Leserreise vom 21.04.2016   Liste aller bisherigen Leserreisen           

Motoren, Design und gutes Essen

Motoren, Design und gutes Essen Die «Volksstimme»-Leserreisegruppe vor dem Ferrari Museum in Maranello.
Seidenweich, die Fahrt im «Sägesser»-Reisecar, interessante Geschichten und Einblicke über und in die italienische Motorenkunst sowie lukullische Höhenflüge.

Der 4-Tages-Event «Motor Mania e Dolce Vita» startet am frühen Donnerstagmorgen mit dem Ziel Sant’Agata Bolognese. 23 Passagiere freuen sich auf den Besuch der Automobili Lamborghini S.p.A.
1962 ärgerte sich der äusserst erfolgreiche, geschäftstüchtige und im Zeichen des Stiers geborene Ferruccio Lamborghini dermassen über seinen Ferrari, mit welchem er immer mal wieder in die Werkstatt musste, dass er sich entschloss, einen eigenen Sportwagen zu bauen, welcher den Ferraris in allen Belangen überlegen sein sollte. Sein Vermögen erarbeitete sich der Ingenieur zuvor hauptsächlich mit dem Bau von Traktoren.
Da Ferrari seine Kupplungen beim selben Lieferanten kaufte, welcher auch die Traktoren von Lamborghini belieferte, entschloss sich Lamborghini, diese viel stärkeren Kupplungen in seinen Wagen einzubauen. An der Motor Show 1963 in Turin präsentierte das Unternehmen das erste Modell, den 350 GTV, allerdings ohne Motor. Dieser, ein 3,5-LiterV12 leistete auf dem Prüfstand zwar stolze 347 PS, aber er passte nicht in die Karosserie. Es ging wohl etwas zu schnell. Der Nachfolger, der 350 GT, war dann das erste Fahrzeug dieser Sportwagenschmiede.
Im Werk verfolgen wir die Produktion der aktuellen Modelle Huracán und Aventador. Beide Fahrzeuge werden erst auf Bestellung produziert, um alle Kundenwünsche berücksichtigen zu können. Fotografieren ist in allen besuchten Werken verboten. Das werkseigene Museum bietet aber genügend Objekte, um dann zu Hause weiterträumen zu können.
Am Nachmittag besuchen wir das Ferruccio Lamborghini Museo, wo uns der Enkel von Ferruccio, Fabio Lamborghini, durch die Ausstellung führt. Zu entdecken gibt es nicht nur Autos, sondern auch ein 13,5 Meter langes Offshore-Speedboot, welches viele Weltrekorde einfuhr, oder aber auch Waschmaschinen, Klimageräte und Smart-ähnliche zweiplätzige Autos mit Elektroantrieben, Golf Cars und ein «Papamobil».

Ducati und Bio-Farm Hombre
Der Freitag beginnt mit dem Besuch des Ducati-Werks in Borgo Panigale, einem Stadtteil von Bologna. Entstanden ist die Firma in den 20erJahren und produziert wurden damals vorab Teile für Radios. Kondensatoren wurden schon bald in die ganze Welt verkauft. Im März 1946 schliesslich wird der erste Motor vorgestellt. Er sollte an Fahrrädern verbaut werden und in der Folge wurden die Motorräder weiterentwickelt. Die Führung durch die Produktion verdeutlicht auch hier, dass sehr auf Qualität und Sauberkeit geachtet wird. Interessant ist, dass zum Beispiel die Motorenmontage zwar am Laufband erfolgt, die Mechaniker aber «ihren» Motor von A bis Z zusammenbauen. Sie rotieren zusammen mit dem Motor über die verschiedenen Stationen. Gleich vorgegangen wird in der Montage des eigentlichen Motorrads. Schliesslich dürfen wir die ersten «Gehversuche» einer fertig montierten Ducati miterleben. In einer geschlossenen Kammer – der Mechaniker trägt Maske und Gehörschutz – werden die Gänge durchgeschaltet und die Bewegungen, welche der Fahrer dabei macht, lassen erahnen, wie viel Power in der Maschine steckt.
Etwas leiser geht es dann beim nächsten Stop, auf der Bio-Farm Hombre zu. Unter anderem wird hier Parmigiano Reggiano produziert. Im Lagerraum, wo Hunderte von Käselaiben reifen, erfahren wir Interessantes zur Produktion. Etwa 240 Kühe liefern täglich rund 6000 Liter Milch, welche benötigt werden, um 12 Käselaibe pro Tag herzustellen. Stark kontrastiert der nachfolgende Programmpunkt, noch immer auf dem Gelände der Bio-Farm, durch das Umberto-Panini-Motor-Museum, welches eine unvergleichliche Autosammlung, mit etwa 20 Maserati als Herzstück der Sammlung, vorzuweisen hat. Aber auch Motorräder und viele Traktoren sind Zeitzeugen der Entwicklung der Fahrzeugtechnik. Panini übrigens, die Erfinder der Panini-Bilder und -Alben. Diese lieferten die Basis des Wohlstands der Familie.
Beim Mittagessen treffen wir nochmals auf Fabio Lamborghini, der uns auf einem ehemaligen Schloss der Familie, das zum Restaurant umfunktioniert wurde, willkommen heisst.

