Nachtcafé vom 06.03.2003   Liste aller Gäste       

Bettina Dieterle
Regisseurin 

Bettina Dieterle Ihr Herz schlägt für den Clown
Mit Bettina Dieterle war eine vielseitige Inszenierin und bekennende Clownin im Nachtcafé zu Besuch. In ihrer Arbeit lotet sie Grenzen aus und erkundet entfernte Winkel des eigenen Selbsts im Namen des Humors.

pm. Sie ist sicher eine aussergewöhnliche Frau. Auch wenn Bettina Dieterle dies, wie vergangenen Donnerstagabend im «Volksstimme»-Nachtcafé, selbst herunterspielt. Die in Basel aufgewachsene und in Zürich lebende Schauspielerin hat Erfahrung und Erfolg in Schauspiel, Cabaret, Geschichtenschreiben und als Regisseurin. Und sie spricht, dies nur nebenbei, sieben Sprachen (wobei Italienisch lediglich «ein bisschen»).
Zürcher Opernhaus, Acapickels, Touche ma bouche, Benissimo, «Mannezimmer», Charivari – um nur ihre wichtigsten, weil bekanntesten Stationen zu nennen. Die 37-Jährige ist allerdings keine Frau Hansdampf in allen Gassen. «Alles passt zusammen», unterstreicht sie. Auch ihre kürzlich absolvierte Ausbildung zur Körpertherapeutin schreibt sie dem Ressort Mime und Schauspielkunst zu, wo man mit dem Körper arbeite.
Ob ihr die Schauspielerei oder die Regie wichtiger sei, fragte «Volksstimme»-Redaktor Daniel Aenishänslin. Regisseurin zu sein bedeute, nicht nur auf die Rolle allein, sondern auf das Stück als Ganzes Einfluss zu haben, was spannender sei, antwortete Dieterle. Handkehrum gäbe es nichts Schöneres als Humor, als «einen Saal zum Lachen zu bringen, weil die Menschen sich in einem Spiegel sehen.» Der grosse Pluspunkt als Regisseurin sei für sie aber auch, zu wissen, wie sich die Komödianten denn im Scheinwerferlicht fühlten.

Intuitiv Grenzen ziehen
Als ihre grossen Vorbilder nannte Dieterle Charlie Chaplin, Buster Keaton oder die Kult-Truppe Monty Python. Humor bedeute, an die Grenzen zu gehen, welche durch Intuition ge zogen würden. Das gehöre genauso zum Schauspiel, wie die eigenen Grenzen auszuloten.
Im Gymnasium in Basel überschritt sie diese Grenze. Sie sang lieber in einer Punkband, als zu pauken. «Ich wollte mich am Gym nicht finden», erinnerte sie sich an ihre rebellische Phase in den rebellischen 80er-Jahren. Also flog sie «als logische Konsequenz» raus.
Danach gings nach Zürich, wo sie eine Clownschule absolvierte, Häuser besetzte, demonstrierte und «von der Polizei auf die Nase bekam». Als sie das Angebot bekam, am Zürcher Opern haus in der Zauberflöte als Mimin aufzutreten, war ihre erste Reaktion ein Nein als Abwehrreflex gegen die etablierte Kulturinstitution.
«Wir Jungen wollten Nischen schaffen», erklärt Dieterle. Damals habe es kaum Auftrittsmöglichkeiten gegeben und vieles, das heute existiere, sei aus dieser Zeit er wachsen. Allerdings besann sich Dieterle doch noch eines Besseren, bekam den Job und erlebte «eine wirklich tolle Zeit», wie sie heute sagt.

Blödsein als politisches Forum
Danach kam mit den Acapickels eine Kehrtwende. «Wir hatten Lust, uns hässlich zu machen. Wir benutzten das Blöd sein als Forum für hochpolitische Sachen.» Sowieso gehörten Politik und Schauspiel zusammen, die Bühne sei eine Plattform. Allerdings wollte sich Dieterle nicht jahrelang im Ensemble verdingen – «ich bin kein Kollektivmensch für eine längere Zeit» – und trat aus.
Dieterles Herz schlägt immer noch in erster Linie für die Figur des Clowns. Der Clown sei leider am Aussterben. Er sei aber auch die Essenz des Komischen sowie des Scheiterns und ermögliche es, seiner eigenen «kindlichsten und reinsten Seele am nächsten zu sein». Demgemäss sind auch Dieterles Zukunftspläne. Diese seien zwar noch nicht spruchreif, doch immerhin liess sie sich entlocken: Das nächste Projekt geht in Stossrichtung cabaretistische Kleinkunst.

Volksstimme Nr. 30 / 2003