Walter Andreas Müller
Schauspieler
«Volksstimme»-Nachtcafé mit Schauspieler Walter Andreas Müller: «Mein Schnauz hat mich jahrelang behindert»
Er kennt Christoph Blocher wahrscheinlich besser als sich selber und Pascal Couchepin ist ihm einfach zu gross: Walter Andreas Müller – genannt WAM – war zu Gast im «Volksstimme»-Nachtcafé.
los. «Volksstimme»-Chefredaktor Robert Bösiger durfte für seine letzte Moderation des «Nachtcafés» das «Who’s who?» der Schweizer Politszene im KiK begrüssen. Alt Bundesrat Flavio Cotti machte seine Aufwartung, Christoph Blocher mitsamt seinem Intimfeind Jean Ziegler war da und die Bundesräte Moritz Leuenberger und Samuel Schmid wurden ebenfalls interviewt. Zu wenig Redezeit hatte keine der eitlen Gestalten und die Organisatoren brauchten auch nicht zusätzliche Hocker auf die Bühne zu stellen. Der Grund dafür hiess WAM.
Seit 15 Jahren parodiert Walter Andreas Müller die schillerndsten Figuren der Schweizer Politszene. Zu sehen in «Victors Spätprogramm» auf SFD RS, bei privaten Anlässen oder eben im KiK. In einer unglaublichen Geschwindigkeit wechselte der Schauspieler während des Talks seine Identitäten: Schob seine Brille nach vorne und machte umständliche Sätze wie Cotti, krempelte die Ärmel nach hinten wie Blocher oder erzählte einen Witz als distinguierte Frau Sarasin. Das Publikum lachte, klatschte und konnte sich kaum erholen – die Show von WAM war einfach zu gut.
Begonnen hat Müllers Karriere viel ernster. Gewissenhaft übte er als Schauspielschüler in Zürich Monologe und tat dies so gut, dass er für ein Engagement nach Deutschland durfte. Doch zuerst musste der Namen geändert werden: «Als Walter Müller hast du kein Chance, sagte der Direktor der Schauspielschule und empfahl mir dringend einen Künstlernamen zuzulegen.» Er habe tagelang an diesem Namen herumstudiert, bis ihm ein Cousin namens Andreas in den Sinn kam – WAM war geboren.»
Das war vor 30 Jahren und bis vor zwei Jahren sei das Leben mit diesem Künstlernamen ohne Probleme verlaufen. Bis Müller ein Haus kaufen wollte und ihn daraufhin eine Dame von der Gemeindeverwaltung anrief. Sie machte ihn darauf aufmerksam, dass auf den Verträgen für das Haus Walter Andreas Müller stünde und er doch in Wahrheit nur Walter Müller heisse. Die gleiche Dame war es auch, die ihn auf die Möglichkeit einer Namensänderung aufmerksam machte: «Es brauchte einige Formulare und 30 Franken und
seit eineinhalb Jahren heisse ich hochoffiziell Walter Andreas Müller.»
Dass Müller zum Theater wollte, war für ihn schon sehr früh klar. «Dreieinhalbjährig führten meine Cousine und ich den Puppenwagen herum und irritierten die vorbeigehenden Leute, indem wir Ehepaare verschiedener Nationalitäten parodierten.» Trotz seinem Hang zur Bühne erlernte Müller auf Wunsch seiner Eltern zuerst einen «seriösen» Beruf. In einem Musikgeschäft liess er sich zum Verlagskaufmann ausbilden, bevor er in die Zürcher Schauspielschule eintrat. Diverse Bühnenengagements folgten, bis er ab 1978 verschiedene Sketche am Fernsehen zeigte und somit zur nationalen Berühmtheit aufstieg. Man sprach von ihm als dem «neuen Mäni Weber» als er im gleichen Jahr die Quizsendung «Banko, ein Spiel um Sackgeld» moderierte.
Dabei stand er im direkten Duell mit Beni Thurnheer und seiner «Glückskugel». Gegen ihn hatte WAM keine Chance und seine Sendung wurde nach einem Jahr abgesetzt: «Ich kann nicht gut improvisieren, darum bin ich auch als Moderator nur bedingt geeignet.» Aus der «Glückskugel» wurde später der «Tellstar» und schliesslich das «Benissimo». «Wenn ich anno dazumal besser gewesen wäre, gäbe es heute ein WAMissimo», so Müller.
Dafür keine Blocher, Ziegler und Leuenberger in Victors Spätprogramm. Nachdem WAM jahrelang mit Ursula Schäppi das Ehepaar Chifler in der Sendung «Traumpaar» gespielt hatte, ermöglichte vor 15 Jahren eine körperliche Veränderung den Einstieg in Victor Giaccobos Sendung: WAM rasierte sich den Schnauz ab. «Es war unglaublich, als der Schnauz weg war, merkte ich, wie der mich jahrzehntelang behindert hatte. Jetzt konnte ich etwas mit meinem Gesicht anfangen.» Walter Andreas Müller, der Parodist war geboren.
Und damit auch seine Opfer, von denen sich niemand ausser Bundesrat Kaspar Villiger bei Müller beschwert haben. Auch nicht Christoph Blocher, die wohl am meisten parodierte Figur von WAM. Neben Blocher hat Müller natürlich noch die verschiedensten anderen Prominenten parodiert, aber auch ihm sind Grenzen gesetzt: «Einen Couchepin könnte ich nie nachmachen, dafür bin ich einfach zu klein.»
Volksstimme Nr. 70 / 2002