Auf Bergtour im Hafenbecken und eine Begegnung mit Willi
Ein gewichtiger Teil der acht Millionen Tonnen Güter, die auf den Rheinhäfen jährlich umgeschlagen werden, geht auf das Konto der «Rhenus Alpina». In Kleinhüningen hat das Schifffahrtunternehmen offenbart, was alles übers Wasser transportiert wird.
«Gibt es noch Seebären?» – «Seebären?» – «Ja, Kapitäne wie Haddock aus den Comics Tim und Struppi!» – Der Vater wollte die Antwort ein wenig offenlassen: «Die Schifffahrt ist heute hoch technisiert und lässt wohl kaum Raum für Romantik.» Was beim Sohn die nächste Frage auslöst: «Romantik? Was ist jetzt das schon wieder?»
Die Frage beantwortete sich Minuten später von selbst. Die 25 «Volksstimme»-Leserinnen und Leser, die beim ersten «Augenschein» dieses Jahres im Hafen Kleinhüningen mit Claudia Bracher und Bruno Imhof von der Rhenus Logistic auf Hafentour gingen, spürten nicht nur sofort das Fernweh in sich aufsteigen, sondern schnupperten schon sehr bald auch Seefahrerromantik. Denn Bracher und Imhof führten die Landratten aus dem Oberbaselbiet zuerst in den Hafen, wo der «Willi» vor Anker lag.
Die Augen der Buben und Mädchen leuchteten und auch die Erwachsenen liessen sich von «Willi», einem 100-jährigem Frachtschiff mit einer bewegten Vergangenheit, in den Bann ziehen. Zumal ein grauhaariger Seemann auf dem Oldtimer damit beschäftigt war, das Deck zu schrubben. Windjammer-Gefühle machten sich bei einigen Landratten breit. «Der Verein Historische Binnenschifffahrt hat das alte Frachtschiff, das einst wegen des fehlenden Motors von Pferden gezogen wurde, vor der Verschrottung gerettet und wieder aufgemöbelt», erklärte der schrubbende Seebär dem Fotografen. Er gehöre dem Verein an und sei nun mit dem Erhalt des zweitältesten Dieselschiffes auf dem Rhein beschäftigt.
«Willi» kann über 300?000 Tonnen laden und transportieren. Heute sind die Schiffe mit weitaus grösseren Ladungen auf dem Rhein unterwegs, erklärt Claudia Bracher. Aber wie viel sind denn 300?000 Tonnen eigentlich? «Nicht einmal so viel wie dieser Riesenberg Abfallholz vor dem wir hier stehen», sagt Bracher beim Versuch, die Menge bildhaft vor Augen zu führen. In der Zwischenzeit stehen die «Hafen-Touristen» auf dem Recyclingplatz vor teils riesigen Bergen an Holz, Glas, Pet und Alu-Dosen. Zur Hafenlogistik von Rhenus Alpina gehört unter vielem anderem auch ein komplettes Recyclingkonzept für Altglas, Altholz und weitere Altstoffe.
Stark im Sammeln «Wir sind stark im Sammeln, Verwerten und Entsorgen von Altglas, Altholz und weiteren Altstoffen», erklärt Claudia Bracher. Die Gruppe ist von den Mengen, die sich vor ihnen auftürmen, beeindruckt. «Hier kommen die Bierflaschen deines Vaters hin und auf dem Platz daneben deine Cola-Dosen», sagt eine Mutter zum Kind. Weniger hoch ist der Berg der Pet-Flaschen. «Der wird auch wieder wachsen», meinte Bracher.
Riesige Greifer senken sich über den Altholzberg. Der Kranführer weit oben über den Köpfen der gespannten Leserschaft auf Erkundungstour lässt den Greifer immer wieder ins Holz greifen. Es splittert und kracht. War da nicht ein alter Setzkasten und dort ein alter Tisch? Was die Leute nicht alles wegwerfen! Sogar einen sitzfähigen Biedermeier-Stuhl – oder zumindest eine gute Kopie davon.
Noch bevor der Greifer ein weiteres Mal zupackt, greift sich Friedrich Schwob den Stuhl und setzt sich drauf. «Schade, dass ich keinen Platz habe, sonst hätte ich ihn mitgenommen.» Kein Platz. Das dürfte wohl auch der Grund sein, weshalb die Sitzgelegenheit auf dem Altholzberg im Kleinhüninger Hafen landete und nun den Weg in eine Verbrennungsanlage antreten muss.
Hoch hinaus ging es zum Schluss auch für die «Volksstimme»-Gruppe. Über 284 Treppentritte stieg sie in einen Siloturm hoch. Ein fantastischer Ausblick über das Dreiländereck entschädigte die Treppensteiger für den Muskelkater, den sich einige beim «Silo Running» einhandelten. Weit unten auf dem Rhein waren die Schiffe unterwegs. 15 Prozent des Schweizerischen Imports wird mit der Rheinschifffahrt abgewickelt. Eine wichtige Lebensader – und ein Weg, der das Fernweh fördert.
Grandiose Aussicht «Es war interessant, einmal sehen zu können, was in einem Hafen alles umgeschlagen wird», sagte Monique Franceschi (Zunzgen), die mit der Hafentour zufrieden war. Beeindruckt zeigte sie sich von den riesigen Mengen und der Vielfalt an Gütern, die auf dem Rhein transportiert werden. «Jetzt kann ich mir unter dem Begriff Rheinschifffahrt etwas vorstellen.» Der Gelterkinder Rolf Güdel hätte gern mehr hinter die Kulissen geschaut. «Die Technik und die Abläufe sind mir bekannt.» Er hatte gehofft, dass er beispielsweise beim Löschen der Schiffe hätte zuschauen oder seinen Fuss für einen Moment auf einen Frachter hätte setzen dürfen.
Entschädigt hat ihn aber die Aussicht vom Siloturm. Der Blick über die Dächer und die drei Länder war auch für die Kinder ein Höhepunkt. «Einfach super!», sagte Benjamin. Timon zeigte sich über den Treppenaufstieg ins Turmstübli und den Balkon begeistert. «Das war eigentlich gar kein grosser Krampf», zeigte er sich bei der darauffolgenden Erfrischung locker. Auf einen bestimmten Höhepunkt wollte sich hingegen Joel nicht festlegen. «Alles!» antwortete er auf die Frage, was ihn besonders beeindruckt habe.