Toni Vescoli
Sänger und Musiker
Sein ganzes Leben lang machte er Musik, und auch mit 70 steht Toni Vescoli noch auf der Bühne. Im «Volksstimme»-Nachtcafé sprach der Sänger und Gitarrist über Karriere, Starkult, Pingu und Adrenalin.
bas. Ende der 1960er-Jahre stürmte er die Hitparade gemeinsam mit seiner Band «Les Sauterelles». Sein Leben lang machte er Musik, ist seit Jahrzehnten berühmt und eigentlich ein Star – doch Starallüren sucht man bei Toni Vescoli vergeblich. Am vergangenen Donnerstag war der 70-Jährige zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé in der Oberen Fabrik in Sissach. Eine sympathische Erscheinung in Jeans und Sweatshirt und langem, ergrautem Haar – wie ein Star sah er nicht aus, eher wie der nette Alt-Hippie von nebenan.
Vescoli und seine Mannen sind nach einem Unterbruch von 23 Jahren zwar bereits seit 1993 wieder als «Les Sauterelles» unterwegs, doch haben sie erst diesen Frühling nach 45 Jahren ein neues Album herausgegeben. «Ich wurde dazu gedrängt», sagte Vescoli im Talk mit Nachtcafé-Gastgeber Robert Bösiger. Er habe nicht geglaubt, «dass die Leute auf uns gewartet haben». Doch er sollte sich täuschen. Die Resonanz auf die im Eigenvertrieb erschienene Platte – Vescoli verschickt sie eigenhändig oder bringt sie in ausgewählten Läden vorbei – sei gut. Und stellte bei den Konzerten klar: «Bei uns geht die Post ab. Wir sind nicht einfach eine Rentnerband.»
Mit 16 die erste Gitarre
Die musikalische Karriere des Toni Vescoli begann, als er mit 16 anfing, Gitarre zu spielen. «Das Geld für mein erstes Mikro habe ich mir an der Fasnacht verdient», erinnert er sich. 1962 gründete er «Les Sauterelles», mit denen er die Hitparaden stürmte und unter anderem sogar mit den «Beatles» verglichen wurde. Etwas später war Vescoli einer der Ersten, die Texte in Mundart sangen.
In den Jahren 1966 und 1967 war die Band als erste westliche Musikformation auf Tournee in der damaligen Tschechoslowakei, füllte grosse Konzerthallen und musste sich vor den Fanmassen in Sicherheit bringen. «Diesen Starkult kannten wir in der Schweiz nicht, hier konnten wir uns immer mit dem Publikum unterhalten», so Vescoli.
Die Auflösung der «Sauterelles», die Toni Vescoli per Todesanzeige in einer Zeitung bekannt gab, geschah vor allem aus ökonomischen Gründen – «der Betreibungsbeamte war ein häufiger Gast bei uns». Es sei eine harte Zeit gewesen, doch «du kannst aus dem grössten Scherbenhaufen immer noch ein Mosaik machen».
Eingefleischte Fans
Danach ging Vescoli musikalisch eigene Wege, arbeitete auch ein paar Jahre beim Fernsehen und als Möbelrestaurator und produzierte insgesamt 24 Platten für Kinder – darunter von Pingu, die sich millionenfach verkauften. In Austin, Texas, spielte er zwei Musik-Alben ein, ein drittes soll folgen.
«Vermutlich ist es die Adrenalinsucht», sagte Vescoli auf Bösigers Frage, weshalb er auch mit 70 noch auf der Bühne stehe. «Wenn ich zurücklehnen würde, würde ich glaub krank», sagte der konsequente Verfechter von «handgemachter Musik». Mühe bekundete er sowohl mit «Maschinenmusik» als auch mit Fernsehshows für neue Popstars. Dieser Hype sei brutal – das sei nur Kohlemachen und keine Jugendförderung, betonte er: «Du musst nicht schauen, wie berühmt du wirst, sondern dass du gut bist.» Bob Dylan jedenfalls, zeigte er sich überzeugt, wäre bei diesen Formaten nicht mal durchs Casting gekommen.
Zum Schluss der Gesprächsrunde kam das Publikum in den Genuss eines Minikonzerts: Vescoli packte die Mundharmonika aus, hängte sich die Gitarre um und sang drei Lieder aus seinem reichen Fundus in Deutsch und Englisch. Und dann, als die Zugabe gespielt war und sich eine Traube von teils treuen, eingefleischten Fans um Toni Vescoli bildete, um eine CD zu kaufen, ein Autogramm abzuholen oder ein Erinnerungsfoto schiessen zu lassen, zeigte sich: Toni Vescoli ist eben doch irgendwie ein Star.
Bilder zum Nachtcafé mit Toni Vescoli finden Sie in unserer Galerie auf www.volksstimme.ch
Volksstimme Nr. 76 / 2013