Augenschein vom 06.07.2017   Liste aller Augenscheine       

Ein Blick in den Bölchen

Ein Blick in den Bölchen Ingenieur Björn Meyer (hinten Mitte) weiss, was die Tunnelbauer im Berginneren erwartet.
Der riesige Kopf der Tunnelbohrmaschine am Bölchen hat sich am 21. Juni durch die letzten Meter Gestein gefressen. Die dritte Röhre durch den Berg war geschafft. Am «Augenschein» der «Volksstimme» konnten sich die Besucher ein Bild von der komplexen Arbeit der Tunnelbauer machen.

Im Infocenter am Rand des Baustellenareals am Bölchentunnel ist der Boden mit einer Luftaufnahme des Bölchen beklebt. In Vitrinen sind Gesteinsproben aus dem Bölchen ausgestellt. Bilder mit Querschnitten des Berges oder der Tunnelröhre bedecken die Wände. Ein Modell der Bohrmaschine vermittelt einen Eindruck ihrer Grösse und Komplexität. Sie sieht aus wie ein futuristisches Raumschiff mit einem riesigen Kopf. Allerdings hat sie sich in den letzten Monaten nicht durchs Weltall, sondern durch das Gestein des Bölchen gebohrt. Der Bohrkopf hat einen Durchmesser von 13,97 Metern. Die Gesamtlänge beträgt 75 Meter. Sie ist 2000 Tonnen schwer. Und sie hat sich in 72 Wochen durch 550 000 Kubik meter Gestein gefressen. Björn Meyer von der Ingenieursfirma Jauslin Stebler fu?hrt die Besucher durch die einzelnen Etappen des Tunnelbaus. Anhand der Gesteinsproben erklärt er, welche Herausforderungen die Ingenieure am Bölchen zu meistern hatten. «Anders als am Gotthard, wo die Bohrmaschine sich durch Granit arbeiten musste, liegen hier 20 Prozent der Streckenlänge in Kalkgestein, 40 Prozent in Tongestein und weitere 40 Prozent in Gipskeuper», sagt Meyer. Es ist vor allem dieser Gipskeuper, der den Tunnelbauern im Bölchen (genau wie beim Chienbergtunnel) das Leben schwer macht. Denn Gipskeuper quillt auf wie Griessbrei, sobald er mit Wasser in Beru?hrung kommt. Vollgesaugt vergrössert sich sein Volumen um bis zu 60 Prozent.

Von Anfang an unter Druck
Als die urspruünglichen Tunnelröhren durch den Bölchen gebohrt wurden, kämpften die damaligen Bauherren bereits gegen die Eigenschaften des Gipskeupers an. Drainagestollen unter der Tunnelröhre sollten dem Gestein das Wasser entziehen. Vergeblich, der Quelldruck liess sich nicht stoppen. Die dritte Röhre soll es nun richten. In ihm wird der Verkehr fl ies sen, während die alten Tunnels einer nach dem andern totalsaniert werden. Im Infocenter zeigt ein Film, wie die Tunnelbohrmaschine der Firma Marti arbeitet. Alle Schritte hinter dem riesigen Bohrkopf sind genau aufeinander abgestimmt. Die aus gebrochene Tunnel röhre wird laufend mit Tu?bbingringen – vorgefertigte Betonelemente – gesichert. Pa rallel dazu folgt der kom plette Innen ausbau. Zuerst wird das Sohlgewölbe abge dichtet, armiert und beto niert. Die vorgefertigten Werkleitungselemente werden auf die fertige Sohle versetzt. Als Abschluss erfolgt der Einbau der Zwischendecke. Die Tunnelwand wird zum Schluss etwa einen Meter dick sein, rund dreimal dicker als die Wände der alten Tunnelröhren. Der Film zeigt nicht nur die eindru?ckliche Arbeit der Mineure, sondern auch die schweisstreibende, harte Arbeit der Bautruppen, die hinter ihnen mit dem Ausbau beschäftigt sind. Alles in allem arbeiten pro Tag etwa 160 Personen auf der Baustelle. Zum Schluss seines Vortrags fu?hrt Meyer die Besucher ins Freie und hinab in die Nähe des Tunneleingangs. Über den Köpfen ziehen sich die Förderbänder u?ber den Wald hinauf. Rechts rauscht der Verkehr pausenlos durch die alten Röhren. Die neue gähnt dunkel und wartet auf den Verkehr, der ab 2021 hier durchfliessen soll.

Volksstimme Nr. 79 / 2017