Ein traditionsreiches Bier mit einer guten Zukunft
Ziegelhof-Direktor Theo Schaller liess es sich nicht nehmen, die «Volksstimme»-Leserinnen und -Leser durch die Brauerei in Liestal zu führen.
Der vierte «Volksstimme»-Augenschein führte in die Brauerei Ziegelhof in Liestal. Bei einem Rundgang durch die Produktions- und Lagerräume konnten sich die rund 25 Teilnehmer ein Bild davon machen, wie der beliebte Durstlöscher gebraut wird. Beim anschliessenden Umtrunk konnten die Ergebnisse gleich getestet werden.
gr. Ziegelhof ist mittlerweile die einzige Brauerei im Kanton. Auf einem gesamt europäisch stetig abnehmenden Markt können sich die unabhängigen Bierbrauer seit 151 Jahren behaupten. Als kleine, regional verankerte Brauerei spüre man nichts von dieser Entwicklung, sondern könne – im Gegenteil – jedes Jahr einen Zuwachs verzeichnen, erklärt Direktor Theo Schaller.
Schaller führt dies auf die kundenbezogene Arbeitsweise zurück, ausserdem gebe es in der Region genügend Potenzial für neue Kunden. So haben in Basel vor sechs Jahren gerademal fünf Restaurants ihr Bier von der Ziegelhof bezogen, heuer seien es deren vierzig. Mit stetigem Augenmerk auf Qualität wolle man sich auch in Zukunft als regionales Traditionsunternehmen präsentie ren.
Riesige Sudpfannen Im Anschluss hatten die Teilnehmer Gelegenheit, die Produktionsräumlichkeiten zu besichtigen. Die Tour nahm im Sudhaus ihren Anfang; in riesigen Stahlkesseln wird dort Wasser mit Malzschrot auf- gekocht, dieser Prozess heisst «einmaischen». Eine Kesselfüllung benötigt 4000 Kilogramm Malzschrot, der mit 15000 Liter Wasser aufgekocht wird.
Anschliessend werden im Läuterbottich die festen Bestandteile von der Flüssigkeit getrennt, der anfallende «Treber» ist begehrtes Viehfutter. Im nächsten Schritt wird die Flüssigkeit, die «Würze», mit Hopfenzusatz weiter gekocht. Nach einem nochmaligen Abscheiden der Feststoffe wird die Würze auf fünf Grad abgekühlt und gelangt in die Gärbottiche, wo sie sich innert sieben Tagen zum «Jungbier» entwickelt.
«Vielseitige» Gärbottiche In den offenen Gärbottichen – heute nur noch selten anzutreffen – entsteht eine hohe Kohlendioxid-Konzentra tion, normalerweise der Gesundheit nicht sehr zuträg-lich. Früher wurden aber Kinder, die an Keuchhusten litten, kurz über die Bottiche gehängt, um das Gas einzu- atmen, was die Heilung förderte.
Das Jungbier gelangt in den Lagerkeller, wo es rund zwei Monate heranreift, um anschliessend gefiltert und abgefüllt zu werden. Den Hebel am Gärfass nennt man übrigens «Zwickel», somit ist klar, woher das – ungefilterte – Zwickelbier seinen Namen hat.
Eigenes Brauwasser Das Brauwasser, das stren gen Qualitätsanforderungen entsprechen muss, stammt aus einer eigenen Quelle, tief unter dem Gebäude. Schaller dazu: «Als es in Liestal zu einer Wasserverunreinigung kam, war unsere Quelle nicht betroffen. Bier gab es also trotzdem.» Trotz der eigenen Quelle wird mit dem Wasser nicht verschwenderisch umgegangen, ausserdem wird die beim Sieden und Kühlen entstehende Abwärme genutzt, um die Brauerei, sowie das Regierungsgebäude, das Amtshaus und das Kantonsmuseum zu heizen.
Nach soviel Information über Bier konnten die Teil-nehmer natürlich auch einen Schluck davon kosten: Im «Zwickelkeller» löschte man den Durst mit frischem Zwickelbier.
Kleinbrauereien mit Köpfchen sda. Sie brauen Bier aus Quellwasser, Gerstenmalz und Hopfen, aber auch aus Kas tanien, würzigem Hanf und Rheintaler Mais. Sie begeis -tern mit ihrem Vollmond-Bier Zürichs In-Szene: Die Kleinbrauereien kämpfen mit immer neuen Ideen gegen die Giganten. Das ist auch nötig. Denn die Innovationen der «Kleinen» werden laufend kopiert. Abgeguckt werden nicht nur die altmodischen Flaschen mit Bügelverschlüssen, die Schriftzüge, die Sujets und Getreidebilder auf den Etiketten, sogar Bier-Namen werden abgekupfert.
Von den 18 Mitgliedern der IG unabhängiger Klein- und Mittelbrauereien sind acht in der Ostschweiz, vier in der Nordwestschweiz, drei im Bernbiet, zwei in der Zentralschweiz und eine im Kanton Zürich angesiedelt.
200 Privatbrauereien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich im Brauring zusammengeschlossen. Von einem unabhängigen Institut werden die Bierkreationen regelmässig auf Qualität geprüft.
Wer im Biermarkt mit einer kleinen Brauerei bestehen will, muss laufend neue Produkte auf den Markt bringen. Innert 90 Jahren ist die Zahl der Schweizer Brauereien von rund 600 auf 28 geschrumpft.
Traditionsbewusstsein macht Karl Locher von der Appenzeller Brauerei Karl Locher AG als Grund für das Beharrungs- vermögen der kleinen, unabhängigen Brauereien aus: «Die Familien haben ihre Betriebe nicht gleich verkauft, auch wenn es einmal nicht so gut ging.»
Markentreue und der Stolz der Kunden auf die eigene Brauerei in der Region gäben den Brauern Mut, weiter zu machen, sagt Locher. Vorteile haben die Kleinen dank ihrer geringeren Mengen vor allem bei der Lagerung: Platz und Zeit sind enorme Kostenfaktoren.