Regula Grauwiller
Filmschauspielerin, «Grounding»
Eine Filmschauspielerin, die ohne Allüren auskommt
Trotz einer Hauptrolle im momentan erfolgreichsten Schweizer Film «Handyman» bleibt Schauspielerin Regula Grauwiller auf dem Teppich. Im «Volksstimme»-Nachtcafé erzählte sie vom Weg zum Film und von einer Odyssee mit dem «Volksstimme»-Redaktor Daniel Aenishänslin.
ans. Im Film spielt die Entfremdung der eigenen Person eine untergeordnete Rolle – Schauspieler werden gebucht, weil sie sind, wie sie sind. Ihrer Eigenheiten wegen, oder ihres Aussehens. Was den Produktionsprozess vereinfacht – die Identifikation mit der Rolle fällt leichter, der Text ist, im Gegensatz zum Bühnentheater, in Häppchen zu bewältigen, schliesslich soll an den Einstellungen gefeilt werden und nicht am Personal.
Das bestätigt Regula Grauwiller: Die weibliche Hauptrolle zum Beispiel in Marco Rimas neustem Film «Handyman», als Pilotin Christina im Liebesunglück. Obwohl sie im Privaten glücklich verheiratet ist und drei Kinder hat, sei sie im «Handyman» nicht wirklich anders als in der Realität, sagte Grauwiller im «Volksstimme»-Nachtcafé vom Donnerstagabend. Allüren hat sie keine. Die Person, die da auf dem Barstuhl sitzt, wirkt unverschnörkelt, geradeaus, mit Charisma zwar, doch beinahe unscheinbar, bescheiden.
Grauwiller hält sich zurück, beantwortet die Fragen von Redaktor Daniel Aenishänslin brav. Weicht aus, bleibt häufig an der Oberfläche. Regula Grauwiller fühlt sich nicht als Filmstar und bleibt auf dem Teppich, eher scheint sie besorgte Mutter zu sein, die nebenbei schauspielert. Aber wie: Schliesslich wird sie gerne gebucht, spielte seit ihrem Kino-Debüt 1993 in Peter Timms «Einfach nur Liebe» mit Benno Fürmann und Uwe Ochsenknecht in über 30 Kino- und Fernsehproduktionen mit – mitunter in Fatih Akins Erstling «Kurz und Schmerzlos» und in diversen TV-Produktionen wie «Alarm für Cobra 11», «Wolffs Revier» und «Tatort».
Von der Schule auf die Bühne...
Angefangen hat es bei ihr schon früh. Als regelmässige Theatergängerin in jungen Jahren kam Grauwiller auf den Geschmack. Nach Schultheater – sie spielte den Mann mit grauem Haar vom Trockenshampoo, «wie das stäubte und ich habs nicht gemerkt, alle haben gelacht» – gewann Grauwiller durch den Theaterunterricht am Gymnasium Liestal definitiv die Lust am Schauspiel. Der habe sie sehr geprägt, sagt sie, und die eine Inszenierung von Arthur Millers «Hexenjagd» am Theater Basel: Sie sei hin und weg gewesen.
Aber Schauspielerin als Berufswunsch? «Eher nicht.» Auf der Berufsberatung habe es noch geheissen, Physiotherapeutin sei der geeignete Job für sie. «Doch nur weil ich Sport und Bewegung mochte? Nein, das war nichts.» Bis ihr Vater eingriff und fragte, was sie denn gern mache: «Schauspielern, sagte ich.» Von da an ging alles schnell: Vorsprechen an der Berliner Akademie der Künste, Aufnahme gleich beim ersten Versuch.
Doch schnell kam die Krise. Die Unterrichtsmethodik war hart, «man fand offenbar, dass man einen Menschen erst zerstören musste, damit er sich neu aufbaut», sagt Grauwiller. Sie hielt das nicht aus. Kein Jahr war verstrichen, da wollte sie nur noch eins: nach Hause. Ins Baselbiet. Doch wieder schritt Vater Grauwiller ein: Er habe die Miete in Berlin bereits für ein volles Jahr bezahlt, sie solle doch bleiben, er würde sein Geld nicht zurückkriegen.
...und von der Bühne zum Film
Grauwiller blieb. Plötzlich fand sie wieder Gefallen an der Schauspielerei und kam kurz vor ihrer schriftlichen Abschlussarbeit zum Film. «Ich stand vor der Wahl: Filmschauspielerin oder eine trockene Theoriearbeit zum Theater verfassen.» Sie entschied sich für den Film: «Ich spiele eben lieber, als dass ich schreibe.»
Gleichzeitig sang sie mit Schauspiel-Kollegin Jasmin Tabatabai in der Berliner Frauen-Combo «Even Cowgirls Get The Blues». Über 100 Auftritte konnten die Damen verzeichnen und so begegnete Grauwiller das erste Mal «Volksstimme»-Redaktor Daniel Aenishänslin, damals eigens nach München gereist, um -Grauwiller nach einem «Cowgirls»-Konzert zu interviewen. Der hatte allerdings kein Aufnahmegerät und sie hatte kaum Zeit, also lud Aenishänslin Grauwiller zur Heimfahrt nach Basel ein und wollte das Interview im Auto führen, dazu das Wichtigste im Kopf behalten – mit dem Resultat allerdings, dass die beiden via Road-Trip ohne Strassenkarte durch Österreich, Italien und Liechtenstein schliesslich nach Zürich fanden. Keiner merkte, auf welchen Abwegen sie sich befanden.
Film und Familie
Grauwiller verlegte nach zehn Jahren Leben in Deutschland ihren Wohnsitz wieder in die Schweiz. Seit 2000 lebt sie in Liestal und kümmert sich vor allem um die Familie. Deshalb steht ihr der Sinn eher nach heimischen Produktionen – der Familie wegen, schliesslich will sie Kinder, Ehemann und Schauspielerei unter einen Hut bringen. «Das ist das Schöne an meiner Arbeit: Sie macht mir total Spass. Natürlich ist mir bewusst, dass dieses Privileg nur wenige haben», sagt Grauwiller und fügt augenzwinkernd an: «Den ‹Handyman› hab ich quasi aus Freude gemacht.»
Nie spielen hingegen würde sie eine Rolle, bei der das Drehbuch bereits schlecht sei. Als sie einst der deutsche TV-Sender RTL anfragte, ob sie in einer Produktion mitspielen wollte, erschien ihr bereits der Titel absurd und die Story war noch bizarrer: Sie sollte sich als verzweifelte Ehefrau von ihrem Mann ein Kind zeugen lassen. Grauwiller lehnte ab.
Wie es denn um den Schönheitswahn im Film-Business stehe, wollte Daniel Aenishänslin noch wissen: «Schliesslich ist ‹Handyman› kein Film, der zimperlich mit Klischees umgeht.» Grauwiller lacht charmant und sagt: «Vor 15 Jahren hat mir eine Agentin gesagt, ich soll meine Karriere schnellstmöglich vorwärts bringen, nach 30 geht nichts mehr. Und jetzt bin ich 35 und die Rollen werden immer spannender.»
Volksstimme Nr. 34 / 2006