Das Resultat einer ergiebigen Grabung in Reinach:So viele Funde warten darauf, inventarisiert zu werden.
Was auf den Ausgrabungen ans Tageslicht kommt, landet im Konservierungslabor der Kantonsarchäologie Baselland. Teilweise sehr schnell. Denn nicht alle Gegenstände vertragen das Tageslicht.
ans. Vergraben, vergessen. Verschüttet, vergessen. Verloren, vergessen. Und irgendwann mal wird das, was vor hunderten von Jahren unter dem Boden landete, wiederentdeckt – sei es auf einer Baustelle, in einer Ruine oder in der Römerstadt Augusta Raurica. Dann landen die Fundstücke in Liestal. Bei Kantonsarchäologe Jürg Tauber und seinem Konservierungs- und Restaurationsteam.
Dort durften sich die Teilnehmenden des «Volksstimme»-Augenscheins gleich selber ein Bild machen von der mühevollen Kleinstarbeit der Archäologen. Erst ging es ins Fundmagazin, wo in unzähligen Kisten auf den ersten Blick nur Dreck liegt.
Bei genauerem Hinsehen werden aus den erdbraunen Klumpen aber Scherben, Knochen oder Reste organischen Materials. Wenn die Archäologen aus Zeitgründen nicht alles detailliert aufnehmen können, passiert es schon mal, das ein ganzes Grab eingegipst und schliesslich im Labor zerlegt wird.
Dendrochronologie In einer Kiste liegt ein Stück Baumstamm – im Wasser. «Das muss so gelagert werden», sagt Christine Gugel von der Fundabteilung. Damit die Struktur nicht kaputt geht. Denn der Stamm wird dereinst datiert, mittels Dendrochronologie. Auf Deutsch: «Holzdatierung».
Überhaupt gibt es probate Mittel zur Datierung organischer Überreste, wie die C14-Methode. C14 ist ein Kohlenstoffisotop, das in der Atmosphäre vorkommt und also von jedem Lebewesen eingeatmet und in dessen Zellen abgelagert wird. Hört das Lebewesen auf zu atmen, nimmt es auch kein C14 mehr auf. Mittels der Halbwertszeit, also dem Zerfall des Isotops, können Rückschlüsse auf das Alter des Gegenstands gezogen werden – teilweise bis auf 50 Jahre genau.
Das System hat aber seine Tücken. Erstens ist es teuer und zweitens darf der Gegenstand nicht mit etwas kontaminiert werden, das selber auf Kohlenstoffbasis beruht. Zum Beispiel Plastik. Da kann das Alter ganz schön biblische Dimensionen annehmen. Weiter gehts für das Material aus dem Fundmagazin ins Schwemmhäuschen, wo der Dreck mit verschiedenen Maschengrössen gesiebt wird. Da spült man solange durch, bis nur noch Fundgegenstände im Sieb sind: Knochen, Feuerstein, Scherben.
Suche nach Pollen Das ist schon aufwändig. Doch dann gibt es noch die Treibflotation, bei welcher der Dreck in einen Eimer Wasser geleert und geschwenkt wird. Bis nur noch die leichten, organischen Reste vorhanden sind. Und das kann schon mal dauern. Bis zu vier Stunden. Für einen halben Eimer Wasser.
«Wir wollen auch Pollen», sagt Gugel. Auch damit lassen sich Rückschlüsse auf die Lebensumstände vergangener Zeiten machen. Auf der Riedfluh in Eptingen wurde beispielsweise Getreide mit Unkrautspuren gefunden, die typisch fürs Unterbaselbiet sind. «Da kann man davon ausgehen, dass die Herren in Eptingen ihr Getreide von etwas weiter her hatten», ergänzt Tauber. Überhaupt kamen interessante Sachen hervor. Mittelmeermakrelenreste, zum Beispiel, welche die Römer in ihren Fischsossen hatten oder einer der ältesten Heringsfunde – aus Frenkendorf.
Vom Schwemmhäuschen gehts weiter zum Waschplatz, im Hauptgebäude, vorbei an Binokularen, Röntgenapparat und kistenweise Schädeln. «Da ist Fingerspitzengefühl gefragt», sagt Gugel und zeigt aufs Waschbecken.
Der Fundkomplex
«Da muss man durch den Schmutz erahnen, was wohl auf der Scherbe sein könnte. Das Waschen erfordert unendliche Geduld.» Zudem darf nichts verwechselt und aus dem Fundkontext entfernt werden. «Sonst kann man es gleich wegwerfen», so Gugel. Denn jeder Fundkomplex wird genaustens dokumentiert. Um eine exakte Auswertung zu garantieren.
Anschliessend gehts ans Inventarisieren. Dort wird jede Scherbe, jedes Fitzelchen mit einer Nummer versehen und ausgelegt. Noch liegt auf Tischen verteilt die Ausbeute einer Grabung in Reinach. Schon rund 26000 Einzelteile sind es. Und das ist erst ein kleiner Teil der gesamten Grabung. Da taucht dann schon mal ein Stück einer Amphore aus Ephesos auf. Oder Ziegel aus Italien. Was von der ausgeklügelten römischen Logistik zeugt.
Dass auch immer wieder wahre Preziosen auftauchen, demonstrieren die Restauratoren Roland Leuenberger und Sabine Bugmann. Zum Beispiel der Fund aus einem Kindergrab: Kurzschwert, Gürtelschnalle, Beschläge.
Die Prunkstücke der Kantonsarchäologen lagern im Safe: Zum Beispiel der Feuerstein von Pratteln, ein gewaltiger Faustkeil aus Silex. Oder die Scheibenfibel aus dem 7. Jahrhundert, die 1991 in Aesch gefunden wurde. Das Teil ist verziert mit Glasperlen, gelöteten Drähten – eine Heidenarbeit. Leuenberger brauchte für die Restauration der Brosche rund vier Jahre, mit Unterbrüchen.
Derweil sich Bugmann unter anderem mit Töpfen auseinandersetzt und diese rekonstruiert. Im Gegensatz zu früheren Rekonstruktionen wird die Keramik nicht komplett nachgebildet, sondern die Fundstücke werden in roten Ton eingebettet. Damit sich die Originalteile vom Nachgebildeten unterscheiden lassen. Unter den Töpfen steht auch ein altes Gefäss – ein 2500 Jahre alter, altsteinzeitlicher Topf, 50 Zentimeter hoch wie breit. «Ein Prunkgefäss», erklärt Tauber. Und, wie alles in der Kantonsarchäologie, kleinste Detailarbeit, ein Scherbenputzen, Sortieren, Anschreiben.
Das Material war schon mal verloren. Es soll nicht noch einmal in Vergessenheit geraten.