Augenschein vom 19.07.2011   Liste aller Augenscheine       

Blick unter die Wasseroberfläche

Blick unter die Wasseroberfläche bas. Die Reise um die ganze Welt misst 370 Meter. Start ist unter der Wasseroberfläche eines Teichs, in dem Störe und einheimische Fischarten ihre Runden ziehen, dann gehts weiter durch Flüsse und Seen der gemässigten Zonen und zu tropischen Korallenriffen. Und bevor man aus den Weltmeeren auftaucht, durch Wüsten wandert und durch die Urwälder dieser Welt stapft, steht ein Besuch in der klirrenden Kälte der Antarktis an.
Das Vivarium des Zoos Basel vereinigt nicht nur 5500 Tiere aus 480 verschiedenen Arten in sich, sondern führt auch durch fast alle Klimazonen der Erde. «Nur ein Viertel des Vivariums ist für die Zoobesucher zugänglich», erklärt Thomas Jermann, Kurator des Vivariums, den «Volksstimme»-Augenscheinteilnehmern, die er in zwei spannenden Führungen durch das grosse Gebäude lotst. Und zwar durch jene drei Viertel, die dem öffentlichen Auge gewöhnlich verwehrt bleiben.
Das Vivarium des Zolli ist buchstäblich mit allen Wassern gewaschen. Hier gibt es Wasserleitungen mit sechs verschiedenen Wassersorten: Neben Süss- und Meerwasser kalt und warm auch destilliertes Wasser und Grundwasser. «Unser Wasser muss besser sein als das Trinkwasser», sagt Jermann.

Zucht und Quarantäne
So sehr man im Vivarium schon beim regulären Durchgang Gefahr läuft, in all den Aquarien und Terrarien die Orientierung zu verlieren, umso labyrinthartiger ist das Gebäude hinter den Kulissen. Es gibt scheinbar unzählig viele Kammern, Gänge, Treppen und Räume, wo beispielsweise Fische gezüchtet oder nach einem Umzug in Quarantäne gesetzt werden.
Gezüchtet wird auch, so gut es geht, Fischfutter: In vier runden Kunststoff-Bottichen vermehrt sich beispielsweise Plankton. Einmal   monatlich wird das gesamte Vivarium-Wasser durchgecheckt und chemisch analysiert. So wird geprüft, ob alles in Ordnung ist: «Es sind etwa zwölf verschiedene Tests, die wir machen», verrät Jermann.
Das Vivarium liegt am tiefsten Punkt des ganzen Zolli. Der Keller, wo unter anderem ein Blockheizkraftwerk und das Meerwasserlager untergebracht sind, liegt fast anderthalb Meter unter dem Grundwasserspiegel.
Der Zolli «produziert» sein Meerwasser aus Leitungswasser. Meerwasser bestehe nicht einfach nur aus Salz, betont Jermann. Und dennoch lösen sich jährlich rund 30 Tonnen Salz im Vivarium in Wasser auf. Doch was im ersten Moment nach viel tönt, relativiert sich, wenn man bedenkt, wie viel Salz an einem einzigen schneereichen Wintertag auf Schweizer Strassen verstreut wird.

Noch weitgehend unbekannt
«Der Lebensraum Meer ist noch weitgehend unbekannt», sagt der Vivarium-Kurator. Zwar hätten Forscher mittlerweile 250 000 verschiedene Arten von Lebewesen in den Weltmeeren entdeckt, aber es könnten auch zehnmal mehr sein. Ganze Welten schlummern noch unentdeckt in kaum erreichbaren Tiefen.
«Immer montags, mittwochs und samstags ist Fütterungszeit», sagt Jermann. Dann rieche es hinter den Kulissen des Vivariums entsprechend. Auch wenn es vor allem Tiefkühlkost ist, die verfüttert wird: Fisch,  Crevetten oder Wasserflöhe – des Raubfischs Gaumenschmaus lagert in einem separaten Kühlraum, den die Augenscheinteilnehmer ebenfalls erkunden.
Doch nicht alle Tiere geben sich mit Totnahrung zufrieden. Einmal wöchentlich erhält der Zolli eine Lieferung mit Lebendnahrung: Schwebegarnelen für die Seepferdchen sowie Krabben und Garnelen direkt aus der Nordsee für Familie Oktopus. Doch trotz der 5500 verschiedenen Bewohner des Vivariums sorgen gerade mal vier Tierpfleger und ein Techniker für deren Wohl.
Wie aufwendig der Betrieb des Vivariums ist, zeigte sich während der Führung eindrücklich. Und nach dem rund einstündigen Augenschein bemerkte Jermann: «Nun haben Sie erst einen kleinen Teil von allem  gesehen, was hier hinter den Kulissen läuft.»

Volksstimme Nr. 81 / 2011