Augenschein vom 23.07.2004   Liste aller Augenscheine       

Mit Fingerspitzengefühl den Geist herausdestillieren

Mit Fingerspitzengefühl den Geist herausdestillieren Brennen benötigt viel Fingerspitzengefühl: Konrad Schär erklärt den «Augenschein»-Teilnehmenden die Funktionsweise der verschiedenen Teile seines Brenngeschirrs.
Edelbrände, nicht Schnäpse brennt Konrad Schär auf dem Ormalinger Weidhof. Zur Veredelung der gebrannten Wasser tragen unter anderem 42 Kilo gramm Kupfer mit 40 Quadratmeter Oberfläche bei.

gr. Kaum zu glauben, dass daraus in einigen Wochen veritabler Kirsch wird.
«Wers noch nie gerochen hat, kann jetzt eine Nase voll nehmen», sagt Konrad Schär den Teilnehmenden des «Volksstimme»-Augenscheins. Wäh rend er das sagt öffnet er eine blaue Plastiktonne mit schwar zem Deckel, wie man sie zum Brennobst einmachen kennt.
Vorsichtig beugt sich jede und jeder kurz übers Fass. Drinnen ist eine kirschenfarbige Masse, die ziemlich lebendig wirkt. Zwischen den Kirschen brodelt und schäumt es: die Maische gärt. Wie sie im Fass angesetzt wird, ist entscheidend für die Qualität des Endprodukts.
«Ein Besucher hat mich einmal gefragt, warum man denn die Kirschen nicht direkt ins Brenngeschirr füllen kann», sagt Schär. Die Antwort: «Das kann man selbstverständlich, aber was dann rauskommt, ist Konfitüre.» Aber die will Schär ja nicht produzieren, also maischt er das Obst ein.
Denn das Gären der Früchte ist notwendig, dass überhaupt Alkohol entstehen kann: «Die im Obst enthaltene Stärke wird da bei in Fruchtzucker umgewandelt. Die Hefe verwandelt diese dann in Alkohol», so Schär. Und damit die Maische korrekt gärt, braucht es winzige Mengen an Zusatzstoffen und die richtige Temperatur: 25 Gramm Gärsalz pro 100 Kilogramm Früchte kommen ins Fass. Nahrung für die Hefe sei das, erklärt Schär. Weiter braucht es natürlich Gär hefe, 12 bis 15 Gramm und etwas Milch und Phosphorsäu re. Das senkt den PH-Wert: Ist die Maische sauer, haben Fäulnisbakterien keine Chance. Schliess lich gibt Schär noch drei Milliliter eines Enzyms ins Fass, das die Zellhäute öffnet, so dass der Saft besser austreten kann. Die ganze Sache müsse – je nach Obst – bei Temperaturen von höchstens 18 Grad vor sich hin brauen, ansonsten verlaufe der Gärungsprozess «stürmisch», sagt Schär. Was schlecht ist für das Aroma: «Der Geschmack, der sich im Raum ausbreitet, fehlt dann im Glas.»
Die Maische gärt dann je nach Obst einige Tage bis einige Wo chen. Williamsbirnen brauchten vier bis fünf Tage, sagt Schär, Kirschen dagegen bis fünf Wochen.
Das Obst übrigens, das Schär verwendet, baut er etwa zur Hälfte selber an, den Rest kauft er dazu. «Mittlerweile ma chen wir praktisch nur noch Zwetschgen», so Schär. Da die Pflege der 1300 Niederstammbäume sehr zeitaufwändig sei, habe man kaum mehr Kirschbäume auf dem Weidhof. Um die richtigen Kirschen fürs Brennen zu erhalten, fahre er schon mal bis ins Luzernische. Zudem kaufe er keine Brennware, sondern die qualitativ bessere Konservenware.
Die Früchte sind also organisiert und fertig gegärt: es kann gebrannt werden. Schär hat in seiner Schaubrennerei zwei Brenngeschirre. Ein kleineres, fast gänzlich von Hand hergestelltes, mit dem rund 80 Liter pro Durchgang gebrannt werden können. Vor rund zwei Jahren hat er sich zudem ein grösseres angeschafft, das an die 170 Liter pro Brand schafft.
