Roland Herrmann
Schauspieler
Roland Herrmann zu Gast im Nachtcafé der «Volksstimme»: Vom scheuen Engel zum rüpelnden Kellner
Im Schweizer Fernsehen gibt es noch zwei hausgemachte Serien. Roland Herrmann spielt in beiden mit: als rechtsextremer Leutnant in «Lüthi und Blanc» und als unverwechselbarer Kellner Kurt Meier in «Café Bâle». Am Donnerstag war er zu Gast im Nachtcafé der «Volksstimme».
los. Dann und wann erschreckt sich Roland Herrmann selbst: Als er den ersten Take in der Rolle des rechtsextremen Leutnants Nyffenegger in der Serie «Lüthi und Blanc» abgedreht hatte, musste er sich bei seinem Drehpartner entschuldigen: «All die Ungeheuerlichkeiten, die ich ihm an den Kopf geworfen hatte; er tat mir so Leid», sagte der Basler Schauspieler mit Baselbieter Wurzeln im Nachtcafé der «Volksstimme».
Herrmann hat nur indirekt Erfahrungen gesammelt, die ihm für diese Rolle behilflich gewesen wären. Auf die Frage von «Volksstimme»-Chefredaktor Rolf Wirz, ob er Militär mache, meinte der Schauspieler nur: «Ich war Soldat und kurze Zeit Gefreiter — bevor ich dann ausgetreten bin.» Allerdings habe er einmal einen Korporal erlebt, der Züge der Nyffenegger-Rolle getragen habe. Herrmann ist es wichtig, den rechtsextremen Leutnant so authentisch wie möglich zu spielen: Nur so könne man Emotionen auslösen und das Problem Rassismus den Leuten näher bringen. Den Weg zur grösstmöglichen Authentizität beschreibt Herrmann so: «Im Moment des Drehs muss man glauben, was man sagt. Man muss sich einfach reinfallen lassen.»
Der scheue Reigoldswiler
Den Mut, so in einer Rolle aufzugehen, hatte Herrmann nicht von Kindesbeinen an. Aufgewachsen in Reigoldswil hätte er zwar die Möglichkeit gehabt in der Schule ein wenig Theater zu spielen; ihm fehlte aber die Courage. Ein Lehrer wollte den zwölfjährigen Roland Herrmann als lustigen Till Eulenspiegel besetzen, er sagte zuerst zu, rief dann den Lehrer wieder an, um einen Rückzieher zu machen. Nur einmal sei er während der Primarschule auf der Bühne gestanden: Als Engel in einem Krippenspiel. «Ich musste aber nur einen Satz aufsagen.»
Der Berufswunsch Schauspieler sei trotzdem in ihm gekeimt. Die Chance zur direkten Ausbildung blieb ihm aber verwehrt. «In Reigoldswil gab es genau einen Schauspieler und der war arbeitslos.» Seine Eltern taxierten die Schauspielerei als brotlose Kunst und legten ihm einen «anständigen» Beruf nahe.
Während zwei Jahren machte er eine Lehre zum Kellner, arbeitete danach einige Monate in Bern und «dann hatte ich es gesehen.» Er gab das Kellnern auf und besuchte eine Schauspielschule.
«Du bisch e glatte Siech»
Dass er so schnell wieder zum Kellnern zurückkehren würde, hätte er wohl nicht gedacht. 1996 wurde er nach diversen anderen Engagements von Paul Burkhalter, dem Produzenten von «Café Bâle» zu einem Casting eingeladen. «Mach mir einen Rüpel-Kellner», wurde von Herrmann verlangt, der keine Ahnung hatte für welche Rolle er vorsprechen musste.
Er machte den Rüpel-Kellner, er machte ihn gut und der Rest ist beinahe schon eine Legende. Seit 1996 ist Roland Herrmann in «Café Bâle» als rüpelnder und polternder Kurt Meier zu sehen. Das hat auch Auswirkungen auf sein Privatleben. Nicht selten komme es vor, dass er von fremden Menschen auf der Strasse einen Klaps auf die Schulter bekomme und dann höre: «Hey Kurt, du bisch e glatte Siech. Mach witer eso.»
Am Anfang hätten ihm diese Zutraulichkeiten Mühe bereitet, mit der Zeit habe er sich aber darauf einstellen können: «Das einzige Problem ist, dass ich nicht mehr weiss, ob mich eine Frau wegen mir oder 'Café Bâle' anspricht», scherzte der Schauspieler.
Privileg und Knochenjob
Roland Herrmann ist sich im Klaren, dass die Rolle «Kurt Meier» ein Privileg ist. Er hat als freischaffender Schauspieler ein geregeltes Einkommen und trotzdem noch genügend Musse für andere Projekte. Wer aber denkt, es sei gar nicht so schwierig alle 14 Tage den lustigen Meier zu spielen, irrt: «Das ist ein Knochenjob und während des Drehs ein unglaublicher Stress.» Nur allein das Auswendiglernen der Texte ist eine riesige Arbeit. Vor dem Dreh erhält er am Montag gegen Mittag seinen Text und hat danach knapp 30 Stunden Zeit, um 20 Szenen oder mehr auswendig zu lernen.
Spass macht ihm seine Arbeit trotzdem: «Kurt Meier ist eine extrem spannende Rolle, die mir erlaubt verschiedenste Facetten auszuleben.» Daneben lässt sie ihm aber auch noch Zeit, um sich anderen Projekten zu widmen. Mit der Basler Schauspielerin Claudia Federspiel hat er das Solo-Projekt «fadenlos» in Planung und in Kürze wird er im Musical «Stärnestaub» auf der Bühne zu sehen sein.
Volksstimme Nr. 125 / 2002