Wo die Fäden im Baselbieter Verkehr zusammenlaufen
Ein Augenschein im Fuhrpark der Autobahnpolizei. Diese Gruppe inspiziert die zivilen Polizeiautos, die zur Bekämpfung von Rasern und Rowdys eingesetzt werden.
Rund 25 «Volksstimme»-Leserinnen und -Leser wagten sich am Dienstag in das Gehirn des Baselbieter Verkehrs. Dort erfuhren sie, warum das Natel nicht immer das beste Notrufmittel ist und warum Polizisten auch fotografieren können müssen.
los. Die Situation kennt fast jeder Autofahrer: Heimfahrt mit ten in der Nacht, vielleicht hat man noch ein letztes Bier getrunken und plötzlich winkt es auf der Strasse Orange. «Gu ten Abend, könnte ich bitte Ihren Führerausweis sehen?» Der Atem geht schwer, die Herzfrequenz erhöht sich unwillkürlich und man fühlt sich schuldig, egal ob man etwas getan hat oder nicht.
Schuldgefühl, Herzklopfen und Atemprobleme wechseln sich ab, während sich der Polizist zum Patrouillenfahrzeug be gibt und das eigene Gesicht penetrant von der Taschenlampe des zweiten Polizisten angeleuchtet wird. «Alles in Ordnung, Sie können weiterfahren.»
Nochmals Glück gehabt, aber woher weiss denn dieser Polizist mitten in der Nacht, ob der Führerausweis wirklich in Ordnung war? Wo sitzt die ge heimnisvolle Macht, die unsere Daten hortet?
Ein Teil dieses Rätsels wurde während des «Volksstimme»-Augenscheins in der Sissacher Verkehrsleitzentrale gelöst, als die 25 Leserinnen und Leser eine Ahnung bekamen, was während einer solchen Routine-Kontrolle abläuft. «Müller Hans*, Führer ausweis i.O.», spricht Bruno Bitterlin in das Funkgerät vor ihm. Und Herr Müller darf weiterfahren. Nachdem Bitterlin den Autofahrer erlöst hat, wendet er sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe zu: Er beobachtet die 24 Monitore an der Wand, auf denen die neuralgischen Punkte der Baselbieter Hochleistungsstrassen zu sehen sind. Die Autos fahren alle von ihm weg, weil in der Nacht die Lichter zu stark blenden würden.
Ruhig dank Bölchen «Wir erleben gerade eine ruhige Phase», sagt der Leiter der Verkehrsleitzentrale, Harry Knecht, den Augenschein-Teilnehmern. Das habe zu grossen Teilen auch mit der momentan unterbrochenen Bölchensanierung zu tun. Während der Sa nierung habe man hier drin «keine ruhige Viertelstunde ge habt».
Knecht ist der Chef von acht Polizisten, die sich beinahe ausschliesslich mit dem Verkehr auf den Hochleistungsstrassen be schäftigen. Am Tag arbeiten zwei Beamte in der Zentrale und in der Nacht muss ein Polizist alleine die Arbeiten erledigen. Dazu gehören neben der Überwachung der Monitore auch das Melden von Verkehrsbehinderungen an die «ViaSuisse», welche die Meldungen an die Lokalradios weitergibt. Den Beamten ist es auch möglich, sich direkt in die Radiofrequenz einzuklinken. Bei Unfällen oder anderen Behinderungen im Bölchen können sie vorbereitete Meldungen auf der Frequenz von DRS 1 einspielen. Man sei zurzeit am ab klären, ob noch weitere Radios bedient werden könnten, sagt Knecht, es hänge aber stark von den Kosten ab.
Elektronische Intelligenz Neben der visuellen Überwachung greifen die Mitarbeiter der Verkehrsleitzentrale auch auf ein Schaubild zurück. Der grosse Bildschirm mit den vielen bunten Linien und Flächen liefert In formationen zu aktivier ten Signalen oder Rauchentwick lung.
Das Prunkstück der Verkehrsleitzentrale ist aber eindeutig das Verkehrsleitsystem. Auf dem Autobahnabschnitt zwischen Basel und Pratteln hat es in gewissen Abständen Detektoren, mit denen die Anzahl Fahrzeuge auf dem betreffenden Strassenabschnitt gemessen wird. Je nach Verkehrsaufkommen, regelt das Leitsystem die Geschwindigkeit per Wechselanzeige. «Es ist verblüffend, wenn alle Fahrzeuge 80 Stundenkilometer fahren, bringen wir mehr Autos über die Autobahn, als bei 120 Stundenkilometern», erklärt Harry Knecht. Es sei tendenziell so, dass bei gleicher Geschwindigkeit mehr Fahrzeuge einen Abschnitt passieren können, als bei grossen Unterschieden.
