Michael von der Heide
Sänger
«Viele meiner Träume sind erfüllt»
Einen Abend mit viel Spontaneität, Wortwitz und Schlagfertigkeit hat Chansonnier Michael von der Heide am Donnerstagabend im «Volksstimme»-Nachtcafé in der Oberen Fabrik in Sissach im Gespräch mit Moderator Robert Bösiger geboten.
Er zeigt sich im wahrsten Sinn des Wortes sehr beweglich, der bald 48-jährige Chansonnier Michael von der Heide: Dies nicht nur, indem er schnell, mit viel Wortwitz und Schlagfertigkeit auf praktische jede Frage eine humorvolle Antwort weiss, er zeigt mit dem Strecken eines seiner Beine gen Himmel auch, wie gelenkig er ist. Thematisch dreht sich das Gespräch mit Moderator Robert Bösiger um seine Erfahrungen mit dem «Eurovision Song Contest» (ESC) oder – wie er früher hiess – mit dem «Grand Prix d’Eurovision de la Chanson», aber auch um seine Karriere, seine von ihm geliebten Sängerdiven sowie um aktuelle Pläne und künftige Projekte.
Vor fast auf den Tag genau acht Jahren nahm von der Heide für die Schweiz am ESC in Oslo teil. Mit dem Lied «Il pleure de l’or» trat er im zweiten Halbfinale an, erhielt aber die geringste Punktzahl und scheiterte damit am Einzug in die Endaustragung. Die Single erreichte aber in der Schweizer Hitparade vordere Plätze und es ergaben sich daraus auch gute Kontakte in die Branche und einige Auftritte im Ausland. Gegen die herabwürdigende Berichterstattung in der Boulevardpresse setzte sich der Chansonnier erfolgreich gerichtlich zur Wehr.
So hat das ehemalige ESC-Jurymitglied der Schweiz reichlich Erfahrung mit dem «Eurovision Song Contest», gilt fast schon als dessen Experte und war deshalb auch vom Scheitern des Schweizer Geschwisterpaars Zibbz’ im diesjährigen Wettbewerb nicht weiter überrascht: «Ich hab schon gedacht, dass sie nicht weiterkommen.»
Geprägt hat der ESC den kleinen Michael schon früh: «Frisch gebadet und hübsch gekämmt», so war zu erfahren, sei er «schon in jungen Jahren» mit der Familie vor dem Fernseher gesessen und habe sich den Auftritt von Paola del Medico angesehen. Seitdem schwärmt er nicht nur für Paola, ist inzwischen mit ihr gut befreundet und hat ihr auch schon ein ganzes Programm gewidmet, sondern er liebt seither auch starke, mutige Gesangsdiven wie Edith Piaf, Hildegard Knef oder Nina Hagen.
Nur schöne Erinnerungen
An seinen persönlichen Auftritt beim ESC habe er «nur schöne Erinnerungen», und vor allem habe ihm an früheren Austragungen gefallen, dass man damals noch in Landessprachen wie Hebräisch oder Finnisch gesungen habe. «Heute sind die meisten Auftritte in Englisch, das macht das Ganze eintöniger», erklärt von der Heide.
Zur Musik und zum Chanson sei er schon früh gekommen, obwohl er «in einem einfachen Haushalt» aufgewachsen sei und zuerst den Beruf des Krankenpflegers erlernt habe. «Ich habe gesungen, ich bin in Klubs aufgetreten und ich habe mich für Gesangswettbewerbe interessiert», erklärt Michael von der Heide. «Ich war fleissig, unerbittlich und wollte unbedingt etwas mit Chansons oder Musik machen.» Heute trete er viel in Shows oder Revuen auf, wie zum Beispiel im Herbst wieder als Entertainer im Musical «Cabaret» in Zürich, im kommenden Februar zusammen mit Sängerin Noëmi Nadelmann in einer Oper am Theater Basel oder einen Monat später mit der Basler Sängerin Nubya in einem «Diven Mix». Zudem gehe er wieder mit Christoph Marthalers Inszenierung «King Size» auf Tournee und habe auch einige Auftritte im Ausland, wie zum Beispiel einen Chanson-Abend mit spanischen Liedern in Santiago de Chile.
Tausendsassa in Sachen Musik
«Viele meiner Träume», betont der Chansonnier schelmisch und mit einem Augenzwinkern, «sind bisher für mich in Erfüllung gegangen: Ich habe rund ein Dutzend Platten aufgenommen, ich war am ESC und manchmal verdiene ich mit meiner Musik sogar etwas Geld. Zwar sind es vielleicht nur Urheberrechtsgebühren, die reinkommen – aber immerhin!»
Während seiner langen Karriere habe er auch gelernt, mit negativer Kritik umzugehen, sie ins Positive umzumünzen und seine Vielseitigkeit auch als seine Stärke zu sehen: «Mich hat immer vieles interessiert, ich habe oft viel Neues angepackt und das kommt mir heute zugute.» So wundert es wenig, dass der Tausendsassa in Sachen Musik bald einmal eine Platte im Bereich des Jazz herausbringen möchte und hierfür auch schon ganz konkrete Pläne hat.
Volksstimme Nr. 57 / 2018