Augenschein vom 11.08.2005   Liste aller Augenscheine       

Wo «Ivar», «Mikael» und «Gorm» täglich ein und aus gehen

Wo «Ivar», «Mikael» und «Gorm» täglich ein und aus gehen «Die Lagerleute müssen mit Köpfchen hantieren.» Franziska Wehrli vom IKEA-Lager zeigt den «Volksstimme»-Lesern, wie und wo die Ware verladen wird.
Das IKEA-Lager in Itingen: Ein Markstein in der Landschaft des Oberbaselbiets seit 1986. Gross und blau prangt das Gebäude an der Itinger Bahnlinie, in dicken gelben Lettern grüsst der wohl bekannte Schriftzug IKEA: Die Abkürzung für den Namen des heute 79-jährigen Firmengründers Ingvar Kamprad und seinen Herkunftsort in Schweden, den Hof Elmtaryd im schwedischen Bezirk Agunnaryd.

Die Teilnehmenden am letzten «Volksstimme»-Augenschein dieses Sommers staunten schon beim Betreten der Anlage. Der riesige Ladeplatz für die Lastwagen glänzt in der Abendsonne. Hier treffen also die Waren ein; Paletten rein, Paletten raus.
In der Kantine begrüsst Franziska Wehrli die Teilnehmer mit einer Präsentation und sie stellt als Erstes den kometenhaften Aufstieg des Möbelunternehmens vor. 1953 eröffnete Kamprad die erste Möbelausstellung in Schweden, 1958 weihte er bereits sein erstes Möbelhaus ein. 15 Jahre später kam das erste Möbelhaus ausserhalb Schwedens: In Sprei tenbach, im Kanton Aargau. Seither wuchs die Zahl der Möbelhäuser, in denen IKEA-Ware verkauft wird, stetig an. Am 4. August wurde bereits die 218. Verkaufsstelle eröffnet.

Deshalb will die Ware gut verteilt sein.
Um den Nachschub an Möbeln aufrechtzuerhalten, besitzt IKEA in der ganzen Welt Verteilzentren – eines davon in Itingen. Dort werden nicht nur die paar Schweizer Verkaufsstellen beliefert, aus Itingen werden die Waren auch nach Österreich und Italien verschickt. «Südost heisst unser Verteilgebiet», sagt Wehrli. Von Schweden aus gesehen liege die Schweiz eben im Süden.
388000 Kubikmeter IKEA-Ware werden jährlich aus Itingen verschickt. Palette rein, Palette raus. «Wir sind hier etwas Spezielles», sagt Wehrli. «Wir arbeiten mit der Transit-Methode». Denn Itingen hat nur wenig Lagerplatz – gemessen an IKEA-Massstäben. Mit 47500 Kubikmetern ist das Lager schweizweit das grösste seiner Art. Doch im Vergleich zu anderen Lagern, die gut und gerne bis zu 170000 Kubikmeter Ware fassen können, ist Itingen klein.

Transit
Aber eben: Das Zauberwort heisst «Transit». «Die Ware kommt rein, wir füllen sie um und schon ist sie wieder draussen. Eigentlich sind wir zu einem grossen Teil eher ein Umschlagplatz als ein Lager», so Wehrli. Das ermöglicht eine enorme Verteilkapazität.
Von der Praxis können sich die Teilnehmer selber überzeugen: In Gruppen geht es durch die Lagerhallen. Ameisen gleich düsen die Stapler gechickt durch die endlosen Gänge zu den Regalen, die gut über zehn Meter hoch sind, laden die Paletten um. Die Lageristen und Logistikassis tenten müssen mitdenken; jedes Teil darf nur minimals ten Platz einnehmen, sei es im Regal oder in den Lastwagen.
«Und das ist noch ein kleines Lager. Weil in der Schweiz das Land teuer ist, haben wir in die Höhe gebaut. In Italien sind die Lager bis zu 700 Meter lang. Ein Traumlager!», schwärmt Wehrli und lacht, derweil ein Stapler zum Regal fährt.

Szenenapplaus
Die Gabel geht hoch, höher und hält bei der obersten Ebene. Der Chauffeur kippt den Sitz, packt die Palette auf dem Regal und holt die Ware, ein Bücherregal namens «Gorm», herunter.
Staunen und Szenenapplaus von der Führung, der Lagerist errötet kurz und düst wieder weg. Paletten rein, Pa letten raus – jeden Tag.
Weiter gehts Richtung Au tomatenlager, in den von aussen blau-weiss gestreiften Turm. «Dort drin arbeiten keine Menschen, alles wird von Automaten bedient», erklärt Wehrli und öffnet die Tür zu den Maschinen.
Drinnen: Erneut Regale, so weit das Auge ins Dunkel reicht, dazwischen flitzen die gelben Regalbediengeräte durch die Gestelle. 130 Meter lang ist das Gebäude, 30 Meter hoch. Gefüllt wird der Raum mit 14 Etagen hohen Regalen, in denen die Ware liegt: Massenweise Möbel mit lustigen schwedischen Namen wie «Ivar», «Mikael», «Kimme» oder eben «Gorm».

Schieneneingang
Die Bediengeräte zischen vorbei, halten, packen eine Palette und rasen wieder davon, während von unten über ein Rollband bereits die nächsten Paletten im Automatenlager ein treffen.
Eine Treppe höher gelangt man zum Schieneneingang, direkt an der Schnellverkehrslinie der SBB. Auf den Geleisen, die im IKEA-Lager münden, stehen spezielle Waggons: Wechselbrücken. «Diese Brü cken kommen mit der Bahn aus Schweden, werden hier umgeladen, fahren dann weiter nach Italien und wechseln dort auf die Strasse», erklärt Wehrli.
Gut 60 Prozent des Einliefervolumens erreicht Itingen auf der Schiene. Beim Ausgang ist das Verhältnis umgekehrt: Ganze 80 Prozent werden per Lastwagen ausgeliefert.
Das liegt an den Distanzen: «Kurzstreckentrans porte wickeln wir mit Last wagen ab, über lange mStre cken kommen Züge zum Einsatz», sagt Wehr li. Leer ge fahren wer de aber nicht: «Leerfahrten sind bei uns absolut zu vermeiden. Wurde ein Lastwagen entladen, wird er entweder wieder mit Ware oder leeren Paletten zu rückgeschickt.»

Berge von Holzpaletten
Und wie viele Paletten das sein können, zeigt Wehrli zum Abschluss des Augenscheins. An endlosen Regalen vorbei führt sie die Gruppe ins Freie, zum Lastwagenausgang. Dort stehen Berge von Holzpaletten, auf gute acht Meter gestapelt. Beeindruckte Ausrufe der Zuschauer. «Die Paletten kommen und gehen», sagt Wehrli gelassen.
Und wenn Wehrli schildert, wohin die Reise der gefüllten Paletten führt, packt einem schlicht die Reiselust: Eine Lieferung geht nach Wien, eine weitere nach Rom, wieder andere nach Neapel. Und das nur, um die Wohnungen der Heerscharen von IKEA-Kunden zu zieren.

Andreas Schwald Text, Rolf Wirz Bilder