Zum Brennen werden die vergorenen Früchte in die so genannte Brennblase eingefüllt, die beheizt wird. Bei Schärs altem Brenngeschirr geschieht das mit Holz: «Das braucht sehr viel Fingerspitzengefühl, um die richtige Temperatur zu erreichen.» Beim neuen Geschirr wird mit Öl geheizt, da sei das Regulieren etwas einfacher.
Der entstehende Dampf, der den Alkohol und die Aromen transportiert, passiert dann ei nige Stationen, bis er als sehr hochprozentiges Konzentrat aus dem Brenngeschirr läuft. Wichtig für die Qualität ist das Kolonnenteil. Dort passiert der «Geist» verschiedene Vorrichtungen, die ihm Wasser entziehen. Viel Physikalisches spielt mit: der Brenner macht sich die unterschiedlichen Kondensations tem peraturen von Wasser und Alkohol zunutze.
Weiter passiert der Dampf einen Katalysator: Der oberste Abschnitt des Kolonnenteils be herbergt sage und schreibe 42 Kilogramm Kupfer mit einer Oberfläche von etwa 40 Quadrat metern: «Man muss sich das wie aufgerollten Wellkarton vorstellen», sagt Schär. Diese grosse Oberfläche entzieht dem Brand giftige blausäureartige Substan zen, die bei Steinobstbränden aus dem Stein entstehen. Schliess lich passiert der Brand einen Kühler, kondensiert und läuft ab. Die ersten sechs bis sieben Deziliter füllt Schär in Deziliter-Portionen ab und unterzieht sie einem Geruchstest, den er sich von weiteren Personen be stätigen lässt – um ganz sicher zu gehen, dass der noch nicht geniessbare Vorlauf durch ist. Die ersten vier bis fünf nicht brauchbaren Deziliter jedes Brandes muss Schär übrigens bei der Eidgenössischen Alkoholverwaltung genauso deklarieren, wie das für den Verkauf Produzierte.
Was nun aus dem Brennofen herauskommt ist jedoch noch nicht der richtige Edelbrand. Es handelt sich um Konzentrat mit einem Alkoholanteil von 76 bis 81 Volumenprozent, abhängig von der Obstsorte. Das Konzentrat kommt erst ins Lager, wo es in grossen Stahltanks reifen kann. An die 6500 Liter liegen zurzeit in seinem steuer freien Lager. Steuerfrei heisst, dass eine Bank in Schärs Namen bei der Alkoholverwaltung eine Kaution deponieren muss. Dafür entfallen laufende Steuerkosten.
Damit die Edelbrände auf die trinkbaren 41 Volumenprozent Alkohol kommen, werden sie mit destilliertem Wasser versetzt. Schär benutzt dazu das Wasser der hofeigenen Quelle, welches mittels eines Harzfilters vom Kalk befreit wird, damit es zu keinerlei Geschmacksirritationen kommt.
Neben den Edelbränden stellt Schär auch einige Sorten Liköre her. Diese brennt er aber nicht: die Früchte werden in Alkohol eingelegt, der «Saft» wird nach einem gewissen Zeitraum gesüsst und gefiltert.
Von den verschiedenen Brän den und Likören konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Augenscheins an der anschliessenden Degustation selber einen Eindruck verschaffen. Unter der Obhut eines riesigen Amethyst-Kristalls, der in einer Nische in der Wand steht: «Dem Amethysten werden Heilkräfte gegen Trunksucht und Trunken heit zugeschrieben», sagt Schär und grinst, «doch die wirken nicht weiter als bis zu unserer Türschwelle.»

www.schaer-weidhof.ch

(Bild Patrick Moser)

Volksstimme Nr. 87 / 2004