Flashovers, Pilotflammen und beheizbare Kleiderbügel
Schlafzimmerbrand mit integriertem Flashover – realistischer gehts nicht mehr.
Das Interkantonale Feuerwehr ausbildungszentrum in Balsthal ist die modernste Ausbildungs stätte für Feuerwehren in der ganzen Schweiz. Und ein Vorbild für Zusammenarbeit zwischen Kantonen.
los. Kennen Sie die Musik, die in den Filmen immer dann läuft, wenns besonders dramatisch wird? Wenn der Selbstmordkandidat sich langsam den Revolver an die Stirn drückt, wenn der Bösewicht plötzlich die kleine Tochter des Helden be droht oder wenn James Bond – wider besseres Wissen – wieder einmal kurz vor der Schwelle des Todes steht?
Von genau dieser Musik reden wir. Im Bild: Ein Schlafzimmer. Langsam schwenkt die Kamera über die Nachttischkommode, auf der zwei ge rahm te Bilder von zwei jungen hübschen Menschen stehen. Im Hintergrund ertönt die Musik und wir wissen: Jetzt passierts! Plötzlich züngeln Flammen unter der Bettdecke hervor. Zuerst nur wenige und dann immer mehr. Das Zimmer brennt. Die beiden schön gerahmten Bilder fangen an zu sengen und ein hässliches Braun überzieht beide Gesichter. Es ist einfach nur tragisch.
Was wir dank der Musik aber auch wissen: So schlimm kanns nicht sein – irgendwoher wird jetzt die Rettung kommen. Die Türe wird aufgestossen und drei mutige Feuerwehrmänner in Vollmontur stürmen das Zimmer. In Unendlichschlaufen sprü hen sie das Feuer ein, be kämpfen es und gewinnen. Die Musik ist aus und wird vom Summen mächtiger Ventilatoren abgelöst. Der Rauch verzieht sich und vor dem Schlafzimmer lobt ein Instruktor den vorbildlichen Einsatz der Feuerwehrmänner. Wir befinden uns im Interkantonalen Feuerwehrausbildungs zentrum ifa in Balsthal, dem modernsten Feuerwehrausbildungszentrum der ganzen Schweiz (das wahrscheinlich auch den modernsten Einführungsfilm aller Ausbildungszentren der Schweiz hat). 15 Leserinnen und Leser der «Volksstimme» konnten im Rahmen der Sommeraktion «Augenschein» das Ausbildungszentrum besuchen und bekamen dabei einiges geboten.
Wirklichkeitsnah Das ifa hat eine beachtliche Infrastruktur, um den Einsatz gegen Feuer aller Art zu proben. Auf dem Übungsfeld im Freien können die Feuerwehrleute auf 5000 Quadratmetern den Ernstfall proben. Als Spezialität bietet das Ifa Industriebrände an, bei denen mit Schaum ganze Tankwagen gelöscht werden können. «Das eigentliche Herzstück des ifa ist aber das Pyrodrom – unser Brandhaus», sagt der technische Assistent Urs Meier nicht ohne Stolz. Das Brandhaus ist in «Infrastruktur» und «Brandbekämpfung» aufgeteilt – gut zu erkennen an den Wänden: Die sind nämlich im Infrastrukturteil um einiges weisser geblieben. Auf drei Stöcken finden sich eine Mensa, um 120 Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer zu verpflegen, Räume, um das Material wieder herzurichten, eine Pressluftstation, um die unzähligen Atemschutzflaschen wieder zu füllen und Garderoben. Die Zahlen, die Urs Meier zum Infrastrukturteil aufzählt, sind eindrücklich. 1000 Flaschen füllt der technische Dienst im Monat. 300 Bar Druck hat die eingefüllte Pressluft. 1600 Liter Luft passen in eine Flasche – genug um eine halbe Stunde mit Sauerstoff versorgt zu sein. «Mit den vollen Flaschen müssen wir sorgfältig umgehen. Wenn eine zu Boden fällt und das Ventil abbrechen würde, wäre das bei dem grossen Druck ziemlich heikel.»
