Augenschein vom 06.07.2012   Liste aller Augenscheine       

«Volksstimme-Augenschein» im Cheesmeyer-Huus, Sissach

«Volksstimme-Augenschein» im Cheesmeyer-Huus, Sissach Robert Häfelfinger führt die zahlreich erschienenen «Augenschein»-Teilnehmer durch den «Cheesmeyer».
Der erste «Volksstimme-Augenschein» des Jahres 2012 führte in die Sissacher Begegnungszone – ins legendäre Cheesmeyer-Huus.
Der «Cheesmeyer» in der Sissacher Begegnungszone war das erste Warenhaus im Kanton Baselland. Dies war nur eine der Informationen, welche die zahlreich erschienenen «Volksstimme-Augenschein»-Teilnehmer vom jetzigen Inhaber Robert Häfelfinger erfuhren.


Noch immer weckt der «Cheesmeyer» Emotionen und so herrschte beim ersten «Volksstimme-Augenschein» ein Andrang beinahe wie beim Schlussverkauf beim örtlichen Eisenwahrenhandel. Auch Robert Häfelfinger, der Mitbesitzer des einstigen Warenhauses, der die Führung leite te, verbindet mit dem «Cheesmeyer» viele Erinnerungen, ist er doch im stattlichen Haus in der Sissacher  Begegnungszone aufgewachsen.
«Für mich ist das Haus ein ‹Zauberdrückli›, mit vielen Winkeln und Gegenständen, die mich immer wieder an meine Kindheit erinnern», sagte er zu Beginn der rund einstündigen Führung.
1858 kam der aus dem luzernischen Hergiswil stammende Negoziant (Verkäufer) Josef Meyer (1829 bis 1894) nach Sissach. Er vermählte sich mit Marie Kunz und kaufte mehrere Liegenschaften an der Landstrasse (heute Begegnungszone), die er in der Folge in einen Krämerladen umbaute. 
Die Lage des Ladens war gut gewählt, entstand doch im Zuge der  Eröffnung der Eisenbahnlinie Liestal–Sissach im Gebiet des Bahnhofs ein neues Quartier, aus dem Meyer viel Kundschaft erwartete. Das grosse Warenangebot machte ihn weit über die Kantonsgrenze bekannt, und dank seinem vorzüglichen Käse erhielt er schon bald den Übernamen «Cheesmeyer». 

Der Neubau von 1901
Um die Jahrhundertwende beschlossen die Nachkommen von «Cheesmeyer», anstelle der eingeschossigen «Waarenhalle» einen mehrgeschossigen Neubau zu errichten, der Platz für mehrere Ladengeschäfte aufweist.
Das neuartige und erste Warenhaus des Kantons sollte sowohl von der Bahnhofseite wie von der Hauptstrasse her zugänglich sein. Das Erdgeschoss und ein Teil des ersten Stocks dienten dem Verkauf, die beiden weiteren Stockwerke dem Wohnen.
«Wir hatten den ersten handbetriebenen Lift in Sissach», erzählte Häfelfinger. Und er könne sich noch gut an den Befehl seiner Eltern erinnern, wenn es galt, den Lift zu bedienen: «Löit d Dante Marie aabe, sii will in Garte.» 
Nach dem Tod von Firmengründer Meyer im Jahre 1894 wurde das Erbe unter den Söhnen und Töchtern aufgesplittet, was zur Dreiteilung des Geschäfts und zu komplizierten Grundeigentums- und Miteigentumsverhältnissen führte.
Der älteste Sohn, Johann Meyer-Golling, übernahm als «Cheesmeyer 2» den Lebensmittelladen und die Mercerie, sein Schwager Niggi Kunz-Meyer die Kleider-, Stoff- und Möbelabteilung. Die Töcher Marie und Louise waren für den Verkauf von Schuhen und Haushaltsartikeln  verantwortlich. So entstand an der Sissacher Hauptstrasse ein eigentliches «Einkaufscenter» und das  Geschäft nannte sich ab diesem Zeitpunkt Meyer, Kunz & Co.

Rosa Fiechter, die heimliche Chefin
Die Familien Kunz und Meyer waren sich nicht immer wohlgesinnt, erinnert sich Häfelfinger. So sei es immer wieder zu Streitigkeiten gekommen. «Das führte sogar so weit, dass sich die beiden Parteien im zweiten Stock, den sie bewohnten, wann immer möglich aus dem Weg gingen.» 
Auch die ehemaligen Verkäuferinnen, Elsbeth Zingg und Dora Bishop, die sich zum Anlass des «Volksstimme-Augenscheins» wieder an ihre alte Wirkungsstätte zurückbegaben, erinnern sich mit einiger Wehmut an die vergangenen Zeiten. Vor allem die legendäre Rosa Fiechter (1924 bis 2005), selbst ernannte Chefin der Abteilung Schuhe und Stoffe, pflegte mit ihren Kunden einen doch eher rustikalen Umgangston: «Einem wohlbeleibten Herrn, der sich für Wanderschuhe interessierte, warf sie ‹Dir wäit aber mit dem Ranze nit öbbe welle go wandere?› an den Kopf.»
Dem ausgeprägten Geschäftssinn der «Cheesmeyers» ist es zu verdanken, dass im Laufe der Jahrzehnte bedeutende Sammlungen von Bekleidungsstücken und Haushaltsartikeln entstanden sind. Und so macht die Gesamtheit der originalen Ausstattung – bedruckte Linoleumböden, Tapeten, mit Maserierung dekorierte Wandkästen und Türen, Verkaufsregale und Möbel und der gesamte Bestand der Geschäftsakten – den besonderen historischen Wert des «Cheesmeyers» aus.

Alle Bilder zum «Volksstimme-Augenschein» Cheesmeyer-Huus finden Sie unter www.vollksstimme.ch

Volksstimme Nr. 78 / 2012