Filippo Leutenegger
CEO der Jean-Frey AG und Nationalrat
Filippo Leutenegger – Streitbar, gesellig und ein begeisterter Schweizer
Ein steuerfreies Jahr, ein geschlagener Pater und unfaire Journalisten. Filippo Leutenegger, Neonationalrat der FDP und CEO des Jean Frey Verlags, war zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé. Es war ein spannender Abend.
los. Was im Fernsehen noch nie so aufgefallen ist: Diese Hände! Was hat dieser Filippo Leutenegger für Pranken. Mit solchen Händen könnte man in der Tundra locker eine Fallgrube ausheben und den gefangenen Bären mit baren Händen erwürgen. Unglaublich, diese Hände.
Es ist das einzige Detail an Filippo Leutenegger, das an diesem Abend nicht stimmig ist. Piekfein angezogen und frisiert, wohltemperierte Stimme, eine sehr gute Ausdrucksweise und eine ziemlich einnehmende Aura. Und wenn man es genau nimmt, passen die Hände halt trotzdem. Sie verleihen dem edlen Aussehen und Gebaren etwas Bodenständiges, Erdiges.
Man kann sich den jungen Filippo gut in Kaiseraugst vorstellen; wie er mit langem Haar gegen das geplante Atomkraftwerk protestiert. Er sei heute noch stolz auf den damaligen Erfolg, sagt Leutenegger auf die Frage von «Volksstimme»-Chefredaktor Rolf Wirz. Und gegen Atomenergie sei er immer noch. Ansonsten hat sich Leuteneggers Gesinnung im Laufe der Jahre ziemlich geändert. Der ehemalige Mitgründer der linken Wochenzeitung «WoZ» sitzt seit vergangenem Herbst für die Freisinnigen im Nationalrat. Er selber sieht zwischen den beiden politischen Gesinnungen gar keine so grossen Unterschiede: «In der Uni wollten wir Krusten aufbrechen. Das will ich heute immer noch, nur ist halt die Linke jetzt verkrustet.» Er schaut ins Publikum.
Schwärmender Nationalrat
Während des Abends im Nachtcafé geht es vor allem um zwei Bereiche in Leuteneggers Leben: Filippo der Nationalrat und Filippo der Fernsehmann. Die Begeisterung für seinen neuen Beruf ist ihm anzusehen. «Ich bin ein begeisterter Schweizer geworden», sagt Leutenegger. Die Schweizer seien regeltreu und haben trotzdem nicht gerne Chefs – ihm gefalle das. Auch für das Schweizer Politsystem schwärmt Leutenegger. Auch wenn im Moment nicht alles zum Besten bestellt sei.
«Wir haben ein ernsthaftes Führungsproblem im Bundesrat. Es herrscht Jekami.» Der Staat habe jetzt schon zu viele Aufgaben. Darum liegt Leutenegger die Abstimmung über die Mutterschaftsversicherung so am Herzen. Die sei richtungsweisend. «Ich glaube an Eigenverantwortung und nicht an die staatliche Gerechtigkeit.»
Was er mache, mache er gerne. Sagt Leutenegger. Und meint damit auch seine 21 Jahre beim Schweizer Fernsehen DRS, wo er unter anderem die Diskussionssendung Arena erfand und leitete und Chefredaktor war. Seine Wahrnehmung beim Fernsehschauen hat sich nicht geändert: «Ich schaue heute nicht anders fern. Nur weniger.» Seine Arbeit beim Fernsehen habe auch sein Bild der Schweiz nachhaltig geändert; noch heute werde er im Zug von Leuten angesprochen. «Ich habe das gern. Ich bin ein geselliger Mensch.»
Filippo Leutenegger hat nicht nur die Sonnen-, sondern auch die Schattenseiten des Journalismus kennen gelernt. Nach seinem turbulenten Rücktritt als Chefredaktor von SF DRS, ergoss sich die Boulevard-Häme über Leutenegger, was ihm zwar selber nicht viel ausmachte, für seine Familie aber alles andere als angenehm gewesen sei.
Das gleiche im Jahr 2001, als er wegen grossen Investitionen an seinem Haus auf ein negatives Einkommen kam und darum keine Steuern zahlen musste. «Ich habe dem Tagesanzeiger ein Interview gegeben, wo ich die Umstände schilderte. Es ist nie erschienen. Die Redaktion hatte das Interview prüfen lassen, die Angaben für richtig befunden und es darum nicht gedruckt. Sie sagten es sei keine Geschichte im journalistischen Sinne...» Und als Negativbeispiel Nummer drei eine ominöse Ohrfeige, die er während seiner Schulzeit einem Pater verpasst haben soll und schon lange durch die Medien geistert. Eine Ente.
Der Journalismus nehme seine Verantwortung nicht wahr, befand Leutenegger. «Viele Journalisten wissen nicht, was passieren kann, wenn sie jemanden verbraten. Ich kenne Leute mit Traumata.» Dann hält er kurz inne, lächelt und sagt: «Aber solange mein Name richtig geschrieben ist, ist alles halb so schlimm.» Wenn es weiter nichts ist... Filippo Leutenegger.
Volksstimme Nr. 50 / 2004