Anita Fetz
SP-Ständerätin Basel-Stadt
«Ich habe Streit gar nicht ungern»
Im «Volksstimme»-Nachtcafé erzählte die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz, wie sie in der Schule fürs Hosentragen kämpfte, warum sie einmal von Helmut Hubacher geohrfeigt wurde und warum die Schweizer einen Zaubertrank benötigen.
pm. Stiefel, Hosen und Schal sind so schwarz wie ihr Haarschopf, auf den sie, ganz pragmatisch, ihre Brille geschoben hat und die goldene Damenuhr trägt sie über dem Ärmel ihres dunkelblauen Pullovers. Das Mikrofon hält Anita Fetz lässig in der Hand und oft reckt sie ihr Kinn in die Höhe, als ob ihr das Studium der Decke in der «Bar Etage» der Oberen Fabrik helfen würde, die Fragen von «Volksstimme»-Verlagsleiter Robert Bösiger zu beantworten.
Im «Volksstimme»-Nachtcafé vom vergangenen Donnerstag beweist die Basler SP-Ständerätin eindrücklich, dass sie eine geübte Rednerin ist. Kein Wunder, politisiert die 53-Jährige doch schon seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert. Die Initialzündung dafür war der geplante AKW-Bau in Kaiseraugst, gegen den die damals 18-Jährige im April 1975 vor Ort rebellierte.
Politisches Bauchgefühl
«Ich fand das bodenlos ungerecht: Wir Jungen wollten kein AKW und die dachten, sie können uns das einfach vor die Nase setzen. Da bin ich gleich losmarschiert», begründet Fetz. Dieses «Bauchgefühl» habe sie seither nie mehr verlassen: «Ich konnte nicht mehr aufhören, politisch zu denken.»
Doch eigentlich hatte es ein noch früheres Schlüsselerlebnis gegeben: Die 13-jährige Anita und ihre beiden Schwestern waren gar nicht begeistert, als sie mit ihren Eltern von Basel nach Münchenstein zügeln mussten. Die grosse Überraschung kam in der Schule, in der Fetz am ersten Tag in aller Selbstverständlichkeit in Hosen einmarschierte – und prompt wieder nach Hause geschickt wurde, um sich angemessen zu kleiden.
Schon bald darauf scharte Fetz die Mädchen um sich und motivierte sie dazu, am nächsten Tag alle in Hosen zu erscheinen. Der Coup gelang – und trug ihr als Rädelsführerin einen rektoralen Rüffel ein. «Das war meine erste Demo» erinnert sich Fetz stolz.
Die feministische Revoluzzerin in ihr kam auch 1980 zum Vorschein: Fetz wollte partout nicht akzeptieren, dass auf dem 1.-Mai-Podium keine Frauen zugelassen waren. Sie schlug alle Warnungen in den Wind und überzeugte Mitstreiterinnen, mit ihr zusammen das Podium zu stürmen.
Die Ohrfeige des Doyens
Auch diese Aktion gelang, trug ihr allerdings eine Ohrfeige des heutigen SP-Doyens Helmut Hubacher ein. Die Abwehrreaktion – ein Schlag mit dem Ellbogen in Hubachers Brustbereich – misslang ihr jedoch: «Er ist ja einiges grösser als ich», so Fetz. Doch der handfeste Disput sei längst vergeben. «Überhaupt finde ich, dass sich die Menschen im Streit oft näherkommen. Ich habe das gar nicht ungern», sagt Fetz.
Der Anekdoten waren viele – auch neueren Datums. Zum Beispiel der kürzliche Besuch beim inzwischen abgetretenen deutschen SP-Finanzminister Peer Steinbrück. Nachdem der Wortgewaltige dem Schweizer Finanzplatz mit der Kavallerie gedroht hatte, konnten Fetz und FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin über parlamentarische Beziehungen eine persönliche Unterredung organisieren.
«Dieser direkte Kontakt zwischen Genossin und Genosse war total gut», erzählte Fetz. Sie habe Steinbrück klargemacht, dass er mit seinen aggressiven Sprüchen nur die konservativen Kräfte in der Schweiz stärke. Dieser habe sie zunächst «ganz gekreuzelt» angeguckt, dann aber ein Einsehen gehabt. Danach sei er vor die Medien getreten und habe gesagt, er könne «nicht ausschliessen, den Mund zu weit aufgemacht zu haben». Fetz erzählts, Steinbrück nachäffend, mit gespielt tiefer Stimme.
In Anlehnung an eine Umfrage des Nachrichtenmagazins «Facts» in den 90er-Jahren fragte Bösiger, für was die Politikerin Fetz eine Million Franken einsetzen würde. «Mit einer Million lässt sich politisch nicht viel machen», findet sie. Hätte sie hingegen eine Milliarde zur Verfügung, würde sie diese in die Chancengleichheit der Kinder investieren. Und ganz generell würde sie gerne einmal im Monat allen Schweizern einen Zaubertrank ausschenken: «Einen, der ihnen Selbstbewusstsein gibt, damit sie offener, toleranter und fröhlicher werde.»
Volksstimme Nr. 10 / 2010