Nachtcafé vom 04.04.2002   Liste aller Gäste       

Rolf Järmann
Radrennfahrer 

Rolf Järmann Ex-Radprofi Rolf Järmann kam — ohne Velo — ins «Volksstimme»-Nachtcafé: «Sitzen und treten, das kann jeder»
Vor etwas mehr als zwei Jahren beendete der erfolgreiche Schweizer Radprofi Rolf Järmann seine Karriere. Heute rührt er sein ehemaliges «Arbeitsinstrument» kaum noch an. Am vergangenen Donnerstag plauderte er im «Volksstimme»-Nachtcafé über seine Siege, Niederlagen und über seine Dopingsünden.

rob. Langsam und unbeweglich sei er als Bub gewesen. Und so sei es im Grunde genommen erstaunlich, dass er es als «Antisportler» zu etwas gebracht habe. Rolf Järmann, ex-Radprofi mit einem eindrücklichen Palmares, zeigte sich am vergangenen Donnerstag als «Volksstimme»-Nachtcafé-Gast von seiner bescheidendsten Seite. Mit erstaunlicher Hartnäckigkeit schaffte es der 36-jährige Ostschweizer, sein Licht unter den Scheffel zu stellen.
Diese Hartnäckigkeit freilich — angereichert mit einer zünftigen Portion Talent — war es mutmasslich, die Järmann zu einem herausragenden Radprofi hat werden lassen. Auch wenn er, ganz Tiefstapler Järmann, dazu sagt: «Talent ist weniger wichtig. Denn sitzen und treten, das kann jeder.» Als «Sonntagskind» sei ihm die Profikarriere buchstäblich in den Schoss gefallen.
Über weite Strecken geriet das Gespräch zwischen «Volksstimme»-Redaktor Rolf Wirz und Namensvetter Järmann zu einem «Fachsimpeln». So erfuhr das Publikum etwa, dass der grosse Italiener Gianni Bugno ziemlich ärgern konnte, als er, Järmann, diesen 1993 im Sprint den Sieg beim renommierten Amstel-Goldrace wegschnappte. Und sie beide später in der gleichen Mannschaft und während zweier Jahre auch im selben Zimmer beisammen waren.
Etwas relativiert wurde die Mär von den Absprachen bei Rennen. Solche Absprachen habe er häufig erlebt, sagte Järmann. Aber nie, dass diese dann auch wie abgemacht eingehalten worden wären. Denn jener Fahrer, der zu verhandeln beginne, der sei zu wenig stark im Kopf — und habe deshalb eigentlich schon verloren. Ins ähnliche Kapitel gehöre das Jammern. Dieses, so Järmann, gehöre zum Radsport wie das Doping.
Apropos: Der «Nachtcafé»-Gast erregte nach seinem Rücktritt vom Profiradsport Ende 1999 grosses Aufsehen mit seinem zuerst in der NZZ und später in einem Buch erschienenen Eingeständnis, auf verbotene Doping-Substanzen gesetzt zu haben. Ein Sieg in der Tour-de-France ohne Doping ist gemäss seiner Einschätzung gar nicht möglich. Er selber sei sukzessive in die EPO-Abhängigkeit geschlittert. Järmann: «Wer zu wenig Leistung bringt, findet Ende Jahr keine Mannschaft. Also greift man zu verbotenen Mitteln.»
Als beste Prävention gegen das Doping bezeichnete er das öffentliche Gespräch darüber. Dank dem rigorosen Durchgreifen der Behörden und dem raschen Kontern der Wissenschaft bestehe heute wieder eine reelle Chance, ohne Doping auszukommen. Dennoch sei es eine Illusion zu glauben, es werde einmal Sport ohne Doping geben. Järmann: «Es wird es auch nie geben, dass alle ihre Steuern richtig bezahlen.» Rolf Järmann arbeitet heute beim Schweizerischen Olympischen Verband in Bern. Dort ist er verantwortlich für das Projekt ExpoGames.02. Während der Expo werden rund 70 Sportarten auf den verschiedenen Arteplages präsentiert. Diese Arbeit habe ihm den Horizont für andere Sportarten geöffnet, sagte er.
Auf ungläubiges Erstaunen im Kreise der anwesenden Hobby-Radfahrer stiess Järmanns Geständnis, er rühre das Velo seit seinem Abschied vom Profiradsport kaum mehr an. Während er früher jährlich rund 35000 Kilometer absolviert habe, komme er heute auf maximal 300 Kilometer: «Ich hasse nichts mehr, als auf dem Velo zu leiden.» Auch heute wäre er noch bereit, frühmorgens einen Riesenteller Spaghetti zu essen. Aber «wenn nur das Velofahren anschliessend nicht wäre...»
Abstinenz vom Radrennsport demonstrierte Järmann auf die Frage von Wirz, welche Fahrer er für die kommenden Klassiker und Rundfahrten favorisiere: «Da musst du jemanden fragen, der etwas von Radsport versteht!» Immerhin: Seinem früheren Trainingspartner und Freund Alex Zülle — ebenfalls ein Ostschweizer — würde er ein gutes Abschneiden sehr gönnen.
Dass Rolf Järmann die Vorzüge seiner Velos (er hat gemäss eigenen Aussagen noch genügend in seinem Keller) wieder neu schätzen lernt, ist nicht ganz ausgeschlossen. Er sei kürzlich Präsident eines Veloclubs geworden. Und in dieser Funktion dürften die 300 Kilometer jährlich ziemlich rasch wieder um das x-Fache anschwellen...

3 Tipps von Rolf Järmann
– Je härter der Sattel, desto weniger weh tut das «Füdli».
– Radfahrer sollten sowohl Bike als auch Rennvelo fahren, und womöglich noch andere Sportarten betreiben. Dies erweitert den Horizont und die sportlichen Fähigkeiten.
– Velofahrer sollten nie ganz am Strassenrand, sondern lieber etwas gegen die Mitte der Strasse fahren. Dies sei angesichts der Autofahrer, die dann richtig überholen müssen, sicherer.


Volksstimme Nr. 42 / 2002