Nachtcafé vom 19.04.2010   Liste aller Gäste       

Bettina Oberli
Regisseurin 

Bettina Oberli Im «Volksstimme»-Nachtcafé sprach die derzeit erfolgreichste Schweizer Filmregisseurin Bettina Oberli über Erfolg, neue Projekte und die Rolle der Frau beim Schweizer Film.

Seit Rolf Lyssys Erfolgsstreifen «Die Schweizermacher» vor 32 Jahren hat kein Schweizer Film mehr so viele Leute in die Kinos gelockt wie «Die Herbstzeitlosen». «Einen solchen Erfolg kann man nicht planen», hielt Filmregisseurin Bettina Oberli am Donnerstagabend im «Volksstimme»-Nachtcafé fest.
Sie erzählte, wie der unerwartete Erfolg des Films «ausser Kontrolle geraten» sei: Der Film lief weltweit gut. Auch in England oder Südamerika strömten die Menschen ins Kino, um die Geschichte über die vier alten Frauen im Emmental zu sehen, und in Japan sei Stephanie Glaser mittlerweile ein Star.
Wie die 37-jährige Regisseurin dem Publikum in der Oberen Fabrik verriet, arbeitet sie derzeit an einem neuen Film: an einer schweizerisch-deutschen Koproduktion, einer Mutter-Sohn-Geschichte, erneut mit Stephanie Glaser in der Hauptrolle. Daneben hat sie zwei weitere Spielfilmprojekte sowie einen Dokumentarfilm am Laufen. Talkmaster Robert Bösiger wollte von ihr wissen, wie ihr Verhältnis zur 90-jährigen Schauspielerin sei: Glaser sei eine gute Freundin geworden, so Oberli.

Komödien und Tragödien
Oberli mag es, vielseitig zu arbeiten. So brachte sie nach den unbeschwerten «Herbstzeitlosen» im vergangenen Jahr mit «Tannöd» einen überaus tragischen und düsteren Film auf die Leinwand. Allerdings sei es so, dass das Publikum eher bereit sei, «für seichte Filme ins Kino zu gehen». Ihre Arbeit an sich sei immer die Gleiche, egal ob Drama oder Komödie, hielt sie allerdings fest.
Machen Frauen andere Filme als Männer? Ja, sagte Oberli, die «weibliche Perspektive» sei einem Film oft anzusehen. Während die Männer die Actionstreifen und «grossen Kisten» in Hollywood fest in ihren Händen hielten, lieferten Frauen eher psychologische oder Familienfilme.
Apropos Familie: privates und berufliches trennt die Berner Oberländerin strikt. In den Medien rede sie gerne über ihre Arbeit, sagte sie, aber einer Homestory habe sie noch nie zugestimmt.
Als Regisseurin begleitet Oberli einen Film von Anfang bis Schluss. Sie entscheidet auch bei der Wahl der Schauspieler mit. «Ich weiss schon beim Schreiben eines Drehbuchs, mit wem ich eine Rolle besetzen will», sagte sie. Die Arbeit an einem Langspielfilm dauere von der ersten Idee bis zur Premiere etwa vier Jahre –, «wenn es gut läuft». Davon benötigt die eigentliche Drehzeit nur sechs bis acht Wochen.
Die Regisseurin – Oberli spricht lieber von «Filmemacherin» – absolvierte eine fünfjährige Ausbildung an der Hochschule für Künste in Zürich. Ein bisschen «ellbögeln» müsse man schon im Filmgeschäft, denn es habe nicht viel Platz, doch: «Man ist immer so gut wie der letzte Film, den man machte.» Erschwerend kommt in der Branche dazu, dass Filme sehr teuer sind. Auch in der Schweiz, wo vergleichsweise günstig produziert wird, kostet ein Film in etwa so viel wie ein Einfamilienhaus.

Barbara Saladin

Volksstimme Nr. 44 / 2010