Sternennebel, Saturnmonde und Spaceshuttles: Auf der Schafmatt kann man von den unendlichen Weiten des Universums ein Auge voll nehmen. Und lernt in der Dunkelheit der Nacht eine ganz neue Dimension der Zahlen.
«Dort oben ist sie!», ruft Heiner Sidler und zeigt in den Himmel. Fünfzehn Augenpaare folgen seinem Finger. Ungefähr aus Nordwesten, hinter der Krone eines Kirschbaums hervor, nähert sich ein heller Punkt durch die Dämmerung: Es ist die Internationale Raumstation ISS, derzeit «auf Achse» in rund 350 Kilometern Höhe; vor immer mehr sichtbar werdenden Sternen im immer dunkler werdenden Himmel zieht sie ihre Bahn.
«Jetzt ist sie über der Normandie», erklärt Sidler. Der Medienverantwortliche der Astronomischen Vereinigung Aarau (AVA), die die Sternwarte auf der Schafmatt betreibt, schaut auf einem Internetausdruck nach und fügt nach einem kurzen Moment hinzu: «Und jetzt bereits über Deutschland.» Die ISS benötigt gerade einmal 90 Minuten, um die Erde mal zu umkreisen. Nur kurze Zeit später folgt ihr das Spaceshuttle «Endeavour», gestartet am Mittwoch. Es ist zehn Uhr abends. Um halb zwölf, zum Ende der Führung, wird die ISS nach erfolgter Erdumrundung nochmals auftauchen.
15 «Volksstimme»-Leserinnen und -Leser konnten sich einen der begehrten Plätze des dritten Augenscheins ergattern und erlebten am vergangenen Donnerstag einen spannenden Abend unter dem Himmelszelt auf der Sternwarte Schafmatt. Dank Wetterglück gibt es kein Gewitter wie üblich, sondern einen buchstäblich sternklaren Himmel zu sehen.
Da zu Beginn der Führung die Sonne noch am Himmel steht, geben die beiden ehrenamtlichen Demonstratoren der AVA, Fabienne Dubler und Heiner Sidler, zuerst eine Einführung in die Welt der Astronomie.
Auf festem Fundament In der Mitte der Sternwarte, die aussieht wie ein futuristisches Aluminiumhaus, stehen die «Hauptakteure» des Abends, wie Dubler sagt: Zwei Teleskope, ein Linsenteleskop und ein Spiegelteleskop, beide auf einem festen Fundament im Jurahügel verankert. Damit die Sterne, die über den Himmel wandern, nicht immer aus dem Fokus des Teleskops verschwinden, gleicht ein Motor die Erdbewegung aus. «Die Achse des Teleskops ist genau auf den Polarstern gerichtet», erklärte Dubler.
Die jetzige Sternwarte wurde vor rund zehn Jahren gebaut. Zuvor beobachtete die AVA die Sterne fast zwanzig Jahre lang aus einer Holzbaracke vom selben Standort aus. Mangels abnehmbarem Dach kippten die Sterngucker jeweils kurzerhand die ganze Holzbaracke vom Teleskop weg.
Die neue Sternwarte ist da bequemer: Das Dach verfügt über Schienen und kann mithilfe eines Motors mühelos zur Seite geschoben werden. Als das Dach in der Dämmerung mit einem leisen Surren in Richtung Geissfluh davonfährt, stehen wir unvermittelt unter freiem Himmel. Der Ausflug ins All kann beginnen.
Meteoriten, Boten aus dem All Dubler und Sidler erläutern den Augenschein-Teilnehmenden nicht nur das, was jenseits unserer Atmosphäre geschieht, sondern entführen auch in die spannende Welt der Meteoriten, von denen sie mehrere Exemplare zum Anfassen mitgebracht haben. Weltweit seien gegen 200 Krater zu sehen, die gesichert von Einschlägen von ausserirdischem Material herrührten, sagt Sidler. Im schwäbischen Nördlingen beispielsweise schlug ein Exemplar vor rund 18 Millionen Jahren mit der Kraft von 100?000 Hiroshima-Bomben ein.
«Kann es sein, dass Meteoriten die Erde aus der Bahn werfen?», fragt eine Teilnehmerin besorgt. «Ja, klar», antwortet Sidler und beruhigt dann, dass diese Chance in den nächsten paar Millionen Jahren allerdings klein sei.
Es sind für den Laien absolut unvorstellbare Zahlen, mit denen die Astronomen jonglieren. Die Alpen zum Beispiel – entstanden vor 60 Millionen Jahren – findet Sidler jung. «Das sind keine Zahlen, die Astronomen erschrecken können», sagt der Hobbyastronom mit Beruf Innenarchitekt und zeigt eine wunderschöne Gitterstruktur auf einem zersägten Eisenmeteoriten. Diese sei entstanden, da sich der Meteorit nur langsam abgekühlt habe, erklärt er. «Langsam» bedeutet auf astronomisch ein Grad in einer Million Jahre.
Blick durchs Teleskop Mit zunehmender Dunkelheit werden immer mehr Sterne am Firmament sichtbar. Mit dem Teleskop lassen sich die unendlich weit entfernten Himmelskörper «aus der Nähe» betrachten. Der Saturn zum Beispiel mit seinem Ringsystem und dem Saturnmond Titan, oder Sterne in ganz unterschiedlichen Farben. Auch mit Galaxien und Sternennebeln lässt sich auf Tuchfühlung gehen.
Während Dubler als «Maschinenführerin» das Teleskop immer wieder für neue spannende Einblicke vorbereitet, erläutert Sterngucker Sidler verschiedene Sternbilder: Neben dem Polarstern und der Andromeda tummeln sich der Löwe, der Drache, der Schwan am Himmel – in der Nacht offenbart sich das halbe Tierreich, während auf der Erde vor allem Tausende von Grillen zu hören sind, und hin und wieder eine Kuhglocke.
Als Letztes – kurz vor halb zwölf Uhr nachts und kurz bevor die ISS nochmals über unseren Köpfen durchschwirrt – wagen die Teilnehmenden noch eine Zeitreise in eine ferne Galaxie. Was durch das Teleskop zu sehen ist, befindet sich 13 Millionen Lichtjahre entfernt. Für einen Menschen eine unvorstellbare Entfernung, für das Universum ganz normal.
Spannend bas. Die Teilnehmenden des Augenscheins auf der Sternwarte waren begeistert. Die ganze Führung sei kurzweilig gewesen, lautete der Tenor. «Fabienne Dubler und Heiner Sidler haben es verstanden, die Faszination der Astronomie zu vermitteln,» sagte eine Frau, und eine andere meinte: «Den Saturn mal mit eigenen Augen zu sehen, wie man ihn sonst nur auf Fotos zu Gesicht bekommt, hat mich fast umgehauen.»
Bei schönem Wetter ist die Sternwarte Schafmatt jeweils freitags ab 21 Uhr für Interessierte geöffnet. Weitere Informationen über die AVA und die Sternwarte: http://ava.astronomie.ch