Augenschein vom 11.10.2004   Liste aller Augenscheine       

45 Grad für den wohl temperierten Motorenklang

45 Grad für den wohl temperierten Motorenklang «Born To Be Wild»: Fahrer des «Basel Chapter Switzerland», einem Harley-Davidson-Klub, unterwegs nach Aesch, zu ihrem Dealer, dem einzigen Harley-Händler in der Region Basel.
Fast wie bei «Easy Rider» wars beim letzten «Volksstimme»-Augenschein 2004. Harley-Davidson-Fahrer der «Basel Chapter Switzerland» ritten mit den Teilnehmenden zum Harley-«Dealer» nach Aesch.

gr. «Get your motor runnin’» – starte deinen Motor – so lautet die erste Zeile des «Steppen wolf»-Klassikers «Born To Be Wild». Seit Dennis Hoppers Roadmovie «Easy Rider» kennt den Song jedes Kind. Und vor dem inneren Auge tauchen un weigerlich Bilder von Motorrädern auf.
Und die tauchten am Dienstagabend auch vor der «Volksstimme» auf. 18 Harley-Davidson-Fahrerinnen und -Fahrer vom «Basel Chapter Switzerland». Das ist ein Verbund von Harley-Davidson-Angefressenen aus der Region.
Die Mitglieder des Chapters liessen es sich nicht nehmen, einen Zweirad-Taxidienst für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des «Volksstimme»-Augenscheins auf die Beine, beziehungsweise die Räder zu stellen. Die Reise ging nach Aesch, zur offiziellen Harley-Davidson-Vertretung in der Region Basel. Alle setzten ihre Helme auf, langsam, aber sicher entwickelte sich eine imposante Geräuschku lisse an der Hauptstrasse 33 – «Get your motors runnin’» eben.
«Head out on the highway» – raus auf die Autobahn – heisst es in «Born To Be Wild» weiter. Doch erst galt es, zwei Chapter-Mitglieder zu delegieren. Sie hatten kurz den Verkehr auf der Sissacher Hauptstrasse anzuhal ten, damit die ganze Motor- radbande ungehindert und am Stück auf die Strasse konnte.
Die Fahrt führte erst über Liestal ins hintere Frenkental. Beim «Bad Bubendorf» wird zurzeit rege gebaut, Schritttempo war für rund einen Kilometer angesagt. Dass das Image der Harley-Fahrer so schlecht nicht sein kann, bewies ein Verkehrs lotse auf der Hauensteinstrasse: Mit eleganter Handbewegung und Hofknicks wies er die Meute auf die richtige Spur. Ob es an der netten Dame lag, die den Tross angeführt hat?
Weitere Behinderungen wa ren auf der Fahrt keine zu ver zeich nen, ausser einem drei räd rigen Fahrzeug, Modell italie-nische Gelateria auf Rädern, das beängstigend langsam durch Bu bendorf tuckerte. Nach Ziefen gings hinauf durch die Hügel des Schwarzbubenlands über Seewen nach Hochwald und schliesslich über Dornach nach Aesch.
Dort führt seit 1998 Rich Ramjoué zusammen mit seiner Frau Rita die Harley Davidson Basel. Rich, der 1973 aus den USA in die Schweiz kam, hatte 1954 seine ersten Erfahrungen mit den Kult-Motorrädern ge macht. Und sie liessen ihn nie mehr los. Wer jetzt allerdings denkt, Rich hätte die vergangenen fünf Jahrzehnte ausschliess lich mit dem Schraubenschlüssel hantiert, ist auf dem Holzweg: Rich ist Molekularbiologe und hat diesen Beruf lange in einer Basler Chemiefirma ausgeübt.
Um die Teilnehmenden ins Bild zu setzen, worauf sie eigentlich mitgefahren sind, liess Rich die Geschichte der Harley Davidson Revue passieren. Und holte da zu noch etwas weiter aus: «Gott lieb Daimler muss als Vater des Motorrads gelten», sagte Rich. Denn Daimler konstruierte 1885 ein zweirädriges Gefährt mit Motorenantrieb. Doch erst die Erfindung des Vergasers hätte die Entwicklung von «richtigen» Motorrädern möglich gemacht, so Rich.
Und die fand Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in den USA statt. Unter anderem durch William S. Harley und Arthur Davidson. Ersterer war technischer Zeichner, Letzterer Werkzeugmacher, eine ideale Kombination also. Sie hätten erst Velos gebaut, dann ein Velo mit Motor. Rich zeigte anhand der wichtigsten Motorentypen die technische Entwicklung.
Revolutionär war der Schritt, als die Harley Davidson, die bis auf eine ganz kurze Phase im mer selbstständig war, ab 1979 ihre Motoren von Porsche herstellen liess. Seither sei aber die Zuverlässigkeit gestiegen, sagt Rich: «Davor hiess es, man müs se immer einen Schrauben schlüssel dabei haben.»
Porsche hin, Schraubenschlüssel her: die Zündkerzen stehen in einem Winkel von 45 Grad zueinander: «Das macht den typischen Sound von Harley Davidson aus», so Rich. Ob wohl Porsche seit zwei Jahren einen Motor mit einem 60-Grad-Winkel herstellt.
Der typische Harley-Sound ist für die einen wie Musik in den Ohren, für andere bedeutet er auch Ungutes: Seit den 50er-Jahren hätten Harley-Fahrer oft ein schlechtes Image. Ramjoué führte das auf den Film «Wild One» mit Marlon Brando zurück: «Einige in der Motorradgang fuhren aber auch Triumphs.»
Verbunden mit der Marke Harley Davidson ist auch ein spezielles Lebensgefühl: «Es ist ein Mythos, er kann in alle Bereiche des täglichen Lebens eingreifen.» Bestens nachzuvollziehen an Rich selber: «Alles was ich an Kleidern trage ist von Harley Davidson.» Er wünsche jedem, der so angefressen sei, einen verständnisvollen oder gleich angefressenen Partner.
Apropos Kleider – selbstver ständlich bietet die Harley Davidson Basel nicht nur die Maschinen und den Service an, sondern auch die ganze Palette an den dazugehörigen Accessoires. Und arbeitet eng mit dem «Basel Chapter» zusammen. Rich ist ihr Sponsor. «Dealer» nennen ihn die Chapter-Mitglieder. Im Ge genzug wirbt das Chapter für ihren «Dealer». «Harley Davidson ist wohl eine der Firmen, die am wenigsten für Werbung ausgibt», sagt Rich. Die Chapters sind übrigens alle einer übergeordneten Organisation, der «Harley Owner Group» (Harley-Besitzer-Gruppe) angeschlossen. Sie ist laut Rich die weltweit grösste Einzelorganisa tion mit rund 800000 Mitgliedern und eine eigentliche Marketingorganisation.
Für die lokalen Chapters geht es vor allem darum, zu sammen auszufahren und ge selliges Beisammensein zu pflegen. Die Fahrer können zudem für Anlässe – auch wohltätige – en gagiert werden. Ganz einfach kommt man allerdings nicht ins Chapter rein: man muss Mitglied der «Harley Owner Group» sein. Hat man sich dann beim Chapter angemeldet, hat man erst den Status eines «Prospects». Das heisst, man ist provisorisch aufgenommen, ehe der Vorstand darüber entscheidet ob man definitiv dabei ist. Doch für den Ausritt zu ihrem Dealer waren selbst «Non Harley Owners» willkommen.

www.harleybasel.ch, www.baselchapter.ch

(Bild Stefanie Gass)

Volksstimme Nr. 90 / 2004