Pagani «100 Prozent perfekt»
Am Nachmittag steht der Besuch bei einem der edelsten Edelautobauer an: Pagani. Ein Credo der Firma lautet: Zeit spielt keine Rolle, der Qualität wird alles untergeordnet. Ob also die «Tagesform» eines Mitarbeiters eher auf gemütlich eingestellt ist, ist sekundär. Die Arbeit, die er abliefert, muss zu 100 Prozent perfekt sein. Bei einem Startpreis von 1,5 Millionen Euro, der durch kundengewünschte Individualisierung auch auf 2,5 Millionen klettern kann, ist das Erreichen der Perfektion eine Selbstverständlichkeit. 40 Fahrzeuge verlassen das Werk pro Jahr. Wir dürfen beobachten, wie Karosserieteile aus Kevlar entstehen. Es wird ruhig und hoch konzentriert gearbeitet. Jedes Fahrzeug ist ein Unikat, im Preis inbegriffen für den Besitzer ein Modell, welches exakt seinem Auto entspricht. Gebaut werden aktuell die Modelle Huayra (12-ZylinderMercedes-AMG-Motor, 5980 cc, 730
PS, 1000 NM, 1350 Kg) und Zonda (5987 cc, 800 PS, 730 NM, 1070 Kg, > 350 Km/h). Auf dem Firmensitz wehen Flaggen unterschiedlicher Nationen. Es sind die Landesflaggen derjenigen Personen, für die momentan ein Fahrzeug am Entstehen ist. Aktuell stammen diese vornehmlich aus dem asiatischen und dem arabischen Raum.

Ferrari selber fahren
Der Samstag startet in Maranello im Besucherbus mit einer Werksbesichtigung, wobei der Zugang zu den Produktionsräumen nicht gegeben ist. Das Werk ist eine eigentliche Stadt mit vielen Strassen, welche alle berühmte Namen aus der Rennsportgeschichte tragen. So begegnen wir auch der «Ave. Michael Schumacher». Auf der hauseigenen Rennstrecke Fiorano fährt ein Prototyp seine Runden. Er soll ergänzend einen Elektromotor an Bord haben.
Anschliessend besuchen wir das Museum, wo wir, gleich wie bei Lamborghini auch, «weiblich» geführt werden. Unzählige Ausstellungsstücke erfreuen uns oder hinterlassen ganz einfach Eindruck. Zum Beispiel ein 250 GTO, von welchem lediglich 36 Exemplare produziert wurden und im Jahr 2014 ein Wagen für 38 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt hatte. Das Mittagessen im «Cavallino» mundet sehr, doch bei 10 Reiseteilnehmern steigt die Nervosität. Für diese steht danach eine Einführung in die Tiptronic-Lenkradschaltung auf einem Simulator an, bevor dann das Highlight der Reise, eine 20-minütige Testfahrt in einem Ferrari ansteht. Spass gemacht hatte es alleweil, davon zeugen zumindest 10 feuchte Augenpaare nach jeweils absolvierter Fahrt. Zurück in Bologna verabschiedet sich unsere charmante, italienisch-quirlige Reiseleiterin, bevor wir beim Abendessen in der wunderschönen Altstadt von Bologna den Abend ausklingen lassen.
Die Rückreise am vierten Tag führt uns ins Zentrum von Como, wo nach einem weiteren typisch italienischen Mittagessen eine Stadtführung zu den Sehenswürdigkeiten die Reise abrundet. Alle Mitreisenden waren begeistert und wohl noch für einige Tage wird das Brummen von Motoren in der Nacht nachhallen.

Alex Köhli

Volksstimme Nr. 50 / 2016