Nachtcafé vom 04.12.2014 |
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Mit Beten alleine ist ein Kloster noch lange nicht geführt. Eindrücklich schilderte Abt Peter von Sury im «Volksstimme»-Nachtcafé, dass er als Vorsteher des Klosters Mariastein auch mit ganz Weltlichem wie Finanz- und Nachwuchsproblemen sowie dem Älterwerden zu kämpfen hat.
Warum er 1974 mit 24 Jahren ins Kloster ging, das frage er sich heute manchmal auch, sagte Peter von Sury und sorgte damit gleich zu Beginn des «Volksstimme»-Nachtcafés in der Oberen Fabrik für einen ersten Lacher. Rückblickend sei es schwierig zu sehen, was er sich damals gedacht habe: «Ich schreibe sehr wohl ein Tagebuch, aber ich lese es nicht», sagt der heutige Abt des Klosters Mariastein.
Dafür erzählt Abt Peter, auf welchem Weg er ins Kloster kam: Nämlich zu Fuss – auf einem vierzehnstündigen Marsch von seiner Heimatstadt Solothurn nach Mariastein. Als er dann gefragt habe, was er tun müsse, um einzutreten, sei die Antwort gewesen: «Komm nochmals vorbei.» Er hat es getan. Nach dem WK ging er abermals nach Mariastein, diesmal sei er jedoch von seinen Eltern gefahren worden. «Ich dachte, die Suche sei nun zu Ende und es komme Ruhe», sagt von Sury. Da habe er sich geirrt. Es sei nämlich eine Illusion, dass das Leben im Kloster frei von jeglicher Hektik sei, erklärt der Abt. Er selber habe etwa ein iPhone und ein «wahnsinnig ungutes Gefühl», wenn der Computer einmal für mehrere Tage ausfalle. Wohltuend sei dagegen das alte Gebäude, das gemeinsame Essen, bei dem nicht geredet werden darf, oder die fixen Gebetszeiten: «Wenn ich an einen Punkt komme, an dem ich merke, es geht nicht mehr, gehe ich jeweils in die Höhle, in der eine besondere Atmosphäre herrscht.»
Trotz fixem Tagesablauf, der sich durch Gebets- und Essenszeiten ergibt, sei der Klosteralltag immer wieder durch Unerwartetes geprägt. Das können auch kleine Details wie das Entdecken von neuen Bibelstellen sein: «Ich bin manchmal erstaunt, wie schlecht ich die Bibel kenne», sagt von Sury. Unerwartet sei auch der Besuch im Nachtcafé: «Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal nach Sissach komme. Da fährt man doch nur auf der Autobahn vorbei oder mit dem Zug.»
Gebetszeit verschoben
Täglich stellt Abt Peter von Sury seinen Wecker auf 5.57 Uhr, damit es gerade noch für die Morgennachrichten reiche. Meistens sei er jedoch schon früher wach, dann lese er auch die NZZ. Um 6.30 Uhr ist mit dem Morgengebet der erste Fixpunkt des Tages. Früher sei dies sogar schon um 5.30 Uhr gewesen. «Wir haben aber keine Kraft mehr, so früh zu beten», gesteht Abt Peter Gesprächsleiter Bobby Bösiger. Das Durchschnittsalter im Kloster liege bei 70 Jahren. Da müsse man sich auch eingestehen, dass man nicht mehr alles kann, sagt der 64-Jährige: «Ich halte nichts vom Spruch, dass man so alt sei, wie man sich fühlt.»
Aus demselben Grund habe er auch den «freien Montag» eingeführt, an dem es keine gemeinsamen Gebete mehr gibt. Diese Umstellungen hätten intern schon für Diskussionen gesorgt. Eine einfache Aufgabe sei es so oder so nicht, ein «Kloster-Manager» zu sein: Die Klosterregeln des heiligen Benedikts schreiben etwa vor, dass man jedem Mitbruder gerecht werden soll: «Ich muss mir bewusst sein, dass ich irgendwann einmal vor Gott Rechenschaft über meine Amtsführung ablegen muss.»
Keine Kirchensteuer
Das Kloster ist autonom und erhält keinen einzigen Rappen Kirchensteuer, klärt von Sury das Publikum weiter auf. Einnahmequellen gibt es nur wenige: Kollekten, Kerzenverkauf, der Lohn, wenn ein Bruder Religionsunterricht gibt, er selber sei zudem noch in einem Stiftungsrat. «Gott sei Dank gibt es auch Leute, die uns Spenden zukommen lassen», sagt von Sury. Das meiste Geld fliesse derzeit über die AHV, die ehemalige Lehrer erhalten. Wenn Mönche jedoch das ganze Leben lang Arbeit im Kloster geleistet haben, falle auch dies weg. «Es macht mir grosse Sorgen, wie die Finanzierung in Zukunft sein soll», sagt von Sury. Das Kloster hat derzeit um die 30 Personen auf der Lohnliste – mehr als Mönche. Er frage sich schon, ob diese Lebensform überhaupt noch eine Daseinsberechtigung habe.
Keine Illusionen macht er sich auch zu Nachwuchsfragen: Drei Viertel der heutigen religiösen Wohngemeinschaften in der Schweiz werde es in 20 Jahren nicht mehr geben, schätzt er. Die Zeiten, als 24-Jährige beim Kloster angeklopft haben, sind vorbei: «Dies muss nicht tragisch sein. Es entwickeln sich auch immer wieder neue religiöse Lebensformen. Oftmals ohne gross in der Öffentlichkeit zu erscheinen.» Skeptisch steht von Sury Freikirchen wie ICF gegenüber: «Sie können zwar mit ihrer Art junge Menschen begeistern, aber wenn jemand den Weg zu Gott wirklich finden will, ist dies kein Honigschlecken.»
Rückkehr als Papst?
Offen spricht von Sury auch über die Liebe: Das Klosterleben könne auch zu Mangelerscheinungen führen. Er sei sogar schon in eine Frau verliebt gewesen: «Das ist kein Problem. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht.» Auch die Tatsache, dass er nie Kinder haben kann, hätte ihm mit der Zeit zu schaffen gemacht: Seit
er nicht mehr Religionslehrer sei, würde ihm der Kontakt zu Jugendlichen fehlen. Wegfallen würden im nächsten Jahr auch die Firmungen, die er etwa in Gelterkinden oder Oberdorf gemacht habe, weil er am Sonntag im Kloster sein müsse: «Das ist etwas, was mir weh macht.»
So oder so gebe es keine Garantie, dass er auf dem richtigen Weg sei. Er habe aber nicht das Gefühl, dass es sinnlos sei, was er mache. Ambitionen, Papst zu werden, habe er zwar nicht. Wenn es aber geschehen solle, verspricht er, wieder in Sissach vorbeizukommen: «Jetzt freue ich mich jedoch in erster Linie auf die AHV.»