Ein anderer imposanter Raum ist die Garderobe des ifa. Also wirklich imposant sind ei gentlich nur die Kleiderbügel. Die sind wirklich hochmodern und heizen den Feuerwehrleuten über die Nacht die Kleider wieder auf.
Flashover Der andere Teil des Gebäudes ist zwar weniger sauber – aber um einiges spektakulärer. «Wir wollen unseren Feuerwehrleuten möglichst wirklichkeitsnah den Ernstfall simulieren», hatte alt Feuerwehrinspektor Marcel Heutschi bei der Begrüssung gesagt. Tatsächlich: Hinter einer Glasscheibe sehen die Augenschein-Teilnehmer das Schlafzimmer aus dem Film. Weniger dramatisch, aber im mer noch ziemlich bedrohlich. Wieder zischen Flammen hervor, das Bett brennt und plötzlich – wie aus dem Nichts – züngelt unter der Decke des Zimmers eine veritable Feuerwand. «Das nennen wir Flashover», erklärt Meier. Wenn sich durch einen Brand der gesamte Raum erhitzt, können sich die entstehenden Gase in einem Moment entzünden und die erwähnte Feuerwand verursachen.
Was im Schlafzimmer wild und gefährlich aussieht, ist in Wahrheit bis ins letzte Detail abgesichert. Das Feuer entsteht, indem Gas durch ein Wasserbad gepumpt wird – an der Oberfläche wird das Gas entzündet. Das Feuer brennt aber nur so lange, wie der Inspektor oder Kursleiter den Knopf an der Schaltung gedrückt hält. Lässt er die Steuerung fallen, geht das Feuer sofort aus – bis auf die Pilotflamme. Damit das Gas kontrolliert verbrennt, darf diese Pilotflamme nie ausgehen. Ne ben diesen Sicherheitsvorkehrungen sind ausserdem im ganzen Haus Gasdetektoren installiert, die sofort melden, wenn irgendwo Gas ausströmen sollte.
Im Brandhaus kann nicht nur der Schlafzimmerbrand ge übt werden. Im Angebot stehen ein Wohnzimmer-, ein Küchen-, ein Garagen- und Kellerbrand. Ausserdem gibt es eine Art «Schiesskino» in dem Anfänger zum ersten Mal den Rückstoss eines Feuerwehrschlauchs er fahren können.
Vorbildliche Zusammenarbeit Gebaut wurde das ifa im Jahre 1998 auf Initiative der Gebäudeversicherungen der Kantone Solothurn und Baselland. «Jeder Turnverein hat Trainingsmöglichkeiten – aber wir, die im Ernstfall bereit sein müssen, hatten nichts», sagt alt Feuerwehrinspektor Marcel Heutschi. 1997 wurde ein Kredit von 14,5 Millionen Franken bewilligt, die Gesamtkosten beliefen sich dann – mit nötigen Nachrüstungen – auf rund 16,3 Millionen. Die Betriebskosten des Zentrums sind mit 2 Millionen veranschlagt. Heutschi: «Die Kantone übernehmen die Kosten hälftig. Das ifa ist ein mustergültiges Beispiel für Zusammenarbeit zwischen den Kantonen. Wenn nicht das beste.» Doch nicht nur Feuerwehren aus Baselland und Solothurn kämen in den Genuss des ifa’s: Aus der ganzen Schweiz und sogar aus dem Ausland kommen Feuerwehrleute nach Balsthal, um den Ernstfall zu proben.
Bisher erschienen:«Soirée sentimentale» bei Hans A. Jenny in Tecknau, «Sein Lebensschicksal ist kompendialistisch» (vgl. «Volksstimme» vom Freitag, 4. Juli, Seite 5). Augenschein bei Le Patron in Böckten, «Pasteten, Teigwaren, Fertig menüs und vieles mehr» (vgl. «Volksstimme» vom 11. Juli, Seite 5). Wird fortgesetzt.