Das Bücherparadies von Hans A. Jenny bei Kerzenschein und Wiener Walzer.
Hans A. Jennys riesige Privatbibliothek war Ziel des ersten «Volksstimme»-Augenscheins 2003. Jenny erzählte den Teilnehmern Anekdoten aus seinem eigenen und dem Leben anderer. Und zeigte neben seinen Büchern viele andere Schätze.
gr. «Würde man von Spuren an diesem Säbel eine DNA-Analyse machen lassen, käme bestimmt russisches, preussisches und deutsches Blut zum Vorschein.» Hans A. Jenny ist in seinem Element. Im «Napoleon-Kabinett» findet sich nicht nur ein Säbel eines französischen Feldherren. Auch etliche Bücher, Abbildungen, Münzen oder Porträts zieren den Raum. Ein Raum von vielen mit einer unglaublichen Menge an Büchern, Dokumenten, Fotografien.
Hans A. Jenny bezeichnet sich selber als Kompendialist. Als einer, der das Ziel hat, alles an einem Ort zu erfassen. Die Bezeichnung Kompendialist entnahm er einem Ausspruch Goethes. Dieser habe Napoleon bei einem Treffen folgendermassen begrüsst: «Ich begrüsse das Kompendium der Weltgeschichte.»
Ganz so berühmt ist Jenny noch nicht, aber immerhin ist der Platz beim Tecknauer Ge meindehaus nach ihm benannt worden; auf einem Stein ist «Hans A. Jenny-Platz» zu lesen. Als er einmal mit seinem Hund spazieren ging, habe ihn ein Tecknauer angesprochen: «So Herr Jenny, das ist doch toll, wenn ein Platz nach Ihnen benannt ist. Passen Sie nur auf, dass Ihr Hund nicht sein Geschäft an Ihren Stein verrichtet.»
«Es braucht auch Solche» In eine ähnliche Kerbe schlägt eine andere Anekdote, die Jenny zum Besten gibt. Als er 1977 nach Tecknau gezogen sei, sei es mit seiner Akzeptanz im Dorf noch nicht so weit her gewesen: «Büchergorilla haben sie mir nachgesagt.» Der Männerchor habe jeweils nach Be such des benachbarten Restaurants in Reih und Glied an seinen Gartenzaun uriniert – bis einmal einer, der auch im Ge meinderat sass, gesagt habe: «Dieser Jenny ist gar kein übler Kerl. Es braucht auch solche Leute.» Von da an hätten die Sänger seinen Gartenzaun verschont, und ihr Geschäft auf der gegenüberliegenden Strassenseite verrichtet.
Anekdoten. Jenny erzählt eine nach der anderen. Etwa auch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs als er jeweils seine Grossmutter in Lörrach besucht habe. Hitlerjugend-Burschen hätten ihn immer beim Grenz übertritt als «Kuhschweizer» gehänselt. Wegen des strengen SS-Mannes, der den Grenz übergang bewachte, habe er sich nicht getraut, sich zu wehren. Einmal sei ihm doch ein «Sau schwob» herausgerutscht, das habe ihm eine Nacht im Lörracher Gefängnis eingebracht – als Elf jähriger.
Interesse am Menschen Anekdoten. Sie liegen Jenny am Herzen. Egal, über welches Thema er gerade spricht, irgendeine Anekdote fällt ihm immer ein, sei es über eine Persönlich keit, sei es über ein Tier. Sein Zugang zum Wissen erschliesst sich denn auch viel mehr über das, was jemandem widerfährt: «Ich interessiere mich immer für das Lebensschicksal eines Menschen.»
Daher fühlt er sich mehr zu biografischen oder historischen Werken hingezogen als zur Fiktion. Auch diese nimmt einen Platz in seiner immensen Bü chersammlung ein, aber: «Ich lese lieber über die Realität», so Jenny. Durch diesen Zugang ist ihm auch ein gewisser Konservativismus nicht abzusprechen: «Ich bin historisch ausgerichtet, möchte alte Sachen sammeln und bewahren, bevor sie verloren gehen», sagt der Büchersammler. So haben denn Neupublikationen weniger Platz bei ihm.
90 000 Bücher hat Jenny in mittlerweile zwei Häusern un-tergebracht. Im Vergleich: die Bib liothek der Universität Basel habe rund drei Millionen Bücher. Dafür könne er Sachen anbieten, die dort nicht verfügbar sind, Dossiers, Dokumentationen, die es in dieser Form anderswo nicht gebe. «Es ist uferlos», charakterisierte Jenny mit einem leichten Seufzer seine Sammelobsession.
Extrem gut vertreten ist die hiesige Region. Ein besonderes Müsterchen: Jenny hat eine Sammlung von Amtsblattbänden aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bis zum Jahr 1832 erfolgte die Publikation von Stadt und Land gemeinsam – auf die Etikette des Bands von 1832 schrieb ein Basler Amtsschreiber «Ende».
Nicht fehlen durften die Baselbieter Originale. Jenny pickte Oskar Bider, den Langen brucker Fliegerpionier, heraus. Lebhaft zeichnete er dessen Werdegang nach, nicht oh ne den Verdacht loszuwerden, dass Bi der ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Schwester ge habt haben könnte.
Fernsehmann Jenny gab auch Geschichten aus seinem eigenen Leben zum Besten – selbverständlich im anekdotischen Stil. Etwa von der Sendung «Patent angemeldet», die er 1958 beim noch blutjungen Schweizer Fernsehen moderierte.
In der Show wurden Erfindungen vorgestellt. Die Sendung wurde aber nach sechs Folgen wieder eingestellt; es war wohl zu viel, als sich Jenny bei einem vorgestellten All zweckbett heftig beide Daumen eingeklemmt hatte und nicht losschreien konnte. Unvergesslich für ihn war zudem, als ihn die Schauspielerin Sonja Ziemann für ei nen Garderobier hielt und er ihr die Achselhöhlen rasieren musste.
Autor, Herausgeber, Radio macher, Theaterkritiker, Studien reiseleiter, Stadtführer, Jennys Liste von Tätigkeiten ist lang. Auch als Reisereporter war er unterwegs: Ob er in Portugal zwischen die Fronten der Nelkenrevolution geriet, ob er in Rumänien mit Mitgliedern der Königsfamilie «konspirierte» – der Er zählstoff wird ihm so schnell nicht ausgehen.