Das Verkehrsleitsystem zwischen Basel und Pratteln ist eine Gemeinschaftsproduktion des Stadt- und des Landkantons und soll in Zukunft ausgebaut werden. Es sei geplant, alle Autobahnabschnitte in Basel bis zur Verzweigung Augst mit Detektoren auszurüsten, sagt Knecht.
Notrufsäule besser als Handy Ein Bildschirm der Zentrale ist den Notrufsäulen auf den Autobahnen gewidmet. Bei ei nem Anruf blinkt in Sissach die entsprechende Säule und die Polizei weiss sofort, wohin sie ausrücken muss. Bei einem Un fall sei die Alarmierung per Notrufsäule besser als per Handy, sagt Knecht. Erstens brauche es bei einem Natelanruf auf die Notrufnummer 117 immer diverse Umleitungen, bis der Anruf endlich in der Verkehrsleitzentrale ankommt und zweitens wissen ortsunkundige Fahrer meistens nicht, auf welchem Autobahnabschnitt sie sich mit ihrem Natel befinden.
Waffe gegen Rowdys Im zweiten Teil der Augenschein-Führung konnte der Fuhrpark der Autobahnpolizei besichtigt werden. Werner Schriber zeigte gleich als erstes die Geheimwaffe der Polizei: die zivilen Autos. Ausgerüstet mit einer Kamera statt einem Rückspiegel gehen damit Polizisten in Zivil auf Verkehrs-Rowdy-Jagd. «Das ist unsere beste Waffe ge gen Temposünder», sagt Schriber, «mit diesen Autos sind wir ganz normale Verkehrsteilnehmer und fallen viel weniger auf, als wenn wir die Autos mit dem orangen Strich brauchen.»
Neben der Kamera sind die zivilen Polizei-Fahrzeuge mit einem Monitor für die Temposünder und einem «Ritsch-Ratsch» für die diversen Kreditkarten ausgerüstet. Kaum ei ner der Raser habe genügend Bargeld bei sich, um die Busse an Ort und Stelle zu zahlen, erklärt Schriber.
Schriber räumt auch mit viel gehörten Vorurteilen auf: So braucht es für eine Busse wegen Telefonierens während des Fahrens keineswegs einen Foto- oder Videobeweis: «Ich bin vereidigt und wenn ich sage, der Fahrer hat telefoniert, dann ist es so», sagt der Ordnungshüter.
Zwei Motorräder für die Kantonspolizei Im Fuhrpark des Autobahnstützpunktes stehen auch die einzigen zwei Motorräder der Kantonspolizei. Die werden nicht zur Raserbekämpfung eingesetzt, sondern sind mehr für Repräsentationszwecke ge dacht. An Messen und Gewerbeschauen dürfen Kinder auf den Polizei-Töffs sitzen und ein Erinnerungsfoto schiessen lassen.
Wenn Bundesräte ins Baselbiet kommen, haben die Motorräder ebenfalls einen Einsatz – sie geleiten den Magistraten an den Auftrittsort. Praktisch sind sie auch für die Begleitung von Schwertransporten: «So müssen wir nur eine Person für die Be gleitung einsetzen», sagt Schriber.
Im Fuhrpark auch zu sehen sind die Fahrzeuge der «Stinger»-Aktion. Die mobilen Radarfallen präsentieren sich gleich neben der Trophäensammlung von «Stopp-Radar»-Schildern. Gut gemeinte Warnungen vor dem teuren Blitz der Polizei. «Verboten ist das nicht. Aber wenn es die Kollegen sehen, packen sie es ein.» Schriber selber hält nichts von den mobilen Warnungen vor den mobilen Ra darfallen. «Man sollte die Raser nicht schützen. Die müssen mer ken, was sie falsch machen.»
Nach all den getarnten und verkappten Polizeiautos gelangt die Führung schliesslich zu den echten Patrouillenfahrzeugen. Ausgerüstet mit Blink-Kelle, Ölbinder, Wasser, Benzin, Ab sperrband und noch vielen weiteren Utensilien sind die Pat rouil len auf die vielfältigsten Situa tionen vorbereitet. Auch geht kein Polizist ohne Fotokoffer auf Patrouille. Unfälle müs sen sofort dokumentiert werden: «Darum müssen alle Polizisten einigermassen mit einer Fotokamera umgehen können.» Ausser die Bremsspur eines Unfalls ist län ger als 30 (innerorts) oder 50 (ausserorts) Meter. Dann rückt die Unfallgruppe der Polizei aus.
Ihr Kastenwagen ist voll gestopft mit modernsten Equipment. Angefangen mit einer Ka mera, mit der Planskizzen er stellt werden können, über eine Leuchte, die in der Nacht 500 Meter weit zünden kann, bis hin zu einem kleinen Büro, in dem allfällige Protokolle geschrieben werden können. Glücklicherwei se wird von diesem Equipment nicht allzu oft Gebrauch ge macht. Die Unfallgruppe rückt laut Schriber im Jahr «nur» 30- bis 40-mal aus.