzen?›. Aber wenn du selber ein Kind hast, das ist wie eine direkte Verbindung nach oben. Immer wenn ich mit meiner Tochter zusammen bin denke ich mir: Chris, du warst auch so, bevor die ganze Scheisse auf dich niedergeprasselt ist.»
Volksstimme Nr. 18 / 2002